C.S. Lewis: Gleichheit (1943)
"Minimum quod potest haberi de cognitione rerum altissimarum, desiderabilius est quam certissima cognitio, quae habetur de minimis rebus."
"Das Geringste an Erkenntnis, das einer über die erhabensten Dinge zu gewinnen vermag, ist ersehnenswerter als das gewisseste Wissen von den niederen Dingen"
(Thomas von Aquin: I, 1, 5 ad 1)
"Das Geringste an Erkenntnis, das einer über die erhabensten Dinge zu gewinnen vermag, ist ersehnenswerter als das gewisseste Wissen von den niederen Dingen"
(Thomas von Aquin: I, 1, 5 ad 1)
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26. Januar 2013
Demokratie
"Ich bin Demokrat, weil ich an den Sündenfall glaube. ... Die Menschheit ist so tief gefallen, daß man keinem Menschen die uneingeschränkte Macht über seine Mitmenschen anvertrauen kann. Aristoteles hat einmal gesagt, manche Leute eignen sich nur als Sklaven. Ich widerspreche ihm nicht. Aber ich bin gegen die Sklaverei, weil es niemanden gibt, der sich zum Herrscher eignen würde. "
8. Juli 2012
Religion und Christentum
"Religion" ist nach (Karl) Barth der Weg des Menschen zu Gott, die Suche des Menschen nach Gott, die Hinwendung des Menschen zu Gott. Und Christentum sei genau das Gegenteil, nämlich der Weg Gottes zum Menschen, die Suche Gottes nach dem Menschen, die Hinwendung Gottes zum Menschen. In der Religion transzendiert der Mensch in die Sphäre des Göttlichen, im Christentum transzendiert Gott zu uns Menschen.
Aus: K.J. Wallner: Wie ist Gott? S. 28
Aus: K.J. Wallner: Wie ist Gott? S. 28
30. November 2011
Armut des Geistes
Die höchste Vollkommenheit des Menschen besteht ursprünglich in wahrer und vollkommener Armut des Geistes; ja sie selbst ist die wahre, eigentliche , höchste Vollkommenheit. Deshalb kommt es wohl einzig darauf an, daß wir lernen und erfahren, was die wahre Armut des Geistes sei, worin sie bestehe, und wie weit sie sich erstrecke! Nun ist aber diese Armut des Geistes eine Ähnlichkeit Gottes. Gott ist nämlich ein von allen Kreaturen unabhängiges, in Sich Selbst bestehendes Wesen; Er ist eine Freie Kraft, Er ist ein reines Wirken. Ist nun die wahre Armut eine Ähnlichkeit Gottes, so ist sie eine von Keiner Kreatur abhängiges, vielmehr von jeder abgeschiedenes Wesen; denn an Nichts haften und hängen, heißt von jedem Ding geschieden sein; nun haftet die wahre Armut des Geistes wirklich an Nichts, und nichts an ihr.
(Johannes Tauler, Nachfolge des armen Lenens Jesu Christi, §1,S.1 f)
(Johannes Tauler, Nachfolge des armen Lenens Jesu Christi, §1,S.1 f)
22. November 2011
Schwermut
Gewisse Erfahrungen können durch die Sprache vermittelt werden, andere - tiefere - durch Schweigen; und schließlich gibt es Erfahrungen, die nicht vermittelt werden können, auch nicht durch Schweigen. Aber das macht nichts. Wer sagt denn, dass man Erfahrung macht, um sie mitzuteilen. Man muss Erfahrungen leben. Das ist alles.
Und wer sagt, dass die Wahrheit dazu da ist, enthüllt zu werden? Sie will gesucht werden. Das genügt. Angenommen, sie liege in der Schwermut verborgen, ist das ein Grund, sie anderswo zu suchen?
Und wer sagt, dass die Wahrheit dazu da ist, enthüllt zu werden? Sie will gesucht werden. Das genügt. Angenommen, sie liege in der Schwermut verborgen, ist das ein Grund, sie anderswo zu suchen?
Reinhold Schneider
18. November 2011
Loslösung
Der Weg, auf dem der Mensch das falsche Selbstsein abtut und in das eigentliche hineinwächst, ist jener, den die Meister des inneren Lebens die Loslösung nennen. Der Heilige ist jener, in welchem das erste Selbst ganz überwunden und das zweite frei geworden ist. Dann ist der Mensch einfach da, ohne sich zu betonen. Er ist mächtig, ohne sich anzustrengen. Er hat kein Begehren mehr und keine Angst. Er strahlt aus. Um ihn her treten die Dinge in ihre Wahrheit und ihre Ordnung ... Der Mensch ist offen geworden für Gott. Und, wenn man es so ausdrücken kann: durchlässig für Gott. Er ist »Türe«, durch welche Seine Macht in die Welt einströmen, Wahrheit und Ordnung und Frieden schaffen kann.
Romano Guardini
10. Juli 2011
Alltagsheiligung 2
"Das Konzil fordert die Christen, die Bürger beider Gemeinwesen, auf, nach treuer Erfüllung ihrer irdischen Pflichten zu streben, und dies im Geist des Evangeliums.
Die Wahrheit verfehlen die, die im Bewußtsein, hier keine bleibende Stätte zu haben, sondern die künftige zu suchen (13), darum meinen, sie könnten ihre irdischen Pflichten vernachlässigen, und so verkennen, daß sie, nach Maßgabe der jedem zuteil gewordenen Berufung, gerade durch den Glauben selbst um so mehr zu deren Erfüllung verpflichtet sind (14).
Im selben Grade aber irren die, die umgekehrt meinen, so im irdischen Tun und Treiben aufgehen zu können, als hätte das darum gar nichts mit dem religiösen Leben zu tun, weil dieses nach ihrer Meinung in bloßen Kultakten und in der Erfüllung gewisser moralischer Pflichten besteht.
Diese Spaltung bei vielen zwischen dem Glauben, den man bekennt, und dem täglichen Leben gehört zu den schweren Verirrungen unserer Zeit.
Dieses Ärgernis haben schon die Propheten im Alten Bund heftig angegriffen (15), und noch viel strenger hat es Jesus Christus selbst im Neuen Bund mit schweren Strafen bedroht (16).
Man darf keinen künstlichen Gegensatz zwischen beruflicher und gesellschaftlicher Tätigkeit auf der einen Seite und dem religiösen Leben auf der anderen konstruieren. Ein Christ, der seine irdischen Pflichten vernachlässigt, versäumt damit seine Pflichten gegenüber dem Nächsten, ja gegen Gott selbst und bringt sein ewiges Heil in Gefahr.
Die Christen sollen vielmehr froh sein, in der Nachfolge Christi, der als Handwerker gearbeitet hat, ihre ganze irdische Arbeit so leisten zu können, daß sie ihre menschlichen, häuslichen, beruflichen, wissenschaftlichen oder technischen Anstrengungen mit den religiösen Werten zu einer lebendigen Synthese verbinden; wenn diese Werte nämlich die letzte Sinngebung bestimmen, wird alles auf Gottes Ehre hingeordnet." (Vat II, Gaudium et Spes, 43)
Die Wahrheit verfehlen die, die im Bewußtsein, hier keine bleibende Stätte zu haben, sondern die künftige zu suchen (13), darum meinen, sie könnten ihre irdischen Pflichten vernachlässigen, und so verkennen, daß sie, nach Maßgabe der jedem zuteil gewordenen Berufung, gerade durch den Glauben selbst um so mehr zu deren Erfüllung verpflichtet sind (14).
Im selben Grade aber irren die, die umgekehrt meinen, so im irdischen Tun und Treiben aufgehen zu können, als hätte das darum gar nichts mit dem religiösen Leben zu tun, weil dieses nach ihrer Meinung in bloßen Kultakten und in der Erfüllung gewisser moralischer Pflichten besteht.
Diese Spaltung bei vielen zwischen dem Glauben, den man bekennt, und dem täglichen Leben gehört zu den schweren Verirrungen unserer Zeit.
Dieses Ärgernis haben schon die Propheten im Alten Bund heftig angegriffen (15), und noch viel strenger hat es Jesus Christus selbst im Neuen Bund mit schweren Strafen bedroht (16).
Man darf keinen künstlichen Gegensatz zwischen beruflicher und gesellschaftlicher Tätigkeit auf der einen Seite und dem religiösen Leben auf der anderen konstruieren. Ein Christ, der seine irdischen Pflichten vernachlässigt, versäumt damit seine Pflichten gegenüber dem Nächsten, ja gegen Gott selbst und bringt sein ewiges Heil in Gefahr.
Die Christen sollen vielmehr froh sein, in der Nachfolge Christi, der als Handwerker gearbeitet hat, ihre ganze irdische Arbeit so leisten zu können, daß sie ihre menschlichen, häuslichen, beruflichen, wissenschaftlichen oder technischen Anstrengungen mit den religiösen Werten zu einer lebendigen Synthese verbinden; wenn diese Werte nämlich die letzte Sinngebung bestimmen, wird alles auf Gottes Ehre hingeordnet." (Vat II, Gaudium et Spes, 43)
9. Juli 2011
Alltagsheiligung
"Demjenigen Gläubigen wird ein Teilablaß gewährt, der in seiner Pflichterfüllung und in den Mühen des Lebens seine Seele in demütigem Vertrauen zu GOTT erhebt und damit wenigstens im Geiste irgendein Stoßgebet verrichtet." (Enchiridion indulgentiarum 1999)
"Alle Christgläubigen also werden in ihrer Lebenslage, ihren Pflichten und Verhältnissen und durch dies alles von Tag zu Tag mehr geheiligt, wenn sie alles aus der Hand des himmlischen Vaters im Glauben entgegennehmen und mit Gottes Willen zusammenwirken und so die Liebe, mit der Gott die Welt geliebt hat, im zeitlichen Dienst selbst allen kundmachen." (Vat II, Lumen Gentium, 41)
"Dieses Leben innigster Vereinigung mit Christus in der Kirche nähren die gleichen geistlichen Hilfen, die allen Gläubigen zu Gebote stehen, vor allem die tätige Teilnahme an der heiligen Liturgie (5). Dieser Hilfen müssen sich die Laien so bedienen, daß sie bei der rechten Erfüllung ihrer weltlichen Pflichten in den gewöhnlichen Lebensverhältnissen die Vereinigung mit Christus nicht von ihrem Leben abspalten, vielmehr in dieser Vereinigung dadurch noch wachsen, daß sie ihre Arbeit gemäß dem Willen Gottes leisten.
Das ist der Weg, auf dem die Laien mit freudig-bereitem Herzen zu immer höherer Heiligkeit fortschreiten müssen; Schwierigkeiten sollen sie mit Klugheit und Geduld zu überwinden versuchen (6). Weder die häuslichen Sorgen noch die anderen Aufgaben, die das Leben in der Welt stellt, dürfen außerhalb des Bereiches ihres geistlichen Lebens stehen gemäß dem Wort des Apostels: "Was ihr auch tut in Wort und Werk, tut alles im Namen des Herrn Jesus Christus, und sagt Dank Gott und dem Vater durch ihn" (Kol 3,17)." (Vat II, Apostolicam actuositatem, 4)
"Alle Christgläubigen also werden in ihrer Lebenslage, ihren Pflichten und Verhältnissen und durch dies alles von Tag zu Tag mehr geheiligt, wenn sie alles aus der Hand des himmlischen Vaters im Glauben entgegennehmen und mit Gottes Willen zusammenwirken und so die Liebe, mit der Gott die Welt geliebt hat, im zeitlichen Dienst selbst allen kundmachen." (Vat II, Lumen Gentium, 41)
"Dieses Leben innigster Vereinigung mit Christus in der Kirche nähren die gleichen geistlichen Hilfen, die allen Gläubigen zu Gebote stehen, vor allem die tätige Teilnahme an der heiligen Liturgie (5). Dieser Hilfen müssen sich die Laien so bedienen, daß sie bei der rechten Erfüllung ihrer weltlichen Pflichten in den gewöhnlichen Lebensverhältnissen die Vereinigung mit Christus nicht von ihrem Leben abspalten, vielmehr in dieser Vereinigung dadurch noch wachsen, daß sie ihre Arbeit gemäß dem Willen Gottes leisten.
Das ist der Weg, auf dem die Laien mit freudig-bereitem Herzen zu immer höherer Heiligkeit fortschreiten müssen; Schwierigkeiten sollen sie mit Klugheit und Geduld zu überwinden versuchen (6). Weder die häuslichen Sorgen noch die anderen Aufgaben, die das Leben in der Welt stellt, dürfen außerhalb des Bereiches ihres geistlichen Lebens stehen gemäß dem Wort des Apostels: "Was ihr auch tut in Wort und Werk, tut alles im Namen des Herrn Jesus Christus, und sagt Dank Gott und dem Vater durch ihn" (Kol 3,17)." (Vat II, Apostolicam actuositatem, 4)
19. Januar 2011
Wahre Frauen sind still
Wahre Frauen sind still und verlangen die Stille --- Zeige mir doch die Frau, die über das, was sie angeht, schreibt --- Ginge es sie an, so schwiege sie, denn Schweigen heißt hier Leben, Reden Tod --- Immer ist das Geheimnis das Fruchtbare, das Offenbare aber ist das Ende.
Ruth Schauman: Chelion an Cletus; gefunden bei Gertrud von LeFort: Die ewige Frau.
Ruth Schauman: Chelion an Cletus; gefunden bei Gertrud von LeFort: Die ewige Frau.
14. Dezember 2010
gratias agere
Thomas von Aquin lehrte, daß die Dankbarkeit eine komplexe menschliche Wirklichkeit sei. ... Der Begriff "Dankbarkeit" setzt sich zusammen aus Teilbegriffen und verschiedenen Graden des Verständnisses. Zuerst finden wir das "Anerkennen" (ut recognoscat) des erhaltenen Gutes vor; der zweite Teilbegriff ist das Loben und die Danksagung (ut gratias agat); drittens gibt es den Aspekt der "Rückerstattung" (ut retribuat), einer Art Kompensation, soweit diese möglich ist in zeitlich und örtlich günstigen Umständen (II-II, 107, 2, c).
Diese scheinbar so einfache Lehre, kann unschwer festgestellt werden in den verschiedenen Ausdrucksformen derer die Sprachen sich bedienen um Dankbarkeit auszudrücken; wobei jede Sprache nur einen der vielfältigen Aspekte der Wirklichkeit des Dankes betont.
Einige Sprachen drücken die Dankbarkeit auf dem Niveau des ersten Grades aus: indem die "Anerkennung" des Begnadigten deutlich herausgestellt wird. Übrigens ist "Anerkennung" (wie etwa im Französischen "reconnaissance") eigentlich ein anderes Wort für Dankbarkeit. In diesem Zusammenhang ist es hochinteressant die Etymologie zu beachten: In der englischen Tradition stammen to thank (danken) und to think (denken) ursprünglich, und durchaus nicht zufällig, vom selben Ausdruck. Über die etymologischen Definition des to thank, liest man im Oxford English Dictionary ganz klar: "The primary sense was therefore thought". Im deutschen ist ursprünglich das "Danken" ebenfalls ein "Denken".
Das alles ist ja schließlich auch sehr sinnvoll, weil, wie jeder weiß, daß nur der dankbar ist, der wirklich denkt. Man ist nur dann dankbar, wenn man die Freiheit des Wohltäters erwägt, bedenkt, und ernsthaft unter Betracht zieht. Wenn dieses Bedenken nicht geschieht, kommt es (bei dem Wohltäter) zu der absolut gerechtfertigten Beschwerde: "Was für eine Gedankenlosigkeit (Undankbarkeit, Gleichgültigkeit)!"
Daran liegt es auch, daß Sankt Thomas - indem er darauf hinweist, daß das absolut negative, die Verneinung des niedrigsten positiven Grades ist (die letzte Einfahrt rechts, ist für den, der von der entgegengesetzten Richtung kommt, die erste Einfahrt links...) - behauptet, daß die Gedankenlosigkeit (Rücksichtslosigkeit), das Ignorieren, die höchste Undankbarkeit zu bedeuten hat: "jener Kranke, der seine eigene Krankheit nicht in Rücksicht nimmt, möchte im Grunde gar nicht geheilt werden".
Der Arabische Dankbarkeitsausdruck Shukran, shukran jazylan! befindet sich unmittelbar in jenem zweiten Niveau, des Lobes gegenüber einem Wohltäter und einer erhaltenen Gabe.
Andererseits heißt die lateinische, relativ komplexe, Dankbarkeitsform gratias ago, die wir im Italienischen und Spanischen als "grazie" und "gracias" wiederfinden. Sankt Thomas behauptet ( I-II, 110, 1) daß der Kernbegriff der "Gunst" oder "Gnade" drei Dimensionen einschließt:
1) "Gnade erhalten oder begnadigt zu werden"; "Gefallen" oder "Liebe eines anderen finden"; der uns etwas Gutes tut;
2) "Gnade" deutet auf eine Gabe hin, etwas nicht verdientes, umsonst gegebenes, ohne irgendein Verdienst des Begnadigten.
3) Die Rückvergütung oder "Begnadigung" von Seiten des Begnadigten.
Im Traktat De Malo (9,1), wird eine vierte Sinngebung angeführt: gratias agere - das Lob; wer daran glaubt, daß das erhaltene Gute von einem anderen kommt, soll loben.
Von der oben aufgeführten Übersicht - der Dankbarkeitsausdrücke auf englisch, deutsch, französisch, spanisch, italienisch, lateinisch und arabisch - hebt sich der ungemein tiefgründige Charakter der Portugiesischen Redewendung "obrigado" ab. Diese warmherzige Form ist die einzige, die ganz klar in die Art der Dankbarkeit , auf die sich Sankt Thomas bezieht (die vom dritten Niveau also), verfällt: die des tiefsten Gebundenseins (ob-ligatus), der Verpflichtung, der Pflicht dem Anderen rückzuvergüten.
Somit können wir auch den Reichtum unter Betracht ziehen, der sich in der japanischen Dankesformel verbirgt. "Arigatô" enthält ursprünglich folgenden Sinn: "Existieren ist nicht einfach", "Das Leben ist hart", "Einmalig", "Vorzüglich (einmalige Vorzüglichkeit)".
Die zwei letzten o.g. Sinne sind verständlich: in einer Welt, in der die allgemeine Tendenz ist, daß alles nur an sich denkt; wo sich die Verhältnisse, wenn überhaupt, von der strikten und unpersönlichen Rechtsprechung regulieren lassen; treten die Qualitätsbezeichnungen Vorzüglichkeit und Einmaligkeit als Charakteristika der Gabe deutlich hervor. Andererseits hat: "Existieren ist nicht einfach" und "Das Leben ist hart", auf dem ersten Blick, nichts mit Dankbarkeit zu tun. Doch Sankt Thomas lehrt uns (II-II, 106, 6), daß die Dankbarkeit - wenigstens im Vorhaben – die erhaltene Gabe übertreffen soll. Und daß es Verschuldungen gibt, die von Natur aus unbezahlbar sind: sowohl von einem Menschen dem anderen, seinen Wohltäter, gegenüber, als auch und besonders Gott gegenüber: "Wie soll ich dem Herrn vergelten – lesen wir im Psalm 115 – all seine Wohltat, die er an mir tut?"
Solche Situationen, der unbezahlbaren Schuld – die so häufig bei denen, die ein Gefühl für Gerechtigkeit haben, auftritt –empfindet der dankbare Mensch als peinlich und tut alles mögliche (quidquid potest), bis er schließlich ans excessum, das sich immerzu Ungenügen weiß, anlangt (cfr. III, 85, 3 ad 2).
Arigatô weist also hin auf das dritte Niveau der Dankbarkeit, das die Besinnung dessen bedeutet, wie schwer es sein kann, zu existieren (von dem Moment an, da man einen Gefallen erhalten hat, und zwar unverdienterweise und, und daher, eine Rückvergütung schuldig ist, die niemals beglichen werden kann...).
28. November 2010
Geoffenbarte Moral
Wir möchten sofort zwei Grundideen einführen, die wir später genauer ausführen werden:
1. Die Moral, ohne weniger wichtig zu sein, steht an zweiter Stelle. An erster Stelle steht und grundlegend ist die Initiative Gottes, die wir theologisch im Begriff ‚Geschenk‘ ausdrücken werden. In biblischer Sicht wurzelt die Moral im vorausgehenden Geschenk des Lebens, der Intelligenz und des freien Willens (Schöpfung) und vor allem in dem völlig unverdienten Angebot einer bevorzugten, inneren Beziehung des Menschen zu Gott (Bund). Die Moral ist nicht in erster Linie Antwort des Menschen, sondern Offenbarung des Planes und des Geschenks Gottes. Mit anderen Worten, für die Bibel kommt die Moral nach der Erfahrung Gottes, genauer nach der Erfahrung, die Gott den Menschen machen lässt als ganz unverdientes Geschenk.
2. Von hier aus gesehen ist das Gesetz selber integraler Teil des Bundes, ist Geschenk Gottes. Ursprünglich ist ‚Gesetz‘ nicht ein juristischer Begriff, der auf Verhaltensweisen und Haltungen ausgerichtet ist, sondern ein theologischer Begriff, den die Bibel selber am besten wiedergibt mit dem Wort „Weg“ (hebräisch derek, griechisch hodos): ein Weg, der angeboten wird.
Im heutigen Kontext ist diese Sicht der Bibel besonders wichtig. Die moralische Unterweisung ist sicher ein wesentlicher Teil der Sendung der Kirche, steht aber doch an zweiter Stelle im Vergleich mit der Aufgabe, das Geschenk Gottes und die spirituelle Erfahrung geltend zu machen; wir tun uns heute manchmal schwer, das in angemessener Weise wahrzunehmen und zu verstehen.
12. Oktober 2010
Wie lernt der Mensch wieder sehen? (Fortsetzung)

4
Diagnosen sind notwendig, aber sie genügen nicht. – Was also kann geschehen, was kann man tun?
Es ist schon gesprochen worden von der schlichten Enthaltung, von der einfachen Abstinenz- und Fastenkur, die uns den optischen Lärm der Tagesnichtigkeiten vom Leibe halten soll. Dies Verfahren scheint mir in der Tat eine unentbehrliche Vorübung zu sein, aber doch nur so etwas wie das Wegräumen eines Hindernisses.
Eine viel unmittelbarer wirkende Arznei ist: daß der Mensch selber bildend und werkend anschauliche Gestalt hervorbringe.
Niemandes Auge muß so viel von dem sichtbaren Geheimnis eines Menschenantlitzes gesehen haben, wie wer es in anschaubarer Gestalt nachzubilden unternimmt. Doch gilt dies nicht allein für das mit der Hand werkende Bilden. Auch das sprachliche »Bildwerk« gedeiht nur auf dem Grunde einer höheren Kraft des Sehens; welche Intensität des Anschauens war etwa gefordert, damit gesagt werden konnte: »Die Augen des Mädchens glänzten wie nasse Johannisbeeren« (Tolstoi).
Weil also Bilden auf Sehen beruht, darum zwingt schon der bloße Versuch bildnerischer Gestaltung zu einer neuen Zuwendung zur sichtbaren Welt; er nötigt zum selbsteigenen Sehen. Und lange vor dem Gelingen eines Werkes wird dem Bildenden eine andere, innere Frucht zuteil: tiefere Offenheit des Auges, wachere Eindringlichkeit, höhere Präzision im Auffassen, geduldigere Empfänglichkeit für das Unscheinbare, Gewahrung des bis dahin anscheinend gar nicht Vorhandenen. Mit einem Wort: er wird des Reichtums der sichtbaren Welt nicht nur ganz neu ansichtig; sondern ihm wächst, wie auf eine Herausforderung hin, die selbsteigene Kraft, diese ungeheure Ernte in sich zu bergen. Es wächst die Kraft des Sehens.
5
Man hat es schon manchmal ausgesprochen: der noch immer und wieder stärker gebräuchlichen dilettantischen Musik-Übung in der Familie und in den Gemeinschaften der Jugend – diesem Brauch im Felde der Musik entspreche seltsamerweise nicht etwas Ähnliches im Bereich der bildenden Künste – wodurch es sich auch erklären mag, daß die moderne Musik eine viel kräftigere und breitere Resonanz im Volke hat als die moderne Malerei oder Plastik. Es zeigt sich hier, daß es diese dilettantisch tätige Schicht von Liebhabern ist, die das künstlerische Leben einer Stadt und also auch die Existenz des eigentlichen Künstlers in Wahrheit trägt. Und wenn jetzt mancherlei Bemühung darauf zielt, in »Werkschulen«, in Schulen der bildnerischen Gestaltung auch auf diesem Felde eine Schicht tätiger Liebhaber heranzubilden, so muß man sehen, daß es sich dabei nicht um ein isoliert gedachtes »Kunstleben« handelt. Es geht darum, wie der Mensch davor bewahrt werden könne, ein bloßer Konsument von Kollektivpräparaten und ein höriger Befolger von Manager-Direktiven zu werden. Die Frage ist, wie der Mensch das Fundament seines geistigen Lebens und seine unmittelbare Beziehung zur Realität ungeschwächt erhalten könne: die Fähigkeit nämlich, mit seinen eigenen Augen zu sehen.
11. Oktober 2010
Wie lernt der Mensch wieder sehen?
1
Die Fähigkeit des Menschen, zu sehen, ist im Niedergang – dies erfährt wieder und wieder, wer immer heute um Menschenbildung bemüht ist. Gemeint ist natürlich nicht die physiologische Empfindlichkeit des Auges. Gemeint ist das seelische Vermögen, die sichtbare Wirklichkeit so aufzufassen, wie sie wirklich ist.
Gewiß, niemals hat ein Mensch alles, was ihm sichtbar vor Augen lag, wirklich gesehen. Die Welt, auch ihr sinnfälliges Antlitz, ist unergründlich. Wer hätte je die ganze Wandlungsvielfalt im Entstehen und Vergehen einer einzigen Meereswoge sehend ausgeschöpft! – Doch gibt es Grade der Fassungskraft; und offenbar kann eine bestimmte Grenzlinie nicht überschritten werden, ohne daß der Mensch selbst als geistiges Wesen, in Gefahr gerät. Es scheint, daß diese Grenzlinie heute erreicht ist.
Ich schreibe dies, von Canada zurückkehrend, an Bord eines Schiffes, das von New York nach Rotterdam geht. Die meisten Mitreisenden haben längere Zeit in USA verbracht, viele einzig mit dem Ziel, die Neue Welt, als deren Gäste, mit eigenen Augen kennenzulernen. Mit eigenen Augen: hier steckt die Schwierigkeit.
In den mancherlei Gesprächen an Deck und bei Tisch verwundert es mich immer wieder, fast ausschließlich höchst summarische Urteile zu hören und Angaben, die sich durchweg auch in den Reiseführern finden. Es stellt sich heraus, daß kaum einer in den Straßen New Yorks die zahlreichen kleinen Schilder bemerkt hat, die auf öffentliche Luftschutzkeller hinweisen. Und wer hätte schon beim Besuch der University of New York, auf dem Vorplatz, dem Washington Square, die steinernen Schachtische wahrgenommen, welche eine fürsorgliche Gemeindeverwaltung den spielfreudigen Italienern dieses Viertels dorthin gebaut hat.
Oder: Ich hatte in der Tafelrunde von der Pracht leuchtender Meerestiere erzählt, die unser Schiff in der Bugwelle zu Hunderten heraufwirbele; anderntags berichtet man beiläufig, es sei in der vorigen Nacht nichts zu sehen gewesen: man hatte einfach nicht die Geduld gehabt, das Auge ein wenig der Dunkelheit anzupassen.
Noch einmal also: die Fähigkeit zu sehen ist im Niedergang.
2
Wer nach den Gründen fragt, kann auf mancherlei hingewiesen werden; etwa auf die inzwischen genugsam gescholtene Unruhe und Gehetztheit des zeitgenössischen Menschen oder darauf, daß er allzusehr durch praktische Zielsetzungen beherrscht und ausgefüllt sei. Es darf aber auch nicht vergessen werden: daß der Durchschnittsmensch dieser Zeit das Sehen verlernt – durch zuviel Sehen!
Es gibt einen optischen Lärm, der, nicht anders als der akustische, die deutliche Wahrnehmung unmöglich macht. Man könnte vielleicht meinen, Magazinleser und Kinobesucher würden ihr Auge schulen und schärfen. Doch ist das Gegenteil wahr. Die Alten wußten schon, wovon sie sprachen, wenn sie die »Augenlust« zerstörerisch nannten. Und eine Gesundung des inneren Auges ist heute kaum zu erwarten – es sei denn, man brächte zunächst einmal den resoluten Entschluß zustande, die von der Unterhaltungsindustrie unaufhörlich produzierte Scheinwelt leerer Reizdinge einfach aus dem Bereich des eigenen Lebens auszuschließen.
3
Man mag vielleicht einwenden: Zugegeben, daß die Fähigkeit des Sehens im Niedergang ist; aber solcherlei Verluste sind einfach der Preis jeder höheren Kultur. Wir haben zweifellos die Witterung des Indianers eingebüßt, aber wir brauchen sie auch nicht mehr, nachdem es Feldstecher, Kompaß und Radargerät gibt. Ich sagte schon: es gibt in dieser zweifellos fortschreitenden Entwicklung eine Grenze, deren Überschreitung den Menschen selbst in Gefahr bringt, in eine Gefahr, welche unmittelbar die Integrität seines eigenen Wesens bedroht, und welche darum nicht mehr mit technischen Geräten allein zu bannen ist.
Nun, die Fähigkeit, die sichtbare Welt »mit eigenen Augen« zu gewahren, gehört in der Tat zum innersten Bestand des Menschenwesens; hier steht sein eigentlicher Reichtum zur Rede – und also, im Fall der Bedrohung, seine tiefste Verarmung. Warum? Weil im Sehen die ursprüngliche und fundamentale Eroberung der Wirklichkeit anhebt, worin das Leben des Geistes wesentlich besteht.
Ich weiß sehr wohl, daß es eine Realität gibt, von der der Mensch nur durch »Hören« Kenntnis gewinnt. Es bleibt aber dennoch bestehen, daß einzig das Sehen, das Selbst-Sehen, die innere Unabhängigkeit des Menschen begründet. Wer nicht mehr mit eigenen Augen zu sehen vermag, der kann auch nicht mehr auf die rechte Weise hören. Es ist der solchermaßen verarmte Mensch, der mit Notwendigkeit dem demagogischen Zauber beliebiger Machthaber verfällt; mit Notwendigkeit: weil es für diesen Menschen nicht einmal mehr die Möglichkeit kritischer Vorbehalte gibt (worin die geradezu politische Aktualität unseres Themas deutlich wird!).
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