"Minimum quod potest haberi de cognitione rerum altissimarum, desiderabilius est quam certissima cognitio, quae habetur de minimis rebus."

"Das Geringste an Erkenntnis, das einer über die erhabensten Dinge zu gewinnen vermag, ist ersehnenswerter als das gewisseste Wissen von den niederen Dingen"

(Thomas von Aquin: I, 1, 5 ad 1)

31. Dezember 2010

Gesegnetes Neues Jahr!

Ihr in Europa seid nun schon fast ins Neue Jahr gerutscht und wie ich hoffe heil angekommen. Wir hier in Brasilien bereiten uns unter viel Regen auf den Jahresabschluß erst vor. Weihnachtliche Gefühle wollen da nicht so richtig aufkommen, wenn man auf Schnee und Kälte vorprogrammiert ist. Trotzdem wünsche ich uns allen ein gnadenreiches und gesegnetes Neuen Jahr, was auch immer der HERR uns darin schenken mag.

Unterscheidung der Geister und Scheinheiligkeit

"Das ist ja der Beweis, daß wir ihn erkannt haben, wenn wir seine Gebote halten. 
Wer sagt: "Ich kenne ihn", doch seine Gebote nicht hält, der ist ein Lügner; in einem solchen ist die Wahrheit nicht. 
Doch wer sein Wort hält, in dem ist wahrhaft Gottes Liebe vollendet; dies ist auch das Zeichen, daß wir in ihm sind. *
Wer sagt: "Ich bleibe in ihm", dem ist es heilige Pflicht, gerade so zu wandeln, wie auch er gewandelt ist.

Wer sagt, er sei im Lichte, doch seinen Bruder haßt, der ist noch immer in der Finsternis. 
Wer aber seinen Bruder liebt, der bleibt im Licht ohne Anstoß. 
Jedoch, wer seinen Bruder haßt, der ist noch immer in der Finsternis; er wandelt in der Finsternis und weiß nicht, wohin er geht; denn die Finsternis hat ihm die Augen verdunkelt. "

1Joh, 2, 3-6; 8-11

Bewahre uns, o HERR, vor aller Scheinheiligkeit, die uns daran hindert den rechten Weg zu gehen! 
Aber was machen, wenn die Augen schon verdunkelt sind und man vor lauter Balken dies selbst nicht mehr merkt?



25. Dezember 2010

Gesegnetes Weihnachten

Der Engel aber sprach zu ihnen: 
“Fürchtet euch nicht: Seht, ich verkünde euch eine große Freude, 
die allem Volke zuteil werden soll: 
Heute ist euch in der Stadt Davids der Heiland geboren; 
es ist CHRISTUS, der HERR.” (Lk 2,10s)



19. Dezember 2010

Geschenk GOTTES


Der Sohn ist gekommen und kommt, weil ihn der Vater gesandt hat: „Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat“ (Joh 3,16). Der Sohn ist gekommen und fährt fort zu kommen, wie es uns ständig der Geist sagt, der „das, was kommt“ (16,13) ankündigt. Von seinem ersten Kommen an will er an der Seite des Menschen sein und ihm helfen, seine Einsamkeit zu überwinden. Der Mensch braucht ihn, auch wenn er es nicht weiß. Sein Kommen annehmen, bedeutet Heil.

Das Neue, das Jesus bringt, ist unverdientes Geschenk, das angenommen sein will; wer es zurückweist, wird schuldig und stellt sich außerhalb der Heilsordnung. Wenn wir fragen, wie diese Verweigerung möglich ist, kommt die Antwort wiederum von dem, der das Neue gebracht hat: es ist letztendlich das Abweisen der liebevollen Souveränität Gottes, die sich im Kommen seines Gesandten gezeigt hat. 

… „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater außer durch mich“ (Joh 14,6). „Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und in wem ich bleibe, der bringt reiche Frucht; denn getrennt von mir könnt ihr nichts vollbringen“ (15,5).

In diesen Worten drückt Jesus aus, was Gott der Vater den Menschen in der Person seines Sohnes gegeben hat. Jesus ist Brot, Licht, Tür, Hirte, Auferstehung und Leben, Weg, Wahrheit und Leben, Weinstock. Zugleich sagt er, was die Menschen tun müssen, um die mit ihm gegenwärtigen Güter zu erlangen: zu ihm kommen, an ihn glauben, ihm folgen, in ihm bleiben. Er nennt auch die Güter, die er schenkt: das Leben, das Verlassen der Finsternis und die rechte Orientierung, die Überwindung des Todes durch die Auferstehung, die Kenntnis des Vaters und die vollkommene Gemeinschaft mit ihm. Wenn die Ausdrücke auch etwas verschieden sind, finden wir in diesen Gütern die Gaben des Neuen Bundes, d. h. die Kenntnis Gottes (Licht, Wahrheit) und das Gesetz (Tür, Hirte, Weg) und, als Frucht und Konsequenz, das Leben. Das alles ist gegenwärtig in der Person Jesu und wird von ihm auf eine innere und organische Weise gegeben, die das Verhältnis zwischen Weinstock und Reben ausdrückt.





14. Dezember 2010

gratias agere

Thomas von Aquin lehrte, daß die Dankbarkeit eine komplexe menschliche Wirklichkeit sei. ... Der Begriff "Dankbarkeit" setzt sich zusammen aus Teilbegriffen und verschiedenen Graden des Verständnisses. Zuerst finden wir das "Anerkennen" (ut recognoscat) des erhaltenen Gutes vor; der zweite Teilbegriff ist das Loben und die Danksagung (ut gratias agat); drittens gibt es den Aspekt der "Rückerstattung" (ut retribuat), einer Art Kompensation, soweit diese möglich ist in zeitlich und örtlich günstigen Umständen (II-II, 107, 2, c).
Diese scheinbar so einfache Lehre, kann unschwer festgestellt werden in den verschiedenen Ausdrucksformen derer die Sprachen sich bedienen um Dankbarkeit auszudrücken; wobei jede Sprache nur einen der vielfältigen Aspekte der Wirklichkeit des Dankes betont.
Einige Sprachen drücken die Dankbarkeit auf dem Niveau des ersten Grades aus: indem die "Anerkennung" des Begnadigten deutlich herausgestellt wird. Übrigens ist "Anerkennung" (wie etwa im Französischen "reconnaissance") eigentlich ein anderes Wort für Dankbarkeit. In diesem Zusammenhang ist es hochinteressant die Etymologie zu beachten: In der englischen Tradition stammen to thank (danken) und to think (denken) ursprünglich, und durchaus nicht zufällig, vom selben Ausdruck. Über die etymologischen Definition des to thank, liest man im Oxford English Dictionary ganz klar: "The primary sense was therefore thought". Im deutschen ist ursprünglich das "Danken" ebenfalls ein "Denken".
Das alles ist ja schließlich auch sehr sinnvoll, weil, wie jeder weiß, daß nur der dankbar ist, der wirklich denkt. Man ist nur dann dankbar, wenn man die Freiheit des Wohltäters erwägt, bedenkt, und ernsthaft unter Betracht zieht. Wenn dieses Bedenken nicht geschieht, kommt es (bei dem Wohltäter) zu der absolut gerechtfertigten Beschwerde: "Was für eine Gedankenlosigkeit (Undankbarkeit, Gleichgültigkeit)!"
Daran liegt es auch, daß Sankt Thomas - indem er darauf hinweist, daß das absolut negative, die Verneinung des niedrigsten positiven Grades ist (die letzte Einfahrt rechts, ist für den, der von der entgegengesetzten Richtung kommt, die erste Einfahrt links...) - behauptet, daß die Gedankenlosigkeit (Rücksichtslosigkeit), das Ignorieren, die höchste Undankbarkeit zu bedeuten hat: "jener Kranke, der seine eigene Krankheit nicht in Rücksicht nimmt, möchte im Grunde gar nicht geheilt werden".
Der Arabische Dankbarkeitsausdruck Shukran, shukran jazylan! befindet sich unmittelbar in jenem zweiten Niveau, des Lobes gegenüber einem Wohltäter und einer erhaltenen Gabe.
Andererseits heißt die lateinische, relativ komplexe, Dankbarkeitsform gratias ago, die wir im Italienischen und Spanischen als "grazie" und "gracias" wiederfinden. Sankt Thomas behauptet ( I-II, 110, 1) daß der Kernbegriff der "Gunst" oder "Gnade" drei Dimensionen einschließt:
1) "Gnade erhalten oder begnadigt zu werden"; "Gefallen" oder "Liebe eines anderen finden"; der uns etwas Gutes tut;
2) "Gnade" deutet auf eine Gabe hin, etwas nicht verdientes, umsonst gegebenes, ohne irgendein Verdienst des Begnadigten.
3) Die Rückvergütung oder "Begnadigung" von Seiten des Begnadigten.
Im Traktat De Malo (9,1), wird eine vierte Sinngebung angeführt: gratias agere - das Lob; wer daran glaubt, daß das erhaltene Gute von einem anderen kommt, soll loben.
Von der oben aufgeführten Übersicht - der Dankbarkeitsausdrücke auf englisch, deutsch, französisch, spanisch, italienisch, lateinisch und arabisch - hebt sich der ungemein tiefgründige Charakter der Portugiesischen Redewendung "obrigado" ab. Diese warmherzige Form ist die einzige, die ganz klar in die Art der Dankbarkeit , auf die sich Sankt Thomas bezieht (die vom dritten Niveau also), verfällt: die des tiefsten Gebundenseins (ob-ligatus), der Verpflichtung, der Pflicht dem Anderen rückzuvergüten.
Somit können wir auch den Reichtum unter Betracht ziehen, der sich in der japanischen Dankesformel verbirgt. "Arigatô" enthält ursprünglich folgenden Sinn: "Existieren ist nicht einfach", "Das Leben ist hart", "Einmalig", "Vorzüglich (einmalige Vorzüglichkeit)".
Die zwei letzten o.g. Sinne sind verständlich: in einer Welt, in der die allgemeine Tendenz ist, daß alles nur an sich denkt; wo sich die Verhältnisse, wenn überhaupt, von der strikten und unpersönlichen Rechtsprechung regulieren lassen; treten die Qualitätsbezeichnungen Vorzüglichkeit und Einmaligkeit als Charakteristika der Gabe deutlich hervor. Andererseits hat: "Existieren ist nicht einfach" und "Das Leben ist hart", auf dem ersten Blick, nichts mit Dankbarkeit zu tun. Doch Sankt Thomas lehrt uns (II-II, 106, 6), daß die Dankbarkeit - wenigstens im Vorhaben – die erhaltene Gabe übertreffen soll. Und daß es Verschuldungen gibt, die von Natur aus unbezahlbar sind: sowohl von einem Menschen dem anderen, seinen Wohltäter, gegenüber, als auch und besonders Gott gegenüber: "Wie soll ich dem Herrn vergelten – lesen wir im Psalm 115 – all seine Wohltat, die er an mir tut?"
Solche Situationen, der unbezahlbaren Schuld – die so häufig bei denen, die ein Gefühl für Gerechtigkeit haben, auftritt –empfindet der dankbare Mensch als peinlich und tut alles mögliche (quidquid potest), bis er schließlich ans excessum, das sich immerzu Ungenügen weiß, anlangt (cfr. III, 85, 3 ad 2).
Arigatô weist also hin auf das dritte Niveau der Dankbarkeit, das die Besinnung dessen bedeutet, wie schwer es sein kann, zu existieren (von dem Moment an, da man einen Gefallen erhalten hat, und zwar unverdienterweise und, und daher, eine Rückvergütung schuldig ist, die niemals beglichen werden kann...).

tenebrae

Aurem tuam, quaesumus, DOMINE, precibus nostris accomoda: et mentis nostrae tenebras, gratia tuae visitationis illustra.


Wir bitten Dich, o HERR: schenke unseren Bitten Gehör und mache hell die Finsternisse unsres Geistes durch die Gnade Deines Kommens.


Oratio vom 3. Advent

11. Dezember 2010

Guadalupana

Hier gibt es eine sehr schöne Erklärung der Tilma von Guadalupe, allerdings auf Spanisch.




Heilige Maria, die Du mit dem Namen »Unsere Liebe Frau von Guadalupe« als Mutter der Männer und Frauen des mexikanischen Volkes und von ganz Lateinamerika angerufen wirst, in Deine mütterlichen Hände legen wir – ermutigt von der Liebe, die Du ausstrahlst – erneut unser Leben.

Du, die Du anwesend bist in den Vatikanischen Gärten, Königin der Herzen aller Mütter der Welt und unseres Herzens. Mit großer Hoffnung wenden wir uns an Dich und vertrauen uns Dir an.

Gegrüßet seist du, Maria,
voll der Gnade,
der Herr ist mit dir.
Du bist gebenedeit unter den Frauen,
und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes: Jesus.
Heilige Maria,
Mutter Gottes,
bitte für uns Sünder
jetzt und in der Stunde unseres Todes. Amen.

Unsere Liebe Frau von Guadalupe
bitte für uns.

BENEDICTUS P.P. XVI

metanoia -μετάνοια




45. Jesus verkündet das Evangelium Gottes und sagt: „Die Zeit ist erfüllt und das Reich Gottes ist nahe“ und schließt gleich die Mahnung für unser Handeln an: „Kehrt um und glaubt an das Evangelium!“ (Mk 1,15). Er verkündigt die Nähe des Reiches Gottes, damit die Botschaft gehört und in Umkehr und Glauben aufgenommen werde. Es braucht eine Veränderung der Mentalität, ein neues Denken und Sehen, das von dem Reich Gottes bestimmt ist, das ein bewusster Glaube in seiner vollen Wirklichkeit erkennt und anerkennt. ...

Sr. Adele Brise



Was vertust du hier deine Zeit, während deine Gefährten im Weinberg meines Sohnes arbeiten?“ Adele Brise fragte weinend, was sie noch tun könne. „Sammle die Kinder in dieser wilden Gegend und lehre sie alles, was sie wissen müssen, um erlöst zu werden. … Lehre sie den Katechismus, lehre sie, sich mit dem Kreuzzeichen zu bezeichnen, lehre sie, wie sie die Sakramente empfangen sollen. Das ist es, was ich von dir will. Geh, fürchte dich nicht. Ich werde dir helfen.“


Mehr darüber.

La Guadalupana

Als Einstimmung auf das Fest der "Padroeira das Americas"!

8. Dezember 2010

Erfahrung des Bösen - Immaculata

Das Geheimnis der Unbefleckten Empfängnis Mariens, das wir heute feierlich begehen, ruft uns zwei grundlegende Wahrheiten unseres Glaubens in Erinnerung: vor allem die Erbsünde und dann den Sieg der Gnade Christi über sie, einen Sieg, der auf wunderbare Weise in der allerseligsten Jungfrau Maria aufscheint. Die Existenz dessen, was die Kirche »Erbsünde« nennt, ist leider, wenn wir um uns herum und vor allem in uns hineinblicken, von erdrückender Offensichtlichkeit. Die Erfahrung des Bösen ist in der Tat so greifbar, daß sie sich von alleine aufdrängt und in uns die Frage aufkommen läßt: Woher stammt es? Besonders für einen Gläubigen stellt sich die Frage in einem noch tieferen Sinne: Wenn Gott, der die absolute Güte ist, alles geschaffen hat, woher kommt das Böse? Die ersten Seiten der Bibel (Gen 1–3) antworten gerade auf diese grundlegende Frage, die jede menschliche Generation anspricht, mit dem Bericht von der Schöpfung und dem Fall der Ureltern: Gott hat alles ins Sein gerufen, insbesondere hat er den Menschen nach seinem Ebenbild geschaffen; er hat nicht den Tod geschaffen, sondern dieser ist durch den Neid des Teufels in die Welt gekommen (vgl. Weish 1,13–14; 2,23–24), der sich zunächst Gott widersetzt und dann auch die Menschen getäuscht hat, indem er sie zur Auflehnung verführte. Es ist das Drama der Freiheit, das Gott aus Liebe bis ins Letzte akzeptiert; dabei jedoch verheißt er, daß ein von der Frau geborener Sohn kommen werde, der die alte Schlange am Kopf treffen wird (Gen 3,15).
Von Anfang an also hat, wie Dante sagen würde, »der ew’ge Ratschluß« ein »vorherbestimmtes Ziel« (Paradies, XXXIII,3): die Frau, die von der Vorsehung dazu bestimmt ist, Mutter des Erlösers zu werden, die Mutter dessen, der sich bis zum äußersten erniedrigt hat, um uns zu unserer ursprünglichen Würde zurückzuführen. Diese Frau hat in den Augen Gottes von jeher ein Antlitz und einen Namen: »die Begnadete« (Lk 1,28), wie der Engel sie nannte, als er sie in Nazaret aufsuchte. Sie ist die neue Eva, Braut des neuen Adam, die dazu bestimmt ist, Mutter aller Erlösten zu sein. So schrieb der hl. Andreas von Kreta: »Maria, die ›Theotókos‹ (die Gottesgebärerin), die gemeinsame Zuflucht aller Christen, ist die erste gewesen, die von dem uranfänglichen Fall unserer Ureltern befreit worden ist« (Homilie IV zu Weihnachten, PG 97, 880 A). Und die heutige Liturgie sagt, daß Gott »im Hinblick auf den Erlösertod Christi […] die selige Jungfrau Maria schon im ersten Augenblick ihres Daseins vor jeder Sünde bewahrt [hat], um [seinem] Sohn eine würdige Wohnung zu bereiten« (Tagesgebet).

4. Dezember 2010

Das Blut der Märtyrer verwandelt die Welt

So können wir in diesem Moment einen Blick auf den zweiten Psalm dieser mittleren Hore werfen, Psalm 81, wo ein Teil dieses Prozesses sichtbar wird. Gott steht unter den Göttern, die in Israel noch als Götter betrachtet werden. In diesem Psalm wird in einer äußerst konzentrierten Form, in einer prophetischen Vision die Entmachtung der Götter sichtbar. 

Diejenigen, die Götter schienen, sind keine Götter und verlieren ihren göttlichen Charakter, sie stürzen. „Dii estis et moriemini sicut homines“ (vgl. Ps 82 [81], 6-7): die Entmachtung, der Sturz der Götter.

Dieser Prozess, der im Laufe des langen Glaubensweges Israels erfolgt und der hier in einer einzigen Vision zusammengefasst wird, ist ein wahrer Prozess der Religionsgeschichte: der Sturz der Götter. 

Und so ist die Verwandlung der Welt, die Erkenntnis des wahren Gottes, die Entmachtung der Mächte, die die Erde beherrschen, ein schmerzhafter Prozess. In der Geschichte Israels sehen wir, wie diese Befreiung vom Polytheismus, diese Erkenntnis - „nur er ist Gott“ – sich unter vielen Schmerzen verwirklicht, angefangen vom Weg Abrahams, dem Exil, den Makkabäern, bis hin zu Christus.

Und in der Geschichte hält dieser Prozess der Entmachtung an, über den die Offenbarung im zwölften Kapitel spricht; sie spricht vom Fall der Engel, die keine Engel, keine Götter auf der Erde sind.

Und er wird gerade in der Zeit der entstehenden Kirche Wirklichkeit, wo wir sehen, wie mit dem Blut der Märtyrer die Götter entmachtet werden, alle diese Gottheiten, angefangen beim göttlichen Kaiser. Es ist das Blut der Märtyrer, der Schmerz, der Schrei der Mutter Kirche, der sie stürzen lässt und so die Welt verwandelt.

Dieser Sturz ist nicht nur die Erkenntnis, dass sie nicht Gott sind. Es ist der Prozess der Verwandlung der Welt, der mit Blut bezahlt wird, der mit dem Leiden der Zeugen Christi bezahlt wird. 

Und wenn wir genau hinschauen, sehen wir, dass dieser Prozess niemals zu Ende ist. Er verwirklicht sich in verschiedenen Zeiträumen der Geschichte auf immer neue Weise. Auch heute, in diesem Moment, in dem Christus, der einzige Sohn Gottes, geboren werden muss für die Welt durch den Sturz der Götter, durch das Leid, das Martyrium der Zeugen.

Denken wir an die großen Mächte der heutigen Geschichte, denken wir an das anonyme Kapital, das den Menschen versklavt, das nichts zum Menschen gehörendes mehr ist, sondern eine anonyme Macht, der die Menschen dienen, von dem die Menschen gequält und sogar zerstört werden. Es handelt sich um eine zerstörerische Macht, die die Welt bedroht. 

Und dann die Macht der terroristischen Ideologien. Scheinbar im Namen Gottes wird Gewalt verübt, doch es ist nicht Gott: es sind falsche Götter, die entlarvt werden müssen, die nicht Gott sind. 

Und dann die Drogen, diese Macht, die wie eine gefräßige Bestie ihre Klauen auf alle Teile der Erde ausstreckt und Zerstörung bringt: sie sind eine Gottheit, aber eine falsche Gottheit, die stürzen muss. 

Oder auch die von der öffentlichen Meinung propagierte Lebensweise: heute macht man das so, die Ehe zählt nichts mehr, die Keuschheit ist keine Tugend mehr und so weiter.

Diese herrschenden Ideologien, die sich mit Macht aufdrängen, sind Götter. Und im Schmerz der Heiligen, im Schmerz der Gläubigen, der Mutter Kirche, zu der wir gehören, müssen diese Götter stürzen, muss sich das verwirklichen, was die Briefe an die Kolosser und an die Epheser sagen: die Herrschaften, die Mächte stürzen und werden Untertanen des einen Herrn Jesus Christus.

Über diesen Kampf, in dem wir uns befinden, über diese Entmachtung der Götter, über diesen Sturz der falschen Götter, die stürzen, weil sie keine Götter sind, sondern Mächte, die die Welt zerstören, spricht die Offenbarung im zwölften Kapitel – ebenfalls mit einem geheimnisvollen Bild, für das es jedoch, so scheint mir, verschiedene schöne Interpretationen gibt. 

1. Dezember 2010

YHWH, der HERR

Dieses wird bezeugt in dem symbolischen Namen, den dieser Schutzgott sich gibt und in dem er sich offenbart (Ex 3,14). Die hebräische Bibel wird diesen Namen viele Male in der Form YHWH oder in der abgekürzten Form YH benützen. Beide können nur schwer übersetzt werden, schließen aber philologisch eine dynamische und wirksame Gegenwart Gottes inmitten seines Volkes ein. Die Juden sprechen diesen Namen nicht aus und die griechischen Übersetzer des hebräischen Textes haben ihn mit dem Wort ‚Kyrios‘, der Herr, wiedergegeben. Mit der christlichen Tradition folgen wir diesem Brauch und, um an die Gegenwart von YHWH im hebräischen Text zu erinnern, werden wir der HERR schreiben.


Dieser Brauch, den Namen Gottes in Großbuchstaben zu schreiben, gefällt mir sehr gut, da er die Ehrfurcht und Anbetung des Geschöpfes dem Schöpfer gegenüber sehr augenfällig zum Ausdruck bringt. Ich will ihn auch für den persönlichen Gebrauch übernehmen und bin mir am überlegen, ob es nicht Sinn macht ihn auf JESUS CHRISTUS und GOTT zu erweitern. Was meint Ihr? 

29. November 2010

Nur wer schweigt, hört - Teil 2

Der Hörende (Skulptur von Toni Zenz)
Freilich kann es auch geschehen, daß es dem Menschen, der sich bis in den Grund der Seele hinein dem wahrhaft Wirklichen öffnet, die Sprache verschlägt, weil die Überfülle des nun Vernehmlich-werdenden die Möglichkeiten des benennenden Wortes sprengt. Darum sind nicht zufällig »Dunkel des Schweigens« und »stummer Jubel« Grundworte der großen Mystiker. Und wenn sie dennoch reden und schreiben von dem, was sie geschaut und vernommen haben, dann fühlt man stets »im Silber der Rede das Gold eines Schweigens, das den geheimsten Reichtum der Seele nicht ins Wort geben konnte« (J. Bernhart). Vielleicht also gilt, in bezug auf den höchsten Gegenstand menschlicher Erkenntnis, eines Augenblicks die Umkehrung des an den Anfang gestellten Satzes: Wer hört, schweigt. 
Der Horizont des Begriffes »Schweigen« hat erstaunliche Ausmessungen. Man begegnet ihm nicht allein in den Lebenslehren der Weisen. Auch in der Geschichte der Weltdeutung hat er einen denkwürdigen Platz. So reicht seine Erstreckung von der Kosmogonie der hellenistischen Gnostiker, denen die Zweieinheit des »Unnennbaren« und des »Schweigens« als der ungezeugte Seinsgrund der Welt galt, über die mystisch-asketischen Schweigegebote des Pythagoras und der Mönchsorden des Ostens wie des Westens bis hin zu der so anmutigen wie tiefsinnigen Courtoisie, mit der, in Shakespeares Tragödie, Coriolan sein Weib Virgilia begrüßt: »Mein lieblich Schweigen, Heil!« (1943) 
Es ist eines, sich kraft willentlicher Setzung des Wortes zu enthalten; ein anderes ist, nicht reden zu können, weil es einem die Sprache verschlägt. Das Schweigen der ersten Art ist ein im strengen Sinne menschliches Schweigen; wie auch das Wort, die Fassung des Sinnes im lautenden Hauch, dem innersten Bereich des eigentlich Menschlichen zugehörig ist. Wo die Kraft zum Wort erlischt, da tritt der Mensch an die Grenze seines Daseins. Es kann dies die Grenze nach unten sein, aber auch die Grenze nach oben. Solches Versagen der Wortkraft aber mag nicht so sehr ein eigentliches Schweigen als vielmehr ein Stummwerden heißen. 
Auf einer Fahrt durch Island schrieb mir eine gastliche Freundin ins Wanderbuch den nordländischen Spruch: Tiefstes Leid und höchste Freude gehen wortlos über die Erde. 
Es gibt physische und seelische Schmerzen, die den Menschen im gleichen Maße verstummen machen, wie sie ihn, sozusagen entmächtigt, aus seiner eigenen Natur verweisen. Der todkranke Rilke notierte: »Le chien malade est encore chien, toujours. Nous, à partir d’un certain degré de souffrances insensées, sommes-nous encore nous?« Und der bekannte Goethe-Vers, gibt er nicht vornehmlich dies zu bedenken: daß ein Gott es ist, der dem in seiner Qual verstummten Menschen die Sprache, wie ein Ungeschuldetes, verleiht? 
Aber nicht allein wenn wir unter die Schwelle unseres Wesens hinabgezwungen, sondern auch wenn wir über unser Vermögen hinausgehoben werden – verlieren wir die Sprache. 
Wer als sterblicher Mensch in das Licht des Göttlichen tritt, wird geblendet, so daß, wie Finsternis und übergroße Helligkeit dem Auge das gleiche bedeuten, auch die Überfülle des Sagbaren unsagbar wird. 
Der Herzbereich menschlichen Seins, der bebaute Acker von Wort und Sprache, grenzt also, rechts wie links, an die Wortlosigkeit: an das Verstummen der unmündigen Kreatur und an das Verstummen des Mystikers. Nach unten aber, in die Tiefe, treibt die Rede ihre Wurzeln in das nährende Erdreich des Schweigens. (1943) 

28. November 2010

Geoffenbarte Moral

Wir möchten sofort zwei Grundideen einführen, die wir später genauer ausführen werden:

1. Die Moral, ohne weniger wichtig zu sein, steht an zweiter Stelle. An erster Stelle steht und grundlegend ist die Initiative Gottes, die wir theologisch im Begriff ‚Geschenk‘ ausdrücken werden. In biblischer Sicht wurzelt die Moral im vorausgehenden Geschenk des Lebens, der Intelligenz und des freien Willens (Schöpfung) und vor allem in dem völlig unverdienten Angebot einer bevorzugten, inneren Beziehung des Menschen zu Gott (Bund). Die Moral ist nicht in erster Linie Antwort des Menschen, sondern Offenbarung des Planes und des Geschenks Gottes. Mit anderen Worten, für die Bibel kommt die Moral nach der Erfahrung Gottes, genauer nach der Erfahrung, die Gott den Menschen machen lässt als ganz unverdientes Geschenk.

2. Von hier aus gesehen ist das Gesetz selber integraler Teil des Bundes, ist Geschenk Gottes. Ursprünglich ist ‚Gesetz‘ nicht ein juristischer Begriff, der auf Verhaltensweisen und Haltungen ausgerichtet ist, sondern ein theologischer Begriff, den die Bibel selber am besten wiedergibt mit dem Wort „Weg“ (hebräisch derek, griechisch hodos): ein Weg, der angeboten wird.

Im heutigen Kontext ist diese Sicht der Bibel besonders wichtig. Die moralische Unterweisung ist sicher ein wesentlicher Teil der Sendung der Kirche, steht aber doch an zweiter Stelle im Vergleich mit der Aufgabe, das Geschenk Gottes und die spirituelle Erfahrung geltend zu machen; wir tun uns heute manchmal schwer, das in angemessener Weise wahrzunehmen und zu verstehen. 



27. November 2010

Advent - Besuch Gottes

Die Bedeutung des Ausdrucks »Advent« schließt also auch die »visitatio« ein, was eigentlich einfach »Besuch« bedeutet; in diesem Falle handelt es sich um einen Besuch Gottes: Er tritt in mein Leben ein und will sich an mich wenden. Im täglichen Leben machen wir alle die Erfahrung, wenig Zeit für den Herrn und wenig Zeit auch für uns zu haben. Am Ende ist man vom »Machen« völlig in Anspruch genommen. Ist es etwa nicht wahr, daß die Aktivität oft von uns Besitz ergreift, daß uns die Gesellschaft mit ihren vielfältigen Interessen oft völlig vereinnahmt? Widmet man Vergnügen und vielerlei Zerstreuungen etwa nicht viel Zeit? Manchmal »überwältigen « uns die Dinge. Der Advent, der liturgische Festkreis, in den wir jetzt eintreten, lädt uns ein, still zu verweilen, um eine Gegenwart zu erfassen. Er ist als eine Einladung zu verstehen, daß die einzelnen Ereignisse des Tages Hinweise sind, die Gott an uns richtet, Zeichen der Aufmerksamkeit, die er einem jeden von uns entgegenbringt. Wie oft läßt Gott uns etwas von seiner Liebe spüren! Sozusagen ein »inneres Tagebuch« über diese Liebe zu führen, wäre eine schöne und heilende Aufgabe für unser Leben! Der Advent lädt uns ein und spornt uns an, über die Gegenwart des Herrn nachzudenken. Sollte die Gewißheit seiner Gegenwart uns nicht helfen, die Welt mit anderen Augen zu sehen? Sollte sie uns nicht helfen, unser ganzes Leben als »Besuch« zu betrachten, als eine Weise, wie er in jeder Situation zu uns kommen und uns nahe sein kann? (28.11.2009)

Volksbibel 2000

Vor einigen Tagen fand ich dieses Programm zum Bibelstudium.
Von der Bedienung her ist es etwas gewöhnungsbedürftig, hat aber den absoluten Vorteil zu ähnlichen Programmen die ich kenne, daß es (u.a.) zwei gute katholische Bibelübersetzungen mit den Kommentaren enthält.  Zum Studium bietes es noch den griechischen, hebräischen Text, sowie den der Neovulgata an. Für Griechisch und Herbräisch gibt es auch ein Wörterbuch. Wen es interessiert schaut es sich am besten selbst an. Und das als kostenloses Programm.

Der Urtext zu Elsas Lukasexeges schaut im Programm mit dem griechischen Text, Worterklärung und Übersetzung so aus.

Alma Redemptoris Mater

Audiamus vocem Domini, ut ingrediamur in requiem eius.


Oh, hörtet ihr doch heute auf seine Stimme!
"Verhärtet euer Herz nicht wie in Meriba, wie in der Wüste am Tag von Massa,
wo eure Väter mich versucht und geprüft, obwohl sie geschaut hatten meine Taten! 
Vierzig Jahre hatte ich Abscheu vor diesem Geschlecht. Ich sprach: Sie sind ein Volk mit irrendem Herzen, denn sie achten nicht auf meine Wege.
So schwur ich voll Zorn: Sie sollen nicht einziehen in das Land meiner Ruhe!" 



Nur wer schweigt, hört - Teil 1

Als kleine Anregung zum kommenden Advent, aber auch als Antwort auf den Medienrummel der zeig, wie unfähig die Mehrzahl der sich Äußernden zum echten Zuhören zu sein scheint - oder eben nur böswillig, will ich den nächsten Text von Josef Pieper veröffentlichen. Dabei kommt mir auch das Pauluswort in den Sinn, nach welchem ja der Glaube vom Hören kommt. Auf diese Weise könnte man ja dann weiterspinnen - den Faden natürlich!

Schweigen  (1972) 
Nur wer schweigt, hört. Würde mich einer nach den Grundregeln geistigen Lebens, auch des geistlichen, fragen, ich gäbe ihm vorweg diesen Satz zu bedenken. Auf den ersten Blick eine Binsenwahrheit; denn natürlich kann man nicht selber reden und zugleich hören, was jemand anders sagt. Doch greift die Sentenz weit über das bloß »Akustische« hinaus. Es handelt sich um mehr als darum, den Mund zu halten; auch im normalen mitmenschlichen Umgang ist ein tieferes Schweigen gefordert – wenn das Wort des Anderen uns wahrhaft erreichen und gar erst, wenn der vielleicht völlig lautlose Hilferuf eines Menschen, der uns braucht, uns zum Herzen dringen soll. Schon hierfür gilt der alte Spruch: »Schweigen und Hören ist die schwerste Arbeit.« Dennoch geht der Gedanke noch näher an die Existenz; er zielt noch ein Stockwerk tiefer sozusagen. Schließlich leitet »Vernunft« sich vom »Vernehmen« her – womit sämtliche Weisen, Realität zu erfassen, gemeint sind: Hören wie Sehen und jegliche Art von Erkenntnis und Einsicht. All das nun, so behauptet jener Satz, kommt einzig unter der Voraussetzung zustande, daß man schweigt, auch und gerade, wenn man »allein mit sich in einem Zimmer« ist und keines menschlichen Partners Wort uns beansprucht. Das hier uns abverlangte Schweigen ist freilich keine leichthin zu beschreibende Sache; vor allem sein Widerpart, das Nicht-Schweigen, hat vielerlei Gestalt.
Die Offenheit schweigenden Aufmerkens kann ja nicht nur durch Gleichgültigkeit erstickt werden oder durch Besserwisserei, die der Sprache der Dinge ins Wort fällt, sondern zum Beispiel auch dadurch, daß einer von draußen her den Lärm von Markt und Straße in sich hineinläßt, die geräuschvolle Tagessensation, das optische Gedröhn nichtiger Schaudinge, allgegenwärtig und, wie jedermann weiß, nach Belieben verfügbar, sobald ein Gelangweilter nach »Abwechslung« verlangt. Die taube Frucht von alledem, insgeheim vielleicht herbeigewünscht, ist die Vereitelung von Hören. Aufs Hörenkönnen aber kommt es an. Schweigen kann man auch verschlossenen Sinnes, mit aufeinandergepreßten Lippen; und es gibt auch eine tote Stille. In Wirklichkeit aber schweigen wir ja nicht in eine gleichfalls wortlose Welt hinaus; die Dinge sind nicht stumm, wie ein furchtbares Philosophenwort vermeint. Und die von einigen fernöstlichen Meditationslehren empfohlene Haltung eines leeren, bewußt keinem Gegenstand zugewendeten Schweigens muß jedem fremd bleiben, der die Welt als Schöpfung versteht, hervorgegangen aus dem göttlichen Ur-Wort und auch selber dem schweigend Hörenden eine tausendstimmige Botschaft bereithaltend, die zu vernehmen seinen wahren Reichtum ausmacht. Goethe, einer der großen Schweiger (was manchem verwunderlich erscheinen mag), formuliert, dreißig Jahre alt, in seinem Tagebuch die Maxime der eigenen inneren Existenz: »Das Beste ist die tiefe Stille, in der ich gegen die Welt lebe und wachse und gewinne, was sie mir mit Feuer und Schwert nicht nehmen können.« Was man sich in solch tiefer Stille gewinnt, ist vielleicht gerade die Ermächtigung zum Wort. Käme es nämlich nicht aus hörendem Schweigen, so bliebe es herkunftsloses Geschwätz, Schall und Rauch, wenn nicht Betrug. 

15. November 2010

Es läßt mich nicht los: Martyrium

…  und Tapferkeit vollendet sich im Blutzeugnis. Das Martyrium ist die eigentliche und höchste Tat der Tapferkeit. Die Bereitschaft zum Martyrium ist die Wesenswurzel aller christlichen Tapferkeit. Es gibt keine christliche Tapferkeit ohne diese Bereitschaft. 
Ein Zeitalter, in dessen Bewußtsein der Begriff des Blutzeugnisses ausgelöscht ist, muß notwendig die Tapferkeit zu einer Bramarbas-Geste erniedrigen. Nur muß man daran denken, daß jene Auslöschung auf vielerlei Weise geschehen kann. Der spießbürgerlichen Meinung, daß die Wahrheit und das Gute sich ohne den Einsatz der Person »von selbst« »durchsetzen«, ist durchaus gleichgeordnet die billige Begeisterung, die nicht müde wird, von der »freudigen Bereitschaft zum Martyrium« zu reden: die Entwirklichung des Blutzeugnisses ist in beiden Fällen die gleiche. 
Die Christenheit denkt über diese Sache anders. Auf der einen Seite gilt ihr die Bereitschaft zum Blutzeugnis für Christus als ein streng verpflichtendes göttliches Gebot (cadit sub praecepto); »der Mensch muß sich dafür bereithalten, eher sich töten zu lassen, als Christus zu verleugnen oder schwer zu sündigen.« Die Todesbereitschaft ist also eines der Fundamente christlichen Lebens. Was aber anderseits die geschwätzige Begeisterung für das Martyrium betrifft: fragen wir doch die Kirche der Märtyrer, was sie davon hielt. Im »Martyrium des heiligen Polykarp«, einem der ältesten Berichte aus der Verfolgungszeit (Mitte des zweiten Jahrhunderts), gesandt von der »Kirche Gottes in Smyrna« an »alle Gemeinden der heiligen und katholischen Kirche«, lesen wir einen knappen Abschnitt: »Einer aber, ein Phrygier namens Quintus, geriet in Angst beim Anblick der wilden Tiere. Gerade er war es, der sich freiwillig dem Gericht gestellt und auch einige andere dazu veranlaßt hatte. Ihn bewog der Prokonsul durch wiederholtes Zureden, zu schwören und zu opfern. Darum, Brüder, loben wir nicht die, welche sich selbst darbieten; so lehrt auch nicht das Evangelium.« Und der heilige Kirchenvater Cyprian, der im Jahre 258 enthauptet wurde, erklärte dem Prokonsul Paternus: »Unsere Lehre verbietet, daß einer sich selbst melde.« Die Väter der Urkirche, von Cyprian über Gregor von Nazianz zu Ambrosius, haben, wie es scheint, geradezu angenommen, Gott werde die Kraft durchzuhalten denen am ehesten entziehen, die sich, mutwillig vertrauend auf den selbsteigenen Entschluß, zum Blutzeugnis drängen. Thomas von Aquin endlich, in dessen Summa theologica ein Artikel sozusagen über die »Freuden der Tapferkeit« handelt (utrum fortis delectetur in suo actu), sagt, der Schmerz des Martyriums überdecke sogar die geistige Freude an der gottgefälligen Tat, »es sei denn, daß die überströmende Gnade Gottes die Seele mit überstarker Gewalt zu den göttlichen Dingen erhebt«. 
Dürer: 10.000 Märtyrer
Vor der unromantischen, herben Wirklichkeit, die in dem Ernst dieser Äußerungen zu Wort kommt, verwehen alle phrasenhaften Begeisterungen und Vereinfachungen ins Wesenlose. Erst dann aber wird der Blick frei auf die wirkliche Bedeutung der steinernen Tatsache, daß die Kirche die Bereitschaft zum Blutzeugnis zu den Grundlagen des Christenlebens zählt. 
Die Hinnahme der Verwundung macht erst das halbe, das vordergründige Wesen der Tapferkeit aus. Nicht um ihrer selbst willen nimmt der Tapfere die Verwundung hin. Vielmehr will er durch sie eine tiefere, wesentlichere Unversehrtheit bewahren oder gewinnen. 
Diese Gewißheit, in der im Kampfe für das Gute empfangenen Verwundung einer Unversehrtheit teilhaft zu werden, die der Lebensmitte des Menschen näher und inniger verknüpft ist als alles rein naturhafte Beruhigtsein – diese Gewißheit ist dem christlichen Bewußtsein niemals verlorengegangen; wenn es auch den Beurteilern und den Gegnern des Christentums nicht immer gelungen ist, diese Gewißheit und den Rang, den sie unter den christlichen Lebensmächten einnimmt, zu entdecken und richtig abzuschätzen. 
Das Martyrium erschien der Urkirche als ein Sieg, wenn auch als ein tödlicher Sieg: »Er siegt durch seinen Tod für den Glauben; ohne den Glauben lebend, würde er besiegt sein«, sagt der heilige Maximus von Turin, ein Bischof des fünften Jahrhunderts, über den Blutzeugen. Und Tertullian: »Wir siegen, wenn wir niedergemacht werden; wir entrinnen, wenn wir vor den Richter geführt werden.« 
Daß diese Siege tödlich sind oder doch verwunden – das gehört zu den unbegreiflichen und unabänderlichen Bedingungen, unter denen der Christ, und vielleicht nicht nur der Christ, in der Welt existiert. Thomas von Aquin scheint es fast für das Wesen der Tapferkeit zu halten, daß sie gegen die Übermacht des Bösen kämpft, die der Tapfere nur sterbend oder verwundet besiegt. ...
Zunächst und vor allem: der Tapfere nimmt die Verwundung nicht um ihrer selbst willen hin. Das »Leiden um des Leidens willen« ist dem Christen nicht minder als dem »natürlichen« Menschen ein Un-Sinn. Der Christ verachtet nicht die Dinge, die durch die Verwundung zerstört werden. Der Märtyrer schätzt nicht schlechthin das Leben gering; wenn er es auch für geringer hält als das, weswegen er es hingibt. Der Christ liebt sein Leben, sagt Thomas, nicht nur mit den naturhaften lebenswilligen Kräften des Leibes, sondern auch mit den sittlichen Kräften der geistigen Seele. Und das ist nicht wie eine Entschuldigung gesagt. Gemeint ist nicht, daß der Mensch sein natürliches Leben liebe, weil er eben »nur ein Mensch« sei; sondern: daß er es liebe, just weil und sofern er ein guter Mensch sei. Das gleiche gilt, wie für das Leben selbst, auch für den ganzen Umkreis dessen, was in der natürlichen Unversehrtheit mit einbeschlossen ist: Freude, Gesundheit, Erfolg, Glück. Alle diese Dinge sind echte Güter, die der Christ nicht einfach weggibt und gering schätzt: es sei denn, um höhere Güter zu bewahren, deren Verlust tiefer den Wesenskern der menschlichen Existenz verletzen würde. 
All das wird nicht dadurch in seiner Geltung aufgehoben, daß selbstverständlich das heroische Leben der Heiligen und der großen Christen alles eher ist als das Ergebnis einer vorsichtig abwägenden Gewinn- und Verlustrechnung. 
Diese »Spannung« ist nicht in einem Einklang aufzulösen; für den endlichen Geist und für das irdische Leben jedenfalls ist sie unrückführbar und unaufhebbar. Aber sie ist nicht mehr und nicht weniger widerspruchsvoll als der Satz des Evangeliums: Wer sein Leben liebt, der wird es verlieren (Joh 12, 25). Sie ist auch nicht rätselhafter als die erstaunliche Tatsache, daß der wirklichkeitsoffene und weltzugewandte Thomas von Aquin, der so häufig für einen taghellen Diesseitsoptimismus in Anspruch genommen wird, auch dieses lehrt: dem wirklich eindringenden Wissen um die geschaffenen Dinge sei eine abgründige Traurigkeit zugeordnet, eine Traurigkeit, so unüberwindlich, daß sie dem Menschen durch keine natürliche Kraft der Einsicht und des Willens abgenommen werden könne (und diese Traurigkeit sei es, von der in den Seligpreisungen der Bergpredigt gesagt ist: Selig sind die Trauernden, denn sie werden getröstet werden). 
Josef Pieper

Über den Schmerz


....  Die christliche Urform des »heroischen Untergangs« ist das Martyrium, das Blutzeugnis für Christus. Sie ist dadurch gekennzeichnet, daß in ihr die höchste Schmerzbereitschaft (die sogar auf das »Heroische« zu verzichten weiß) unmittelbar bezogen ist auf die Bejahung des höchsten Wertes und der höchsten Wirklichkeit. Das gleiche gilt für die Grundweise christlicher Schmerzbereitschaft, für die Askese. Und auch der scheinbar sinnlose Untergang (etwa in einer der von Jünger angekündigten Katastrophen, die übrigens nach einem beherzigenswerten Wort der Gertrud von le Fort keineswegs »im blitzhaften Glanz transzendenter Engelgewitter« vor sich gehen werden, sondern in der »ganzen Größelosigkeit erbärmlichen Vernichtens und Vernichtetwerdens«) sowie der scheinbar sinnlose Schmerz enthält für den Christusgläubigen noch eine geheimnisreiche Möglichkeit der Bejahung des Seins in sich: nämlich die Möglichkeit der Hingabe an die Gemeinschaft des leidenden Menschensohnes. Doch das sind Dinge, über die man zu einem Nichtchristen nicht sprechen kann; und es wäre gut, sie wiederum einer Art von »Arkan-Disziplin« zu unterstellen. (1936)

14. November 2010

Tapferkeit und Martyrium

Das Gute setzt sich nicht von selbst durch. Es verwirklicht sich nur, wenn tapfere Menschen sich dafür einsetzen. Es ist einer der Grundirrtümer des Liberalismus, zu glauben, das Gute setze sich durch ohne den kampfbereiten Einsatz der Person. – Das Wesen der Tugend der Tapferkeit ist gerade nichts anderes als die Bereitschaft, sich einzusetzen für die Verwirklichung des Guten in der Welt und sich zur Wehr zu setzen gegen die Macht des Bösen. Der Tapfere ist bereit, in diesem Kampfe Verwundungen in Kauf zu nehmen, das heißt Dinge, die dem Menschen natürlicherweise zuwider sind, zum Beispiel: Mißverständnisse, Lächerlichkeit, Verachtung, Schaden an Leib und Gut. Ja, der Tapfere ist sogar bereit, in jenem Kampfe zu fallen. Solcher Tod im Kampfe für das Gute ist der höchste Erweis der Tapferkeit, und die Bereitschaft zu fallen ist ihr tiefster Kern.
Die größte Sache, für die ein Mensch sich überhaupt einsetzen kann, ist die Sache Jesu Christi. Darum ist das Blutzeugnis (Martyrium) für Christus die letzte und eigentlichste Form christlicher Tapferkeit. – Dem Blutzeugnis kommt an Rang in der Tapferkeit der Tod für die Gemeinschaft nahe, vor allem der Tod im gerechten Krieg für das Recht und den Frieden des eigenen Volkes.
Die Tapferkeit als Tugend setzt die Gerechtigkeit voraus. Das bedeutet, daß nur der Gerechte wirklich tapfer sein kann. Echte Tapferkeit gibt es nur im Kampfe für eine gerechte Sache. Der Mut des Verbrechers ist keine Tapferkeit. Thomas von Aquin sagt darum: »Das Lob der Tapferkeit hängt von der Gerechtigkeit ab.« Und der heilige Ambrosius: »Tapferkeit ohne Gerechtigkeit ist ein Hebel des Bösen.«
Die Tapferkeit eines Menschen zeigt sich nicht nur im Angriff, sondern auch im Standhalten. Ja, das Standhalten kann viel tapferer sein als der Angriff. Jeder Frontkämpfer weiß, daß der Sturmangriff nicht so viel sittliche Kraft zu fordern braucht wie das standhafte Aushalten im Trommelfeuer. Und auch das Martyrium, die Krone aller christlichen Tapferkeit, ist ja wesentlich Aushalten und Standhalten. – Darum gehört auch die Geduld mit zur Tugend der Tapferkeit. Geduld im echten christlichen Sinn ist nämlich nichts anderes als die Fähigkeit, in der gefahrvollsten Lage die Ruhe und den Gleichmut der Seele zu bewahren, auch angesichts der Übermacht des Bösen.
Diese Bereitschaft des tapferen Christen, im äußersten Ernstfall geduldig standhaltend zu fallen, bedeutet nicht, daß er auf den Angriff verzichtet. Die Tapferkeit des Angriffs empfängt vielmehr durch jene geduldige Bereitschaft eine Überlegenheit und eine innere Freiheit, die jedem krampfhaften Aktivismus, der die Geduld und das Standhalten als »unmännlich« verachtet, endgültig versagt bleiben. 
Josef Pieper

»Manisch-depressiv«

Die Welt ist von solcher Art, daß, wer sie eindringend erkannte, in abgründige Trauer fallen könnte: Gottes eigener Logos mußte, Mensch geworden, einen schlimmen und schmählichen Tod sterben; am Ende der Weltgeschichte steht die Weltherrschaft des Bösen; Thomas von Aquin sagt, der Geistgabe der Wissenschaft entspreche die Seligpreisung »Selig die Trauernden [...]«. 

Wer das bedenkt (und der Mensch kann dessen ja auch anders innewerden als in bewußter Reflexion), mag schon in unstillbares Weinen geraten und in tiefste Depression – die also keineswegs »gegenstandslos« und »unbegründet« sein muß.

Und anderseits: die Wirklichkeit ist, im Selben und auf nicht minder wirkliche Weise, so sehr vom Heil durchwirkt; sie ist so sehr und über alles Erdenkbare hinaus gehalten von der Liebe Gottes, daß, wer dies von Grund auf bedenkt und erkennt, darüber sehr wohl in eine, anscheinend gleichfalls »unbegründete« und tatsächlich durch keinen näheren und einzelnen Anlaß motivierte Freude geraten mag, welche schier die Fassungskraft des Gemütes sprengen kann. 

Wieso ist nun die Mittel-Lage das »Normale«? Und wodurch wird diese Normalität reguliert – etwa durch den physiologischen Zustand des innersekretorischen Apparats oder des Nervensystems? 
(J. Pieper 1947)



13. November 2010

Snoopy´s Buch

Schreiben wie Goethe

 Nachdem ich im Test "Ich schreibe wie?" zuerst mit von Kafka und danach wie Goethe abgeschnitten hatte, kamen mir so meine Zweifel über den Wert eines solchen technisierten Vorgehens. Sicher, wer mochte nicht schreiben können wie ...., doch sagt das tatsächlich soviel über die Qualifizierung des Schreibers aus? Mich erinnert dies an die technisch brillanten Sophisten, welche ja bekanntlich hervorragende Redner waren, jedoch inhaltlich recht daneben lagen, zumindest hatte Sokrates diese Meinung.
Es ist sicher wichtig gut schreiben zu können, weswegen ich eher Texte gescheiterer Mitmenschen als eigene einstelle, jedoch darf der inhaltliche Aspekt in keiner Weise vernachlässigt werden. Vollkommene Schreibkunst, mit Wahrheit und Weisheit vermählt, ist das Ideal. Doch im Zweifelsfall ziehe ich einen etwas holprigeren Stil vor, welcher sowohl Wahrheit als auch Weisheit zu vermitteln vermag. Wie wohl die biblischen (inspirierten) Autoren im obigen Test abschneiden wurden?
Dieser Text könnte von Goethe verfasst sein.

12. November 2010

Wenn nur «X» sich ändern würde! Teil 2

Ich sagte also: Wenn wir sehen, wie alle unsere Pläne an unseren schwierigen Mitmenschen scheitern, so können wir «in einem gewissen Sinne» nachfühlen, wie es erst für Gott sein muß. Aber nur in einem gewissen Sinne. In zweierlei Hinsicht muß Gottes Perspektive von der unseren sehr verschieden sein. Zum ersten: Er sieht (wie du), daß all die Menschen bei dir zu Hause oder an deinem Arbeitsplatz mehr oder weniger unangenehm oder schwierig sind; aber wenn er in diese Familie, in diese Fabrik oder in dieses Büro hineinschaut, so sieht er dort noch einen Menschen mehr vom gleichen Schlag - den einen, den du nie siehst. Und dieser eine bist du!
Das ist der nächste große Schritt zur Lösung deines Problems: zu erkennen, daß auch du selbst genau die gleiche Sorte Mensch bist. Auch du hast verhängnisvolle Eigenschaften. Alle Hoffnungen und Pläne anderer sind immer wieder an deiner Wesensart gescheitert, genauso wie deine Hoffnungen und Pläne an der ihren.
Es bringt uns nicht weiter, wenn wir uns schnell mit irgendeinem unbestimmten, allgemeinen Eingeständnis über diese Tatsache hinwegsetzen, wie: «Natürlich habe ich auch meine Fehler; wer hat das schon nicht!» Es ist wichtig, daß du das einmal ganz ernst nimmst: Auch du hast wahrhaft verhängnisvolle Eigenschaften, dunkle Punkte in deinem Wesen, die bei anderen genau dasselbe Gefühl verzweifelter Ohnmacht hervorrufen, das du selbst wegen ihrer Fehler so gut kennst. Und fast mit Sicherheit sind das Dinge, von denen du nichts weißt. Du hast sozusagen einen üblen Mundgeruch: alle merken ihn, nur du selbst nicht.
«Aber warum», fragst du, «sagen mir das die anderen denn nicht?» Glaube mir, andere haben oft genug versucht, es dir zu sagen, aber du konntest es einfach nicht fassen. Vielleicht ist eine ganze Menge von dem, was du ihre «Nörgelei» oder «schlechte Laune» oder «Unverträglichkeit» nennst, nichts anderes als ihr Versuch, dir die Wahrheit beizubringen. Und selbst die Fehler, um die du weißt, nimmst du meistens viel zu leicht. Du sagst: «Ich gebe zu, daß ich mich gestern abend gehenließ -- ich war einfach wütend», aber die anderen wissen, daß das bei dir an der Tagesordnung ist, weil du ein jähzorniger Mensch bist. Du sagst: «Ich gebe zu, daß ich am letzten Samstag zu viel getrunken habe», aber jedermann weiß, daß du ein Gewohnheitstrinker bist.
Das ist das eine, worin sich Gottes Sicht offenbar von der meinen unterscheidet: Er sieht all die schwierigen Charaktere; ich sehe alle - außer meinem eigenen. Aber es gibt noch ein zweites: Er liebt die Menschen trotz ihrer Fehler. Er hört nicht auf, sie zu lieben. Er gibt sie nicht auf. Sage nicht: «Das ist für ihn kein Problem; er muß ja nicht mit ihnen zusammenleben!» Doch, das muß er! Nicht nur äußerlich lebt er mit ihnen zusammen, sondern er wohnt sogar in ihrem Innern. Er hat sich viel inniger und enger und unablässiger mit ihnen verbunden, als wir es je könnten. Jeder böse Gedanke in ihrem Inneren (und in unserem), jede Regung von Haß, Neid, Überheblichkeit, Habgier und Eitelkeit stößt unmittelbar auf seine geduldige, ausharrende Liebe und bekümmert seinen Geist noch viel mehr als unseren.
Wenn wir in diesen zwei Dingen Gott zum Vorbild nehmen, dann wird sich unser Leben nach und nach verändern: Wir werden «X» immer mehr lieben; und wir werden einsehen, daß wir kein Haar besser sind als er. Manche Leute sagen, es sei krankhaft, immer an seine eigenen Fehler zu denken. Das wäre schön und gut - wenn wir nur damit aufhören könnten, ohne unsere Gedanken sofort an die Fehler der anderen zu hängen. Doch die meisten von uns können das nicht. Nein, wir genießen es geradezu, über die Fehler anderer Leute nachzudenken; und das ist im wahrsten Sinne des Wortes «krankhaft»: Es ist das morbideste Vergnügen der Welt.
Wir schätzen es im allgemeinen nicht, wenn uns Einschränkungen auferlegt werden. Aber eine Einschränkung sollte jeder von uns sich selbst auferlegen: Verzichte auf alles Nachdenken über die Fehler anderer Leute, es sei denn deine Pflichten als Lehrer oder als Vater oder Mutter erfordern es. Wenn immer solche Gedanken unnötigerweise in dir hochsteigen - warum stellst du sie nicht einfach ab und denkst statt dessen über deine eigenen Fehler nach? Denn an diesem Punkt kannst du, mit Gottes Hilfe, etwas ändern. Unter all den schwierigen Menschen bei dir zu Hause oder am Arbeitplatz gibt es nur einen einzigen, den du wirklich ändern kannst. Bei dem mußt du ansetzen. Und fang lieber heute schon damit an! Irgendwann muß diese Aufgabe doch einmal angegangen werden, und je länger du damit wartest, umso schwieriger wird es.
Weißt du, worum es letztlich geht? - Du siehst nun, daß nichts, nicht einmal Gott mit all seiner Macht, aus «X» einen wirklich glücklichen Menschen machen kann, solange «X» selbst neidisch, ichbezogen und boshaft bleiben will. Und du kannst sicher sein: Es gibt auch bei dir Dinge, die dich in Ewigkeit unglücklich machen, und nicht einmal Gott selbst kann dich davor bewahren, wenn sich bei dir nichts ändert. Solange du diesen Dingen Raum läßt, gibt es für dich genausowenig einen Himmel, wie es süße Düfte gibt für einen Mann mit einem Schnupfen oder Musik für einen Gehörlosen. Nicht daß Gott einen Menschen «in die Hölle schickt». Nein, im Herzen eines jeden von uns wächst etwas heran, das ganz von selbst unsere Hölle wird - wenn wir nicht zulassen, daß es mit Stumpf und Stiel ausgerottet wird. Das ist eine ernste Sache: Darum wollen wir uns doch gleich jetzt in Gottes Hand geben, heute noch, in dieser Stunde.


Teil 1