"Minimum quod potest haberi de cognitione rerum altissimarum, desiderabilius est quam certissima cognitio, quae habetur de minimis rebus."

"Das Geringste an Erkenntnis, das einer über die erhabensten Dinge zu gewinnen vermag, ist ersehnenswerter als das gewisseste Wissen von den niederen Dingen"

(Thomas von Aquin: I, 1, 5 ad 1)

31. August 2011

Schattenlinie überspringen

Ich hatte vor 22 Jahren eine junge Biologiestudentin in Graz kennengelernt und fühlte mich von ihr angezogen. Aber Achtung, diese junge Frau wäre zu „gefährlich“ für mich, meinte ihre – zum Unterschied von ihr - gläubige Freundin. Die Verehrte war ein Kind dieser säkularisierten „Welt“, zwar gerade noch getauft und gefirmt, aber sonst hatte sie so gar nichts mit Kirche und Glaube zu tun. Also so richtig „weltlich“ - auch im Sinne der moralischen Verwerflichkeit. Es passte ins Bild, dass sie zudem weder heiraten noch Kinder wollte. Ich konnte mir damals – und das ist für unsere Überlegungen jetzt spannend - trotz meines missionarischen Eifers in umfangreicher Jugendarbeit beim besten Willen nicht vorstellen, dass diese so „weltliche“ junge Dame je gläubig werden könnte. Und ich habe es (und das ist nicht unwichtig) auch Gott nicht zugetraut. Eine Bekehrung oder „Neu – Evangelisierung“ dieser jungen Frau lag außerhalb meiner Vorstellungskraft. Wie bei so vielen anderen (d. h. bei den meisten Menschen) in Wahrheit auch.

Bis sich mir eines Morgens nach einer schweren Nacht eine Klarheit einstellte, die sich wie eine Art innere Stimme meldete: „Wenn sie sich (Carola) tatsächlich bekehren soll, dann musst du dich zuerst bekehren!“ Ich hatte nichts vom Wie und Was verstanden. Ich wusste nur, dass es eine elementare Kehrtwende bei mir brauchte. Es sollte erst viel später in vielen kleinen Schritten deutlich werden, dass ich selbst eine tief greifende Umkehr brauchte. Es betraf die Art meines scheinbar frommen Blicks auf diese so „weltliche“ junge Frau, - und eigentlich auf die Welt überhaupt! In Wahrheit war es ein herablassender Blick. Ich war mir kaum bewusst, welch ein armer Kerl und wie bedürftig ich selbst war, und wie viel Selbstgerechtigkeit und Heidentum sich in mir ausgebreitet hatte. Ich ahnte nicht, wie unverdient ich von Seinem Erbarmen lebte. Das ließ mich auf die junge Dame herab-schauen, so wie ich auch auf die Menschen dieser Welt selbstsicher herabgeschaut habe. Ich kann heute sagen, dass ich selbst dadurch einen dunklen Schatten auf sie geworfen und somit auch die Linie gezogen habe, die zu überspringen meine eigene tiefgreifende Bekehrung bedurft hat.

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