40.
Kein leichtsinniger Mensch lasse sich darum täuschen und glaube Gott
zu kennen, wenn er ihn nur mit einem toten Glauben, d.h. ohne gute
Werke, bekennt, so wie es auch die Teufel machen, und wenn er sich
der festen Hoffnung hingibt, er werde deshalb ins ewige Leben
gelangen, weil ja der Herr sagt: "Das aber ist das ewige Leben,
daß sie dich, den einen wahren Gott, erkennen und den du gesandt
hast, Jesus Christus ." Er soll sich vielmehr auch noch an die
andere Stelle erinnern, wo es heißt: "Daran erkennen wir ihn,
wenn wir seine Gebote halten. Wer aber sagt: Ich kenne ihn, hält
aber seine Gebote nicht, der ist ein Lügner und Wahrheit ist nicht
in ihm ."
Es darf aber nun keiner glauben, seine Gebote umfaßten bloß das
Gebot des Glaubens, eine Behauptung, die auch wirklich noch niemand
aufzustellen wagte. Er selbst hat ja, um nicht durch die Menge der
Gebote die Gedanken zu verwirren, nur gesagt: "An diesen zwei
Geboten hängt das ganze Gesetz und die Propheten." Man kann
freilich wohl sagen, die Gebote Gottes bezögen sich bloß auf den
Glauben; aber man darf dann nicht einen toten Glauben, sondern jenen
lebendigen meinen, der durch die Liebe wirksam ist. Später aber hat
Johannes seine
Auffassung selbst mit den Worten näher dargelegt: "Das ist sein
Gebot, daß wir an den Namen seines Sohnes Jesus Christus glauben und
einander lieben."
41.
Es ist also von Nutzen, im rechten Glauben an Gott zu glauben, Gott
zu verehren und Gott zu kennen: wir bekommen dann seinen Beistand zu
einem guten Leben und machen uns seiner Verzeihung würdig, wenn wir
sündigen. Nicht aber dürfen wir unbesorgt in Werken verharren, die
er haßt, sondern wir müssen sie aufgeben und zu ihm sprechen: "Ich
habe gesprochen: Herr, erbarme dich meiner, heile meine Seele, weil
ich vor dir gesündigt habe." So können aber diejenigen zu
niemandem sprechen, die nicht an ihn glauben und so sprechen ohne
Nutzen diejenigen, die weit entfernt vom Mittler und darum seiner
Gnade fremd sind. Daher kommen die bekannten Worte im Buche der
Weisheit, für die jene verderbliche Sicherheit wohl keine Erklärung
geben kann: "Auch wenn wir gesündigt haben, sind wir dein."
Denn wir haben einen guten, großen Herrn, der die Sünden des Büßers
heilen kann und heilen will, der es ebenso gut aber auch über sich
bringt, verstockte Sünder zu verderben. Nach den Worten: "Dein
sind wir", heißt es weiter: "Denn wir kennen deine Macht."
Das ist doch gewiß eine Macht, der sich kein Sünder heimlich
entziehen kann. Darum fügt das Buch der Weisheit im unmittelbaren
Anschluß daran bei: "Nicht aber wollen wir sündigen, weil wir
wissen, daß wir dir zugezählt sind. "Wer sich nämlich die
Wohnung bei Gott, zu der alle durch Prädestination bestimmt sind,
die nach seinem Wohlgefallen berufen wurden, würdig vorstellt, der
wird sich gewiß bestreben, ein jener Wohnung entsprechendes Leben zu
führen. Dasselbe sagt auch Johannes: "Dies habe ich euch
geschrieben, damit ihr nicht sündigt; wenn aber einer sündigt, so
haben wir einen Fürsprecher beim Vater, nämlich Jesus Christus den
Gerechten; und dieser selbst ist die Sühne für unsere Sünden."
Dieses schreibt Johannes aber nicht, damit wir in aller Ruhe sündigen
können, sondern damit wir eine etwa begangene Sünde aufgeben und
dann wegen unseres Fürsprechers, den der Ungläubige nicht hat,
keineswegs an der Vergebung verzweifeln.