Es
ist uns heutigen Menschen, die wir der Meinung sind, man brauche, um
die Wahrheit zu erkennen, nur seinen Kopf mehr oder weniger
anzustrengen, und die wir den Begriff einer Askese des Erkennens kaum
noch für sinnvoll halten – es ist uns auch der sehr innige
Zusammenhang aus dem Bewusstsein verschwunden, der das Erkennen der
Wahrheit an die Bedingung der Reinheit knüpft. Thomas sagt, die
erstgeborenen Tochter der Unkeuschheit sei die Blindheit des Geistes.
Die Wahrheit erkennen kann nur, wer nichts für sich selbst will, wer
nicht unsachlich „interessiert“ ist. Ein unreiner, selbstisch
entarteter Genusswille dagegen zerrüttet sowohl die
Entscheidungskraft wie auch das innerste Vermögen der Seele,
schweigend aufzumerken auf die Sprache der Wirklichkeit.
Josef Pieper
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