"Minimum quod potest haberi de cognitione rerum altissimarum, desiderabilius est quam certissima cognitio, quae habetur de minimis rebus."

"Das Geringste an Erkenntnis, das einer über die erhabensten Dinge zu gewinnen vermag, ist ersehnenswerter als das gewisseste Wissen von den niederen Dingen"

(Thomas von Aquin: I, 1, 5 ad 1)

28. Dezember 2011

Weihnachten

Weihnachten besagt […] in alle unsere Zweifel und Verstörtheiten hinein: Gott ist. Nicht als irgendeine unendlich ferne Macht, die uns höchstens erschrecken kann; nicht als der tiefe Grund des Seins, der nicht um sich selber weiß. Er ist so, dass er sich um uns zu kümmern vermag und dass alles, was wir sind und tun, unter seinen Augen steht. Unter Augen, die Augen der Liebe sind. Wer dies im Glauben annimmt und im Glauben weiß, für den gibt es keine letzte Einsamkeit mehr. Er ist da. Das Licht, das ein Mensch in der Geschichte und für die Geschichte geworden ist, ist kein ohnmächtiger Zufall, sondern Licht vom Licht. Die Hoffnung und die Ermutigung, die von diesem Licht ausgehen, erhalten dadurch eine ganz andere Tiefe. Aber eben weil es eine ganz göttliche Hoffnung ist, dürfen und sollen wir sie auch als eine ganz menschliche Hoffnung annehmen und weitertragen.

Weihnachten feiern heißt von hier aus: ein Fest annehmen, das wir nicht selbst gemacht haben, sondern das uns von Gott geschenkt ist. Das unterscheidet die kirchlichen Feste grundlegend von bloßer Freizeit, von aller selbstgemachten Unterhaltung. Die Wirklichkeit von Weihnachten ist da, auch wenn wir sie selbst nicht wahrnehmen, auch wenn wir sie selbst nicht suchen. Sie ist uns ein für alle Mal geschenkt in der Geburt des Kindes, in dem Gott zu einem der Unsrigen werden wollte. An Weihnachten sind wir vor allen Gaben, die wir selber geben, immer schon vorweg die Beschenkten. Darin mit gründet das Erlösende eines solchen Tages, wenn er recht verstanden wird: dass uns gegeben wird, was keiner von uns selbst gemacht und ersonnen hat. Dass wir wissen, dass unserer schon im Voraus gedacht ist und wir nur hineinzugehen rauchen in das offene Licht eines Festes, das uns erwartet und uns gewiss macht, dass der Kreis unserer Taten nicht die einzige Wirklichkeit ist, die es gibt. Scheuen wir uns doch nicht, uns das gefallen zu lassen. Darin unverkrampft froh zu werden und so weitergeben zu können, was die Menschheit vorab und mehr als alles andere braucht: das Frohsein von innen her, das löst und erlöst und allen anderen Gaben erst ihren Sinn, ihren rechten Zusammenhang gewährt.


(Drei Weihnachtsbetrachtungen, in: Dogma und Verkündigung, München 1973, 383–399, hier: 392 f.)
DBK 5248 S. 144s

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