"Minimum quod potest haberi de cognitione rerum altissimarum, desiderabilius est quam certissima cognitio, quae habetur de minimis rebus."

"Das Geringste an Erkenntnis, das einer über die erhabensten Dinge zu gewinnen vermag, ist ersehnenswerter als das gewisseste Wissen von den niederen Dingen"

(Thomas von Aquin: I, 1, 5 ad 1)
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20. September 2015

Existentielles Christentum in Taufe und Firmung


Wir wissen, was die Urgeschichte ist und wie eben GOTT ist. Der Teufel wollte die Menschheit schlagen im Paradies; GOTT nimmt nicht die Sünder weg, sondern ER läßt sie an CHRISTUS teilnehmen im unauslöschlichen Merkmal von Taufe und Firmung. Verzeihen Sie, was ist Adam dagegen? Ist Adam, und als er sich wieder zurückgetastet hatte in GOTT, zu vergleichen mit einem Christen, der getauft und gefirmt ist? Der den HEILIGEN GEIST in sich trägt? Der das unauslöschliche Merkmal der Taufe an sich hat? Das hat Adam nicht gehabt. Das ist GOTT! Weil der Satan den Menschen betrügen wollte, GOTT nimmt die Wirkung ernst und schafft daraus buchstäblich ein existentielles Christentum in Taufe und Firmung. Seien wir uns dessen ganz bewußt! …

In der Zeit stehen wir drinnen. Wie notwendig ist es, diese zwei Sakramente in sich zu tragen, das doppelte unauslöschliche Merkmal der Heiligsten Dreifaltigkeit, der Bruderschaft mit JESUS CHRISTUS. Wir tragen das ewige Antlitz der Heiligsten Dreifaltigkeit, den Widerschein dessen in uns. GOTT wollte, daß wir so weit in Ihn hineinreichen, als es überhaupt einem Geschöpf möglich ist; wie Adam nicht hineingereicht hätte. GOTT nimmt die Ursünde des Adam ernst und stellt als konträres Gegenteil nicht die Unschuld des Paradieses, sondern die Verwandtschaft mit dem Dreifaltigen GOTT und das Brudersein mit JESUS CHRISTUS. Das ist es eigentlich, was die christliche Seele ist und warum sie notwendig der Taufe und Firmung bedarf.

Im eigentlichen Sinn ist der unauslöschliche Charakter dem Priestertum eigen und bedeutet die tiefstmögliche Vereinigung mit dem opfernden Priester - eben das unauslöschliche Merkmal. Aber GOTT wußte auch Mittel und Wege, um auch die Gläubigen daran teilnehmen zu lassen. Und das ist das Merkwürdige, wenn es nicht Thomas gesagt hätte: Daß in jedwedem Sakrament, das natürlich der Priester vollzieht, jedweder Gläubige teilnimmt am Opfer CHRISTI und teilnimmt am opfernden CHRISTUS am Kreuz; und daß diesen Prozeß, der am Kreuze begonnen hat, jede getaufte Seele weiterführt und zur Vollendung führt, daß der Opfertod CHRISTI auf diese Weise in jeder Seele seine Vollendung erlebt. Die drei Sakramente lehren den Menschen, sich zu tiefst zu vereinigen, aus der Urfähigkeit, opfern zu können. Auch der Gläubige kann opfern.



Unser gläubiges Volk ist sich dessen ganz bewußt, daß es sich nichts mehr dabei denkt: "Geh, opfere das GOTT auf." Sagen Sie das einmal einem Ungetauften. Ist ja nicht möglich! Warum? Weil auch der Getaufte, der nicht Priester ist, am Opfercharakter teilnimmt. Ohne Priester zu sein, können diese Handlungen in die Opferhandlung CHRISTI einbezogen werden. Es kommt darauf an, daß wir mit Ihm in Beziehung stehen, und geben Sie acht: Ob Priester oder nicht Priester, der Getaufte ist nicht nur empfangend, er ist Mitopfernder, er nimmt am Opfer CHRISTI teil und kann für andere opfern. Das reine Wunder, das wir so gewohnt sind, daß es uns keinen Eindruck mehr macht.

Der Priester kann nur verwandeln, aber das Opferbringen in JESUS CHRISTUS kann jeder Getaufte und jeder Gefirmte. Darum ist Firmung so zu betonen, weil gerade Firmung die Beseligung im HEILIGEN GEISTE betont und getätigt hat.

Was also der Sinn der sieben Sakramente schlechthin ist, ist das Eine: Getauft zu sein und den Charakter bekommen zu haben, am Opfer CHRISTI aktiv in der Messe teilzunehmen und die Opfergaben weiterzuleiten und so den Kampf aufzunehmen, sodaß die Kraft so geballt ist wie möglich - darum die Notwendigkeit der Firmung. Wir sind so sehr daran gewöhnt, vom Taufcharakter zu sprechen, daß es uns keinen Eindruck mehr macht. Und gerade durch den Taufcharakter kann ich an den Früchten aus dem Opfer JESU CHRISTI teilnehmen und ohne dieses Prinzip wäre es unmöglich, die Leiden für einen anderen aufzuopfern. Ich bringe mich zum Opfer, ich lege es unmittelbar in CHRISTUS hinein und ER steuert es und leitet es weiter - das ist nur möglich mit Tauf- und Firmcharakter. Darum gehört Firmung so stark mit hinein, weil die Gnade der Taufe gerade den Zweck des Opferns und des Bekenntnisses unterstreicht und die Seele zutiefst getränkt wird.


1964

26. Dezember 2011

Die drei Geburten

Boticelli: Mystische Geburt

Am heutigen Tage gedenkt die heilige Christenheit dreier Geburten, die jeden Christen so freuen und ergöltzen müßten, daß er ganz außer sich vor Freude in Jubel und Liebe, in Dankbarkeit und innerer Wonne aufspringen sollte. Und wer solchen Drang nicht in sich empfindet, der soll sich ängstigen.

Die erste und oberste Geburt ist die, daß der himmlische Vater seinen eingeborenen Sohn in göttlicher Wesenheit, doch in Unterscheidung der person gebiert. Die zweite Geburt, deren man heute gedenkt, ist die mütteliche Fruchtbarkeit, die jungfräulicher Keuschheit in wahrhafter Lauterkeit zuteil ward. Die dritte Geburt besteht darin, daß Gott alle Tage und zu jeglicher Stunde in wahrer und geistiger Weise durch Gnade und aus Liebe in einer guten Seele geboren wird. Diese drei Geburten begeht man heute mit den drei heiligen Messen.


(Johannes Tauler: Predigt am Weihnachtstag)

7. September 2011

Anbetung des eucharistischen Herrn

Weil seine Gegenwart bleibt, darum beten wir den Herrn in der Hostie an. Dagegen gibt es manche Einwendungen. Es wird gesagt, das habe man doch im ersten Jahrtausend nicht getan. Darauf ist zunächst einfach zu sagen, dass die Kirche wächst und reift im Gang der Geschichte. Man muss hinzufügen, dass sie immer schon die heiligen Gestalten aufbewahrt hat, um sie zu den Kranken zu bringen. Solches Tun beruhte auf dem Wissen, dass die Gegenwart des Herrn bleibt. Deswegen hat sie die Gestalten immer schon mit heiliger Ehrfurcht umgeben.
Ein zweiter Einwand lautet: Der Herr hat sich in Brot und Wein gegeben. Das sind Dinge zum Essen. Damit habe er doch deutlich genug gezeigt, was er damit will und was nicht. Brot ist nicht zum Anschauen, sondern zum Essen da, wurde demgemäß formuliert. Im Kern ist das richtig; auch das Konzil von Trient sagt so (DH 1643).


 Aber erinnern wir uns zurück: Was heißt das: den Herrn empfangen? Dies ist nie nur ein leiblicher Vorgang, wie wenn ich ein Stück Brot esse. Dies kann deshalb nie nur das Geschehen eines Augenblicks sein. Christus empfangen heißt: auf ihn zugehen, ihn anbeten. Aus diesem Grund kann das Empfangen über den Moment der eucharistischen Feier hinausreichen, ja, muss es tun. Je mehr die Kirche in das eucharistische Geheimnis hineinwuchs, desto mehr hat sie begriffen, dass sie Kommunion nicht in den umgrenzten Minuten der Messe zu Ende feiern kann. Erst als so das Ewige Licht in den Kirchen entzündet wurde und neben dem Altar der Tabernakel aufgerichtet wurde, war gleichsam die Knospe des Geheimnisses aufgesprungen und die Fülle des eucharistischen Geheimnisses von der Kirche angenommen. Immer ist der Herr da. Die Kirche ist nicht bloß ein Raum, in dem in der Frühe einmal etwas stattfindet, während er den Rest des Tages „funktionslos“ leer bliebe. Im Kirchenraum ist immer „Kirche“, weil immer der Herr sich schenkt, weil das eucharistische Geheimnis bleibt und weil wir im Zugehen darauf immerfort im Gottesdienst der ganzen glaubenden, betenden und liebenden Kirche eingeschlossen sind.

19. Februar 2011

peccemus non adorando

Schon Augustinus hat gesagt: »… nemo autem illam carnem manducat, nisi prius adoraverit; … peccemus non adorando – Niemand ißt dieses Fleisch, ohne es vorher anzubeten; … wir würden sündigen, wenn wir es nicht anbeteten« (vgl. Enarr. in Ps 98,9; CCL XXXIX, 1385). In der Tat empfangen wir in der Eucharistie nicht einfach irgend etwas. Die Eucharistie ist die Begegnung und Vereinigung von Personen; die Person jedoch, die uns entgegenkommt und mit uns eins zu werden wünscht, ist der Sohn Gottes. Eine solche Vereinigung kann nur in der Anbetung stattfinden. Die Eucharistie zu empfangen bedeutet, den anzubeten, den wir empfangen. Genau so und nur so werden wir eins mit ihm. Daher ist die Entwicklung der eucharistischen Anbetung in der Form, wie sie sich im Verlauf des Mittelalters herausgebildet hat, eine Konsequenz des eucharistischen Geheimnisses selbst und besitzt einen starken inneren Zusammenhang mit diesem: Nur in der Anbetung kann eine tiefe und echte Aufnahme der Eucharistie heranreifen. Und eben in dieser persönlichen Begegnung mit dem Herrn reift dann auch die Sendung im zwischenmenschlichen Bereich heran, die in der Eucharistie enthalten ist und die nicht nur die Barrieren zwischen dem Herrn und uns beseitigen will, sondern auch und vor allem die Barrieren, die uns Menschen voneinander trennen. 


31. Januar 2011

Es ist ausschließlich der HERR, der Sünden vergibt (Ps 130,8). Seine Barmherzigkeit betrifft ganz Israel (Ex 32,14), auch die böse Generation der Wüste (Ex 34,6–7), seine Stadt Jerusalem und auch die an- deren Völker (Jona 3,10). 

Die Vergebung ist immer unverdient und kommt von der Heiligkeit Gottes, der Eigenschaft, die den HERRN von allen irdischen Wesen unterscheidet (Gen 8,21; Hos 11,9). Die Vergebung Gottes verursacht eine kreative Erneuerung (Ps 51,12–14; Ez 36,26.27) und bringt Leben mit sich (Ez 18,21–23). Sie ist Israel immer angeboten (Jes 65,1–12) und kann nur durch die Weigerung des Volkes, zum HERRN zurückzukehren, vereitelt werden (Jer 18,8; Am 4,6–13). Nach dem Dekalog ist die Geduld Gottes so staunenswert, dass sie bis ins dritte und vierte Geschlecht geht und darauf wartet, dass sie die Wege der Bosheit verlassen (Ex 20,5–6; Num 14,18). 

Seine Vergebung schließlich beendet jede Strafe (Jes 40,1–20; Jona 3,10), die kein anderes Ziel hat, als die Sünder zu Gott zurück- zuführen: „Habe ich etwa Gefallen am Tod des Schuldigen und nicht vielmehr daran, dass er seine bösen Wege verlässt und so am Leben bleibt?“ (Ez 18,23; vgl. Jes 4).

Sünde und Vergebung

Schuld und Vergebung sind nicht Verbuchungsvorgänge, sind nicht Materie von juristischer Zuweisung und von Nachlass von Schulden. Sie greifen vielmehr tief in die Realität ein. Die schlechten Handlungen verursachen eine negative Veränderung des Kosmos. Sie sind gegen die Schöpfungsordnung und sie können nur durch Handlungen ausgeglichen werden, die die Weltordnung wiederherstellen. An zweiter Stelle: Diese Vorstellung von einem natürlichen Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung ist wichtig für die Rolle Gottes bei der Vergebung: Er ist nicht der strenge Gläubiger, der Schulden in Ordnung bringt, er ist vielmehr der wohlwollende Schöpfer, der die Menschen wieder zu Wesen macht, die er liebt, und der die Schäden, die sie an der Welt verursacht haben, wiedergutmacht. Diese zwei Voraussetzungen entsprechen nicht dem juristischen Verständnis von Sünde und Vergebung in unserer Kultur. Man muss sie aber berücksichtigen, weil man sonst einen Zugang zur Verkündigung von der Barmherzigkeit Gottes verliert. Das ontologische Verständnis der Sühne zeigt sich in einigen metaphorischen Ausdrücken: Gott „wirft die Sünden in die Tiefe des Meeres“ (Mi 7,19), „wäscht ab die Schuld“ (Ps 51,4) und „erlöst von der Sünde“ (Ps 130,8).

30. Januar 2011

Erneuerung



Wenn man sich nicht als Einzelner oder als Gruppe starrsinnig abschließt, dann wird die Teilnahme an der Eucharistie immer der stärkste Ruf zur Umkehr sein und die beste Art und Weise, dem Bund neue Lebenskraft zu geben, damit er das Leben und das Verhalten in der Kirche erneuere und, von ihr her, in der Welt.

29. Januar 2011

Eucharistie und gelebte Gemeinschaft

Die Feier des Neuen Bundes muss mit dem Leben übereinstimmen, sonst macht sie sich lächerlich. Sie hat eine sittliche Dimension, die das alltägliche Leben betrifft.

Es ist genau darauf zu achten, warum die Korinther schuldig geworden sind. Sie haben die Eucharistie nicht im Sinn einer Profanierung missbraucht, indem sie diese nicht als eine heilige Wirklichkeit behandelt haben. Ihre Schuld liegt darin, dass sie die Konsequenzen der Eucharistie für das Gemeinschaftsleben nicht beachtet haben und auch nicht die persönliche Verbundenheit mit dem Herrn: es ist nicht möglich, den Herrn hochzuschätzen und gleichzeitig den Nächsten zu verachten, der auf geheimnisvolle Weise mit diesem Herrn verbunden ist.

Die Korinther haben dem Bund, den der Herr schenkt, seine „Neuheit“ genommen und haben ihn in den starren wirtschaftlichen und sozialen Kategorien des Heidentums erstickt.

22. Januar 2011

Hl. Eucharistie leben

Hl. Damian de Veuster
Durch die eucharistische Einheit geschieht zugleich die engste Verbindung mit Gott und mit den Menschen. Man kann nicht in dieser inneren und lebendigen Gemeinschaft mit Christus sein und sich dann auf eine Art und Weise verhalten, die dem Verhalten Jesu zu Gott und zu den Menschen entgegengesetzt ist.

20. Januar 2011

Schöpfung und Sakrament 3

Die Absicht des heiligen Thomas ist deutlich: man könne nicht die fundamentale Wirklichkeit des christlichen Glaubens verstehen, die Menschwerdung des Logos, es sei denn, man akzeptiere die Wahrheit, daß die sichtbare Welt und sogar das »Fleisch«, in welchem Adam schwach wurde, dennoch etwas im Grunde Gutes sei. 


Es ist also nicht im mindesten überraschend, daß Thomas diese allgemeine These häufig genug wiederholt in seinen Traktaten über die einzelnen Sakramente. Es hat sogar den Anschein, daß diese Einsicht in den inneren Zusammenhang von Schöpfungsordnung und sakramentlicher Ordnung immer kräftiger hervortritt, je mehr das Werk des heiligen Thomas sich seinem Ende zuneigt. So ist es gerade der letzte Traktat der Summa theologica, den Thomas im letzten Jahr seines Lebens vollendet hat, worin sich der Gedanke ausgesprochen findet, den er freilich auch schon in der Summe wider die Heiden auf sehr prinzipielle Weise und fast im Ton der Beschwörung formuliert hatte: »[...] damit nur ja niemand glauben möge, die sichtbaren Dinge seien böse in sich selbst und aus diesem Grunde hätten die Menschen gesündigt, die ihnen nachgehangen hätten« (die Menschen haben gesündigt – nicht dies wird hier bestritten; und die Menschen sind den sichtbaren Dingen nachgelaufen – auch dies steht hier nicht zur Rede; es kommt darauf an, zu sehen, daß es nicht diese Hinneigung zu den sichtbaren Dingen ist, worin die Sündhaftigkeit jenes Tuns formell bestand; und so fährt Thomas fort): »[...] darum war es sinnvoll, daß es gerade die sichtbaren Dinge sind, in welchen dem Menschen die Arznei des Heiles dargeboten ist«: in den Sakramenten. 

Dies alles bedeutet: niemals kann einer die Grundwahrheit aller Sakramententheologie verstehen, daß nämlich die natürlich-sichtbaren Dinge zu »Realsymbolen« des Heiles werden, zu Symbolen also, welche die Realität des Heiles sowohl bedeuten wie auch enthalten – es sei denn, er setze als wahr voraus, daß diese natürliche Welt gut ist in sich selbst, sogar »sehr gut«, und zwar aufgrund der Erschaffung, aufgrund ihres Ursprungs aus dem gleichen Logos, welcher in Christus Mensch geworden ist. Anderseits: diese Haltung der Bejahung gegenüber der natürlichen Schöpfung bezieht wiederum neue und kräftigere Argumente gerade aus der Theologie der Sakramente. 

Hat dies alles irgendwelche »praktische« Bedeutung? Ich glaube wohl. Vor allem von zwei Dingen könnte hier gesprochen werden. 
Erstens: wo immer die Menschen keinen rechten Sinn oder gar nicht einmal die notdürftigste Vorstellung von der Theologie des Sakramentes und von der Liturgie der Kirche haben, da mag es vielleicht vonnöten sein, zunächst das Verständnis zu wecken für die natürliche Gutheit der natürlich-sichtbaren Welt. Vielleicht kommt es in solchem Fall nicht schon vor allem darauf an, die eigentlichst übernatürlichen Wahrheiten zu verkündigen und zu erläutern, sondern eher darauf, deutlich zu machen, daß und wieso die natürlichen sichtbaren Dinge, aufgrund ihrer wesenhaften natürlichen Gutheit, fähig sein können, »reale Symbole« der höchsten Gutheit Gottes, nämlich seiner Gnade, zu werden. 

Eine zweite Folgerung mag diese sein: wo immer der heutigentags neu erwachte Sinn für die Liturgie zu irgendeiner Form von Spiritualismus führt, da sollte gefragt werden, ob wirklich die Liturgie und die Sakramente in der rechten Weise aufgefaßt sind; ob wirklich die Einsicht realisiert ist, daß und warum die Sakramente die Gutheit der sichtbaren Schöpfung voraussetzen. 

18. Januar 2011

Schöpfung und Sakrament 2

Aber jene, auf der Lehre von der Schöpfung beruhenden Argumente sind für Thomas weder die einzigen noch auch die am meisten kennzeichnenden. Das gewichtigste und am meisten charakteristische Argument für die Haltung des heiligen Thomas zur natürlichen Schöpfungswirklichkeit, vor allem zur sinnfällig-sichtbaren Welt, wurzelt in seiner Sakramenten-Theologie. Man darf vielleicht sagen, daß schon der bloße Begriff »Sakrament« unausdrücklich besagt, es gebe eine natürliche, sichtbare Schöpfungswirklichkeit, welche gut ist in sich selbst. So daß, wann immer die natürliche Schöpfungswirklichkeit echte Zustimmung, Bejahung erfährt, eben hiermit schon eine gewisse Voraussetzung gegeben ist für ein rechtes Verständnis des Sakramentes überhaupt. Anderseits, von der Sakramententheologie her vermag die Anerkennung und Bejahung der Schöpfung neue Kraft und Bestätigung zu erfahren. 

Diese Verknüpfung zwischen der Sakramententheologie und der Bejahung der sichtbaren Weltwirklichkeit ist sehr früh in der Geschichte der Kirche gesehen und formuliert worden. Zum Beispiel betont Irenäus, in seinem Buch wider die Häresien, mit großem Nachdruck die Tatsache, daß es die Erstlings-Früchte der Schöpfung seien, welche wir in der Eucharistie-Feier darbringen. Ausdrücklich sagt er, daß beim letzten Mahle der Herr »von dieser Welt der geschaffenen Dinge« das Brot genommen habe und gleichfalls »aus dieser unserer Schöpfungswelt« den Kelch – wodurch der Herr die Jünger habe lehren wollen, von den geschaffenen Dingen Gaben darzubringen, »nicht als bedürfe Gott ihrer, sondern damit sie selber nicht undankbar seien«. Dieser Satz des Irenäus bedeutet nichts anderes, als daß des Menschen Dankbarkeit für die natürlichen Gaben der sichtbaren Schöpfung zu ihrem höchsten Ausdruck gelange präzis in der Feier der Sakramente. Er sagt es wieder und wieder, daß es das Gesamt der Schöpfung sei, welches Christus Gott darbringe als Opfer. 

Irenäus steht mit diesen Sätzen im Kampf gegen die spiritualistische Verneinung der sichtbaren Welt, wie sie in der Gnosis formuliert war. Mit völliger Klarheit sieht er, daß es unmöglich ist, zu einem wahren Verständnis des Sakramentes zu gelangen, wenn man nicht zugleich und zuvor die Würde und die Gutheit der sichtbaren Welt anerkennt. Es ist die Wirklichkeit dieser vor Augen liegenden Erde, die, kraft des Wortes Gottes, solchermaßen erhöht und erhoben wird, daß sie zu Fleisch und Blut des Herrn werden kann. 

Man mißversteht also die »Weltlichkeit« des heiligen Thomas, wenn man nicht ihre theologische Wurzel erkennt oder, genauer gesagt, wenn man nicht wahrnimmt, daß diese »Weltlichkeit« in der Sakramenten-Theologie ihren Grund hat. Es ist die tiefe Verehrung gegen das »Ur-Sakrament«, gegen den menschgewordenen Logos selbst, aus welcher jene großherzige »Weltlichkeit« sich herleitet. So vermerkt Thomas in seinen Erläuterungen zum Johannes-Evangelium, daß es seltsam erscheinen könnte, zu sehen, wie Johannes gar nicht von der menschlichen Seele Christi spreche, sondern nur vom »fleischgewordenen« Wort. Und Thomas fragt sich, warum Johannes so ausschließlich vom »Fleisch« gesprochen haben möchte. Er antwortet sich selbst mit mehreren Argumenten. Das erste ist dieses: Johannes habe die Wirklichkeit der Inkarnation erweisen wollen gegen die Lehre der Manichäer, die behaupteten, das göttliche Wort könne unmöglich einen wirklichen Leib angenommen haben, weil es wider die Gutheit Gottes sein würde, diese »Schöpfung des Satans« anzunehmen. Dies also sei der Grund, weswegen Johannes ausdrücklich und besonders vom »Fleisch« spreche: um die Meinung auszuschließen, der Leib sei vom Bösen. 

15. Januar 2011

Schöpfung und Sakrament 1

In einem äußerst lebendig und ein wenig herausfordernd geschriebenen kleinen Buch über Thomas von Aquin macht G. K. Chesterton die Bemerkung, dieser große Lehrer der Christenheit müßte eigentlich Thomas a Creatore, Sankt Thomas von Gott dem Schöpfer, genannt werden. Dies würde in der Tat, wie ich glaube, eine zutreffende Kennzeichnung sein für die innerste Ausrichtung des Denkens des heiligen Thomas. Liebende Zustimmung zur Schöpfung in allen ihren Gestalten und Schichten gehört ganz sicher zu den principia seiner Lehre, von denen der berühmte Paragraph 1366 des Codex Juris Canonici spricht.


Diese bejahende Haltung zur Schöpfung, diese Anerkennung des Insgesamt aller wirklichen Dinge, ist zweifellos der Kern und die innerste Meinung von Thomas’ sogenanntem »Aristotelismus«. Dies und nichts anderes ist, zum Beispiel, die Wurzel und der Grund jener vertrauenden, großherzigen magnanimitas, die seine Ethik unterscheidend kennzeichnet. Ich würde sogar die Behauptung wagen, diese bejahende Haltung zum Ganzen der Schöpfung sei eines der gewichtigsten Kennzeichen, die ihn zum Doctor Communis Ecclesiae, zum »allgemeinen Lehrer der Kirche« machen. 

Mehrere Arten von Argumenten lassen sich anführen für diese Wirklichkeitshaltung, für diesen »Optimismus« (sozusagen). Das am meisten uns vertraute, das am ehesten selbstverständliche Argument ist, natürlich, die Berufung auf den Schöpfer selbst, der es bestätigt hat, daß die Welt, die er gemacht hat, »sehr gut« sei. Dies ist nicht das einzige Argument des heiligen Thomas. Immerhin, er bedient sich seiner ausdrücklich und häufig genug. Zum Beispiel, wenn Thomas den berühmten Satz »omne ens est bonum«; alles Seiende ist gut, in zahllosen Variationen formuliert, so ist die tiefste und äußerste Meinung all jener Sätze: jedes Wesen sei, als etwas Wirkliches, gewollt und sogar geliebt durch den Schöpfer; jede Kreatur empfange dies Geliebtsein zugleich mit ihrem Wirklichsein. Wieder und wieder spricht Thomas die Konsequenzen hiervon aus: »Alle Kreatur hat im gleichen Maße teil an der Gutheit, wie sie teilhat am Sein«; »alles, was ist, und sei es auf welche Weise immer – sofern es wirklich ist, ist es gut«; »die bösen Taten sind gut und von Gott – soweit das zur Rede steht, was sie an Sein besitzen«; »mag das Böse sich noch so sehr vervielfachen, niemals vermag es das Gute ganz aufzuzehren«; »das Gute vermag sich in reinerer Gestalt zu verwirklichen als das Böse; denn es findet sich wohl Gutes, dem nichts Böses beigemischt ist; nichts aber ist so sehr böse, daß ihm nicht etwas Gutes beigemischt wäre«; »es ist unmöglich, daß durch die Sünde das Gute unserer Natur völlig aufgehoben werde«. Der Bezug und die Berufung auf den Schöpfer ist schließlich in voller Ausdrücklichkeit formuliert in dem folgenden Text: »Wie das naturhafte Erkennen immer wahr, so ist das naturhafte Lieben immer recht. Denn die naturhafte Liebe ist nichts anderes denn die Hinneigung der Natur, eingepflanzt vom Urheber der Natur: es heißt also dem Schöpfer der Natur Schmach antun, wenn einer sagt, die Neigung der Natur sei nicht recht.« 

Die Rückbeziehung auf den Schöpfer ist, wie leicht zu sehen ist, das einzige legitime Fundament allen »Naturrechts«. Und es ist einfach eine Selbstverständlichkeit, daß vom Standpunkt einer supranaturalistischen Verneinung der Würde des Geschaffenen die Begründung und Verteidigung eines Naturrechts genau ebensowenig möglich ist wie, natürlich, vom Standort eines nihilistischen Atheismus aus, für den so etwas wie Schöpfung überhaupt nicht existiert.