"Minimum quod potest haberi de cognitione rerum altissimarum, desiderabilius est quam certissima cognitio, quae habetur de minimis rebus."

"Das Geringste an Erkenntnis, das einer über die erhabensten Dinge zu gewinnen vermag, ist ersehnenswerter als das gewisseste Wissen von den niederen Dingen"

(Thomas von Aquin: I, 1, 5 ad 1)

17. August 2012

Askese des Erkennens

Es ist uns heutigen Menschen, die wir der Meinung sind, man brauche, um die Wahrheit zu erkennen, nur seinen Kopf mehr oder weniger anzustrengen, und die wir den Begriff einer Askese des Erkennens kaum noch für sinnvoll halten – es ist uns auch der sehr innige Zusammenhang aus dem Bewusstsein verschwunden, der das Erkennen der Wahrheit an die Bedingung der Reinheit knüpft. Thomas sagt, die erstgeborenen Tochter der Unkeuschheit sei die Blindheit des Geistes. Die Wahrheit erkennen kann nur, wer nichts für sich selbst will, wer nicht unsachlich „interessiert“ ist. Ein unreiner, selbstisch entarteter Genusswille dagegen zerrüttet sowohl die Entscheidungskraft wie auch das innerste Vermögen der Seele, schweigend aufzumerken auf die Sprache der Wirklichkeit.

Josef Pieper
 

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