"Minimum quod potest haberi de cognitione rerum altissimarum, desiderabilius est quam certissima cognitio, quae habetur de minimis rebus."

"Das Geringste an Erkenntnis, das einer über die erhabensten Dinge zu gewinnen vermag, ist ersehnenswerter als das gewisseste Wissen von den niederen Dingen"

(Thomas von Aquin: I, 1, 5 ad 1)

28. August 2012

Im rechten Glauben an Gott glauben

40. Kein leichtsinniger Mensch lasse sich darum täuschen und glaube Gott zu kennen, wenn er ihn nur mit einem toten Glauben, d.h. ohne gute Werke, bekennt, so wie es auch die Teufel machen, und wenn er sich der festen Hoffnung hingibt, er werde deshalb ins ewige Leben gelangen, weil ja der Herr sagt: "Das aber ist das ewige Leben, daß sie dich, den einen wahren Gott, erkennen und den du gesandt hast, Jesus Christus ." Er soll sich vielmehr auch noch an die andere Stelle erinnern, wo es heißt: "Daran erkennen wir ihn, wenn wir seine Gebote halten. Wer aber sagt: Ich kenne ihn, hält aber seine Gebote nicht, der ist ein Lügner und Wahrheit ist nicht in ihm ." Es darf aber nun keiner glauben, seine Gebote umfaßten bloß das Gebot des Glaubens, eine Behauptung, die auch wirklich noch niemand aufzustellen wagte. Er selbst hat ja, um nicht durch die Menge der Gebote die Gedanken zu verwirren, nur gesagt: "An diesen zwei Geboten hängt das ganze Gesetz und die Propheten." Man kann freilich wohl sagen, die Gebote Gottes bezögen sich bloß auf den Glauben; aber man darf dann nicht einen toten Glauben, sondern jenen lebendigen meinen, der durch die Liebe wirksam ist. Später aber hat Johannes seine Auffassung selbst mit den Worten näher dargelegt: "Das ist sein Gebot, daß wir an den Namen seines Sohnes Jesus Christus glauben und einander lieben."
41. Es ist also von Nutzen, im rechten Glauben an Gott zu glauben, Gott zu verehren und Gott zu kennen: wir bekommen dann seinen Beistand zu einem guten Leben und machen uns seiner Verzeihung würdig, wenn wir sündigen. Nicht aber dürfen wir unbesorgt in Werken verharren, die er haßt, sondern wir müssen sie aufgeben und zu ihm sprechen: "Ich habe gesprochen: Herr, erbarme dich meiner, heile meine Seele, weil ich vor dir gesündigt habe." So können aber diejenigen zu niemandem sprechen, die nicht an ihn glauben und so sprechen ohne Nutzen diejenigen, die weit entfernt vom Mittler und darum seiner Gnade fremd sind. Daher kommen die bekannten Worte im Buche der Weisheit, für die jene verderbliche Sicherheit wohl keine Erklärung geben kann: "Auch wenn wir gesündigt haben, sind wir dein." Denn wir haben einen guten, großen Herrn, der die Sünden des Büßers heilen kann und heilen will, der es ebenso gut aber auch über sich bringt, verstockte Sünder zu verderben. Nach den Worten: "Dein sind wir", heißt es weiter: "Denn wir kennen deine Macht." Das ist doch gewiß eine Macht, der sich kein Sünder heimlich entziehen kann. Darum fügt das Buch der Weisheit im unmittelbaren Anschluß daran bei: "Nicht aber wollen wir sündigen, weil wir wissen, daß wir dir zugezählt sind. "Wer sich nämlich die Wohnung bei Gott, zu der alle durch Prädestination bestimmt sind, die nach seinem Wohlgefallen berufen wurden, würdig vorstellt, der wird sich gewiß bestreben, ein jener Wohnung entsprechendes Leben zu führen. Dasselbe sagt auch Johannes: "Dies habe ich euch geschrieben, damit ihr nicht sündigt; wenn aber einer sündigt, so haben wir einen Fürsprecher beim Vater, nämlich Jesus Christus den Gerechten; und dieser selbst ist die Sühne für unsere Sünden." Dieses schreibt Johannes aber nicht, damit wir in aller Ruhe sündigen können, sondern damit wir eine etwa begangene Sünde aufgeben und dann wegen unseres Fürsprechers, den der Ungläubige nicht hat, keineswegs an der Vergebung verzweifeln.

24. August 2012

Silmarillion: der Anfang

Eru war da, der Eine, der in Arda Ilúvatar heißt; und er schuf erstens die Ainur, die Heiligen, Sprößlinge seiner Gedanken; und sie waren bei ihm, bevor irgend andres erschaffen war. Und er sprach zu ihnen, sie Melodien lehrend, und sie sangen vor ihm, und er war froh. Lange aber sangen sie nur jeder für sich allein oder zu wenigen, während die andren lauschten, denn ein jeder verstand von Ilúvatars Gedanken nur jenen, aus dem er selber stammte, und nur langsam lernten sie auch ihre Brüder verstehen. Doch indem sie hörten, verstanden sie besser, und es wuchsen Einklang und Harmonie.

Und es geschah, daß Ilúvatar die Ainur alle zusammenrief und sie eine gewaltige Melodie lehrte, die größere und herrlichere Dinge auftat, als er ihnen je gezeigt hatte; und der Glanz ihres Anfangs und die Pracht ihres Endes verwirrten die Ainur, so daß sie sich vor Ilúvatar verneigten und still waren.

Da sagte Ilúvatar zu ihnen: »Aus dem Thema, das ich euch gewiesen, machet nun in Harmonie gemeinsam eine Große Musik. Und weil ich euch mit der Unverlöschlichen Flamme angefacht habe, so zeiget eure Kräfte und führet mir dies Thema aus, ein jeder nach seiner Art und Kunst, wie's ihm beliebt. Ich aber will sitzen und lauschen und froh sein, daß durch euch solche Schönheit zum Liede erwacht.«

Da begannen die Stimmen der Ainur zu erschallen wie Harfen und Lauten, Flöten und Posaunen, Geigen und Orgeln, und sie machten aus Ilúvatars Thema eine große Musik; und ein Klang stieg auf von endlos ineinander spielenden Melodien, harmonisch verwoben, und verlor sich in die Höhen und Tiefen jenseits allen Gehörs, und die Räume, wo Ilúvatar wohnt, quollen über, und die Musik und ihr Echo hallten hinaus in die Leere, und sie war nicht mehr leer. Nie wieder haben seither die Ainur eine Musik gleich dieser gespielt, doch heißt es, eine noch schönere solle vor Ilúvatar nach dem Ende aller Tage erklingen, von den Chören der Ainur und der Kinder Ilúvatars. Dann werden die Themen Ilúvatars rechtens gespielt werden und das Sein erlangen in dem Augenblick, da sie erklingen, denn alle werden dann ganz verstanden haben, welches für ihr Teil Ilúvatars Absicht ist, und jeder wird wissen, was jeder weiß, und Ilúvatar wird ihren Gedanken das geheime Feuer geben, und er wird sein Wohlgefallen haben.

J. R. R. Tolkien: Das Silmarillion

20. August 2012

Der Mittelpunkt des Daseins


Der Mittelpunkt des Daseins, das, was dem oft schweren Weg des Lebens Sinn und feste Hoffnung gibt, ist der Glaube an Jesus, die Begegnung mit Christus. 
Auch wir fragen: »Was müssen wir tun, um das ewige Leben zu haben?« Und Jesus sagt: »Glaubt an mich.« Der Glaube ist grundlegend. Es handelt sich hier nicht darum, einer Idee, einem Plan zu folgen, sondern Jesus als einer lebendigen Person zu begegnen, sich völlig von ihm und seinem Evangelium ergreifen zu lassen. 
Jesus lädt dazu ein, nicht bei einem rein menschlichen Horizont stehen zu bleiben und sich dem Horizont Gottes, dem Horizont des Glaubens zu öffnen. Er fordert ein einziges Werk: den Plan Gottes anzunehmen, das heißt »daß ihr an den glaubt, den er gesandt hat«. 

César Franck: Prelude, Fugue & Variation, op. 18

18. August 2012

17. August 2012

Askese des Erkennens

Es ist uns heutigen Menschen, die wir der Meinung sind, man brauche, um die Wahrheit zu erkennen, nur seinen Kopf mehr oder weniger anzustrengen, und die wir den Begriff einer Askese des Erkennens kaum noch für sinnvoll halten – es ist uns auch der sehr innige Zusammenhang aus dem Bewusstsein verschwunden, der das Erkennen der Wahrheit an die Bedingung der Reinheit knüpft. Thomas sagt, die erstgeborenen Tochter der Unkeuschheit sei die Blindheit des Geistes. Die Wahrheit erkennen kann nur, wer nichts für sich selbst will, wer nicht unsachlich „interessiert“ ist. Ein unreiner, selbstisch entarteter Genusswille dagegen zerrüttet sowohl die Entscheidungskraft wie auch das innerste Vermögen der Seele, schweigend aufzumerken auf die Sprache der Wirklichkeit.

Josef Pieper
 

13. August 2012

Tapferkeit und Hoffnung

Es ist leicht, sich einzubilden, man hoffe auf das Ewige Leben; schwer aber ist es, inmitten der Versuchungen zur Verzweiflung wirklich zu hoffen. In der Situation äußester Tapferkeit erweist es sich, ob die Hoffnung echt ist. Niemand weiß tiefer als der wirklich Tapfere, dass und wieso Hoffnung „Tugend“ ist und also nicht leichthin und sozusagen kostenlos „zu haben“; niemand erfährt deutlicher, dass die Hoffnung auf das Ewige Leben Gnade ist.

Josef Pieper 

11. August 2012

Mazzaferrata: Sonata No 1 op. 5.

Das süße Joch Christi

Manche wundern sich, wenn sie den Herrn sagen hören: „Kommt alle zu mir, meine Last ist leicht.“ Denn sie sehen, dass die, die dieses Joch unerschrocken auf ihren Nacken laden und wirklich auf ihre Schultern nehmen, von so großen Schwierigkeiten in dieser Welt umher getrieben und geplagt werden, dass sie nicht von der Mühsal zur Ruhe, sondern von der Ruhe zur Mühsal gerufen scheinen. Wieso ist dieses Joch mild und diese Last leicht, wenn dieses Joch und diese Last zu tragen nichts anderes bedeutet, als gottesfürchtig in Christus zu leben? Und wieso heißt es: „Kommt alle zu mir, die ihr euch abmüht und belastet seid, und ich will euch Ruhe geben“? Hieße es nicht besser: 'Kommt alle zu mir, die ihr müßig seid, auf dass ihr euch abmühen werdet?' Denn er sucht die Müßigen und führt sie in seinen Weinberg, damit sie die Hitze des Tages ertragen.

Sieh, welch süßes Joch Christi Paulus getragen hat und welch leichte Last, dass er alles Schwere und Harte bloß eine „leichte Bedrängnis“ nannte. Er konnte mit den inneren Augen des Glaubens erkennen, um welchen Preis der zeitlichen Güter das zukünftige Leben erkauft werden muss, um ohne jede Unruhe die ewige Glückseligkeit der Gerechten zu erleben. Die Menschen ertragen es, mit dem Messer und mit brennender Medizin behandelt zu werden, damit sie um den Preis heftiger Schmerzen erlöst werden von den Schmerzen, die ihnen noch nicht einmal eine ewige, sondern nur eine zeitliche, wenn auch lange Zeit nicht heilende Wunde bereitet.

Alle, die nicht von der Liebe erfüllt sind, erleiden ihr Schicksal als Schweres, die aber lieben, scheinen dasselbe Schicksal aber nicht als Schweres zu erleiden. Denn die Liebe macht alles Harte und Schreckliche geradezu mild und zu fast nichts.

Quelle: Heiligen Augustinus, Predigt 70,1-3

8. August 2012

Heilung

Worin besteht diese tiefe Heilung, die Gott durch Jesus wirkt? Sie besteht in einem wahren, vollständigen Frieden, der Frucht der Aussöhnung des Menschen mit sich selbst und in all seinen Beziehungen ist: mit Gott, mit den anderen, mit der Welt. Tatsächlich versucht der Widersacher unaufhörlich, das Werk Gottes zu zerstören und Zwietracht im Herzen des Menschen zu säen, zwischen Leib und Seele, zwischen dem Menschen und Gott, in den zwischenmenschlichen, gesellschaftlichen und internationalen Beziehungen und auch zwischen dem Menschen und der Schöpfung. Der Widersacher sät Krieg; Gott schafft Frieden. 

Papst Benedikt XVI, 22.7.12