"Minimum quod potest haberi de cognitione rerum altissimarum, desiderabilius est quam certissima cognitio, quae habetur de minimis rebus."

"Das Geringste an Erkenntnis, das einer über die erhabensten Dinge zu gewinnen vermag, ist ersehnenswerter als das gewisseste Wissen von den niederen Dingen"

(Thomas von Aquin: I, 1, 5 ad 1)

15. März 2014

Gnadenlos und erbärmlich

Barmherzigkeit ...  fällt uns heute vielleicht deshalb so schwer, weil ihr, sofern sie echt im christlichen Sinne ist, die Einsicht korrespondiert, dass der Mensch ein „erbärmliches“ Wesen ist. Und dies nicht in abstrakter Weise – nein: Ich bin erbärmlich, Du bist erbärmlich und unsere Nächsten sind es auch; wir alle, die wir uns an der öffentlichen Exekution eines „Großkopferten“ delektieren. ...

Wir betrügen das Gemeinwesen und wir brechen die Ehe, wir lügen und reden schlecht über unseren Nächsten. Niemand würde es überstehen, wenn sein Leben unter dem Licht der Fernsehscheinwerfer moralisch seziert würde. Wir alle sind erbärmlich und bedürfen der Barmherzigkeit; der Barmherzigkeit des gekreuzigten Gottessohnes und der Barmherzigkeit unserer Mitmenschen.


Die Gnadenlosigkeit so mancher öffentlicher Hatz ist wohl nur die Kehrseite dieser Verdrängung und diese Verdrängung ein Charakteristikum unserer Gesellschaft, die keine christliche mehr sein will und keine christliche mehr werden kann, solange die Einsicht in unsere individuelle Erbärmlichkeit nicht wieder Teil unseres öffentlichen Bewußtseins wird.

Quelle

5. März 2014

Heilung der Eigenliebe

Alles Beten zielt letztlich auf das Einswerden meines Willens mit dem Willen Gottes ab. In diesem Ringen mit dem Willen Gottes entdecken wir bis in die höchste Form des Gebets unsere versteckte Selbstliebe: das Egoistische, die Eigenliebe im negativen, nicht im positiven Sinn. Dieser Egoismus, dieser innere Stolz, das ist wohl auch die Giftwurzel, die bis in die höchste Mystik in uns gereinigt werden muß.
Darin besteht der ganze Prozeß, den wir im Gebet durchmachen. Das merken wir vor allem, wenn wir innerlich revoltieren, weil das Gebet nicht so ist, wie wir es gerne hätten: „Lieber Gott, so stelle ich es mir nicht vor! – Vielleicht wird es besser, wenn ich weniger bete“. Da erregt sich das eigene Ich und es geht mir nicht mehr um Gott, es geht nur noch um mich. Ich frage nicht: „Was willst Du eigentlich?“, sondern „was bringt es mir?“ Das erfahren wir schon am Beginn des Gebets. Gott geht von Anfang an daran, diese egoistischen Hindernisse in mir aufzudecken. Dieser Prozeß hört nie auf, aber je tiefer er geht, umso mehr offenbart Gott sich mir.


P. Hans Buob SAC