"Minimum quod potest haberi de cognitione rerum altissimarum, desiderabilius est quam certissima cognitio, quae habetur de minimis rebus."

"Das Geringste an Erkenntnis, das einer über die erhabensten Dinge zu gewinnen vermag, ist ersehnenswerter als das gewisseste Wissen von den niederen Dingen"

(Thomas von Aquin: I, 1, 5 ad 1)

6. Mai 2016

Die Sünde (4)

Das ist eben auch die Situation, die wir in der Epistel Septuagesima-Sonntag lesen [1 Kor 9, 24-27; 10, 1-5]; im zweiten Teil erwähnt es Paulus und findet es merkwürdig. Er sagt: Alle Juden hat GOTT aus Ägypten gerufen, alle sind ausgewandert und durch das Rote Meer gezogen und haben die Wunder genossen, und doch hatte der Herr an dem Geist von ihnen kein Wohlgefallen.
Man kann also das Gute tun und genießen und die Gnade geistlos und wertlos an sich vorüberziehen lassen. Man kann in der Kirche stehen und Sakramente empfangen und seine Pflicht erfüllt haben und letztlich GOTT nicht gewonnen haben. Ich bin überzeugt, daß man zum Bußsakrament gehen kann und daß es kaum eine Wirkung hat. Zwischen "Gnade" und "Würdig"steht "Fruchtlos". Das ist eben der zweite Gedanke dieses merkwürdigen Rätsels.
Von gnadelos und von Sünde wollen wir nicht reden. Aber reden wir einmal von den Guten. Es heißt an dieser Stelle: Wieso kommt es, alle haben dem Ruf GOTTES gefolgt und an den meisten hatte ER kein Wohlgefallen. Das ist mir immer eines der größten Geheimnisse. Ein jeder ist getauft, jeder ist gleich weit von der Erbsünde weg, gleich weit von der Verbundenheit mit dem Satan weg, und trotzdem sind nicht alle in der gleichen Weise erlöst, trotzdem sind nicht alle Menschen GOTT gleich nahe. Das ist eines der allergrößten Geheimnisse, wenn wir uns Menschen anschauen, die Unerlöstheit mancher Menschen. Wieso kommt das?
Gewiß, auf der einen Seite ist da der Ruf GOTTES. ER macht nicht aus jedem einen Augustinus oder Franziskus; darnach können wir nicht fragen. Aber zum größten Teil kommt es durch unser eigenes Verschulden. Wenn man so wirklich die Seelen anschaut, wie unfertig und unerlöst ist manche Seele, soviel Ratlosigkeit, Unfertigkeit, Unklarheit, die längst überwunden sein müßten. Woher kommt es, daß man bei manchen Seelen sich sagt, was muß ich noch deutlicher sagen, die versteht mich nicht und weiß nicht, was ich meine. Diese Verkrampftheit und Unfreiheit und Unerleuchtetheit mancher Menschen. Das Geheimnis der Sünde ist ein so großes Geheimnis wie das Geheimnis der Gnade.
Woher kommt das? Dieses Warum zu beantworten, ist nicht unsere Aufgabe, aber unsere Aufgabe ist es, äußerst wachsam zu sein. Woher kommt das? Das ist eines von den Geheimnissen, die wir erst beim Letzten Gericht sehen werden. Diese Unerleuchtetheit, Unfreiheit und Kraftlosigkeit heute, lauter Menschen, die nicht in der Todsünde leben, aber nicht in die Vollkommenheit hineingehen. Sie machen Exerzitien um Exerzitien, das ist heute zum Schema geworden. Damit ist nicht gedient. Gedient ist in der Entscheidung des Alltags.
Eine andere Seele ist wie ein aufgebrochener Acker, es kann nicht genug Samen geben. Eine andere ist wieder wie eine Schnecke oder ein Wurm, ein solches Tempo hat die zum Heil, so etwas an Schwere und Unerleuchtetheit, daß einem das Schaudern kommt. Und dann wieder eine Seele, die einfach aufbricht, man könnte nicht meinen, wie GOTT mit den Seelen merkwürdig umgeht. Manche Seelen sind zum Sterben zu stark und zum Leben zu schwach. Dann wieder Seelen von einer Lebendigkeit, daß man gerade seine Freude haben muß, wie die reagieren, auf alles einsteigen. Woher kommt es, daß manche so unfühlig sind? Das Geheimnis der Bosheit ist eines der allerschwersten, das wir nie ganz werden lösen können. Menschen, die ihr ganzes Leben in ihren Urwerten schwanken und als alte Menschen noch nicht wissen, was sie eigentlich wollen, unfrei und verkrampft sind, woher kommt das? Von GOTT sicher nicht.
Das sind Dinge, die hier nicht gesühnt werden, die dann ein namenloses Fegefeuer brauchen. - Und dann kommt eine Maria Magdalena daher. - Hieronymus sagt einmal: Merkwürdig mit diesem Räuber am Kreuz, sein Leben lang hat er gestohlen und jetzt stiehlt er die ewige Seligkeit. Ja, das ist wahr. "Gedenke, Herr " - wenn einer mit Recht aufgehängt gehört, war es der. Nein: "Heute noch!"
O, meine Lieben, beten wir viel und haben wir acht auf unsere Seele. Ich versichere Sie, ich bin kein heuriger Hase mehr und ich weiß, wie der Hase läuft bei den Menschen. Sie glauben nicht, was man oft ein Grauen hat vor mancher Seele, an die man einfach nicht herankommt. Die einfach nicht weiterkommt, aber täglich kommuniziert. Daß sie in ihrer Unerleuchtetheit immer erwartet, daß man ihr den Weg zeigt, nur sie selber versteht sich nicht. Dabei weiß jedes Tier ganz genau, was ihm zusteht. Aber die Seelen wissen nicht, was sie tun sollen.
Das Geheimnis der Bosheit ist namenlos. Wir können nichts tun, als immer den Geist der Wahrheit bitten, daß ER uns lehrt, was es heißt: Sünde. Wenn man einen Grund angeben kann, dann ist es immer der, daß ihnen GOTT nicht GOTT ist. In dem Augenblick, wo mir das klar geworden ist: GOTT ist der Herr und GOTT ist Majestät, und daß es mich zusammenreißt, dann ist es mit dem Seelentode schon aus, dann lebt die Seele bereits, dann ist sie anrufbar.
Joh 6, wo ER Seine Jünger anfährt: ICH stehe nicht auf euch an. - ER ist der Herr!
Daß uns GOTT doch wirklich Herr sei, daß ich Ihn als Herrn erlebe, nicht mit dem Munde, ich beuge mich einfach im Leben und im Tode, mache, was DU willst. Es ist hart, was DU tust.
Das ist der Tod aller Sünde, zu sagen: GOTT ist der Herr. Immer sagt ER dann: Du bist Mein Kind!

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