"Minimum quod potest haberi de cognitione rerum altissimarum, desiderabilius est quam certissima cognitio, quae habetur de minimis rebus."

"Das Geringste an Erkenntnis, das einer über die erhabensten Dinge zu gewinnen vermag, ist ersehnenswerter als das gewisseste Wissen von den niederen Dingen"

(Thomas von Aquin: I, 1, 5 ad 1)

28. August 2011

Am elften Sonntage nach Pfingsten



Ev.: Jesus weint über Jerusalem.


Zu derselben Zeit, da Jesus nahe an Jerusalem kam, sah er die Stadt an, und weinte über sie, und sprach: »Wenn du es erkenntest, was dir zur Rettung dient, und zwar an diesem deinem Tage, nun aber ist es vor deinen Augen verborgen.«



Mein Jesus hat geweint um seine Stadt,
Ach, auch gewiß um mich hat er geweinet;
Wußt' er nicht damals schon, wie trüb und matt,
Wie hülflos meine Seele heut erscheinet?
Von allem was die heil'ge Bibel trägt
Hat nichts so tief, so rührend mich bewegt.

O, könnt' ich seine teuren Tränen nur
In einem Kelche, einem Tuche fassen,
Wie er Veroniken die heil'ge Spur
Von seinem blut'gen Antlitz wollte lassen;
Sie war die Hochbegnadete vom Herrn,
Doch auch der ärmste Bettler träumt ja gern!

Zu solchem Kelche gäb' ich freudig her
Was ich an kleinen Schätzen mag besitzen;
Von meinem Golde würd' er reich und schwer,
Und meine Edelsteine sollten blitzen.
O zürne, Herr, nicht meiner Albernheit,
Zum Kinde macht mich deine Güte heut!

»Weh wüßtest du, was dir zur Rettung ist!«
Ja wüßt' ich es, wohl wär' es mir zum Frommen!
Doch du, du weißt es ja mein Jesus Christ,
Und nur von dir kann mir die Kunde kommen,
So rede denn, du meines Herzens Hort!
Ich stehe hier und horche auf dein Wort.

Fürwahr ich muß in deinem heil'gen Buch
Viel mehr nach deiner Liebe Zeichen suchen,
Als wo dein Eifer spricht und, weh! dein Fluch!
Ich knicke wie ein Halm, hör' ich dich fluchen;
Nicht heilsam aufgerüttelt, todesmatt
Lieg' ich am Grunde wie ein dürres Blatt.

Ein saftlos Erdreich bin ich, dem nicht mag
Des Kalkes Brand, der Asche Beize taugen;
Ein dürrer Sand treib' ich dem Winde nach:
So will ich deine Himmelstropfen saugen,
Und in dem Tranke gibst du mir vielleicht
Was meinem irrenden Bewußtsein reicht.

Gibst mir ins Herz was ich beginnen soll,
Ob trauernd stehn, ob hoffend fürder schreiten,
Die Gnade ist ja nicht der Stärke Zoll,
Auch zu dem Siechen mag sie niedergleiten.
Du der des Allerschwächsten Schöpfer bist,
Hast auch für ihn ein Heil, mein Jesu Christ!

Drum, wenn die Wolke wieder mich umgibt
Und fast verzweifelnd meine Arm' ermatten,
Dann will ich denken, daß er hat geliebt,
Und meine Wimper heben durch die Schatten.
O meine Seele! sei nicht so versteint,
Du weißt es ja, er hat um dich geweint!

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