"Minimum quod potest haberi de cognitione rerum altissimarum, desiderabilius est quam certissima cognitio, quae habetur de minimis rebus."

"Das Geringste an Erkenntnis, das einer über die erhabensten Dinge zu gewinnen vermag, ist ersehnenswerter als das gewisseste Wissen von den niederen Dingen"

(Thomas von Aquin: I, 1, 5 ad 1)

30. Juni 2011

Juli - die Verehrung des Kostbarsten Blute

Liebe Brüder und Schwestern, im Buch Genesis steht geschrieben, daß das Blut Abels, der von seinem Bruder Kain erschlagen worden war, vom Ackerboden zu Gott schreit (vgl. 4,19). Und leider ist – heute wie gestern – dieser Schrei nicht verstummt, da weiterhin aufgrund von Gewalt, Ungerechtigkeit und Haß menschliches Blut fließt. Wann werden die Menschen lernen, daß das Leben unantastbar ist und allein Gott gehört? Wann werden sie verstehen, daß wir alle Brüder sind? Auf den Schrei aufgrund des vergossenen Blutes, der sich aus so vielen Teilen der Erde erhebt, antwortet Gott mit dem Blut seines Sohnes, der das Leben für uns hingegeben hat. Christus hat nicht das Böse mit Bösem vergolten, sondern mit dem Guten, mit seiner unendlichen Liebe. Das Blut Christi ist Unterpfand der treuen Liebe Gottes zur Menschheit. Den Blick fest auf die Wundmale des Gekreuzigten gerichtet, kann jeder Mensch auch im Zustand äußersten moralischen Elends sagen: Gott hat mich nicht verlassen, er liebt mich, er hat sein Leben für mich hingegeben; und so kann er wieder Hoffnung finden. Die Jungfrau Maria, die gemeinsam mit dem Apostel Johannes unter dem Kreuz das Vermächtnis des Blutes Jesu aufnahm, möge uns helfen, den unschätzbaren Reichtum dieser Gnade neu zu entdecken und innige und immerwährende Dankbarkeit dafür zu empfinden. 

27. Juni 2011

Knechtschaft

Mobiltelefonierer stehen pausenlos unter Aktivitätsdruck, ununterbrochen werden sie zu unterschiedlichsten Zeitverdichtungsakrobatiken genötigt, bis sie schließlich im Beschleunigungsgefängnis des „nie genug“ landen. Jene, die
überall erreichbar sein wollen, die sich immerzu auf dem Sprung befinden um schnell mal zu telefonieren, sie alle setzen sich einem permanent hohen Aufmerksamkeits- und Stressniveau aus. Als Aktivisten der schnurlosen „Freiheit“ rechnen sie jederzeit damit, abrupt unterbrochen bzw. gestört zu werden. Um ihre Sprunghaftigkeit abzusichern und nicht permanent zu aufwändiger Neuplanung gezwungen zu werden, verzichten sie auf möglichst viele langfristig verbindlichen Festlegungen, auf stabile Beziehungen und verlässliche Freundschaften. Als treue und fixe Dienstboten ihrer Geräte „schalten“ sie sich, gemeinsam mit diesen auf “Stand-by“ und belasten ihren Energie- und ihren Zeithaushalt durch ein kontinuierliches „Erreichbarkeitsmanagement“. Auf die Freiheit, souverän über ihre Zeit entscheiden zu können, pfeiffen sie und bevorzugen dafür ein serviles Knechtschaftsverhältnis zu den Gerätschaften. So mündet die durchs Mobiltelefon gewonnene vermeintliche „Freiheit“ schließlich in der Sucht des „Immer zu Diensten“. Die sich gerne selbständig und entscheidungsfreudig präsentierenden Nutzer mutieren dabei zu Dienstboten und Stundenkulis ihres transportablen Equipments. Das Freiheitsversprechen wird zur zwanghaften Befreiung, die Souveränität zur instrumentell dressierten Freiheit. „Die Natur“, so NIETZSCHE pessimistisch, „hat den Menschen in lauter Illusionen gebettet. – Das ist sein eigentliches Element.“


Immer schon waren die technischen Utopien der Moderne von der Verheißung eskortiert, endlich „Herr im Hause“ werden zu können. Das Gegenteil ist eingetreten. Allesamt wurden wir zu Knechten falscher Versprechen. Das Leben ist, wie jeder weiß, nicht einfacher, es ist komplizierter geworden, und Zeit wurde dabei auch nicht gespart, vielmehr wurde sie verloren.

25. Juni 2011

Edith Stein - Bestimmung der Frau

Sie ist zweifacher Art.

Die Frau ist natürlicherweise zur Rolle der Gattin und Mutter berufen. Gattin sein, das bedeutet als Gefährtin Halt und Stütze sei, des Mannes, der Familie, der menschlichen Gesellschaft. Mutter sein trägt als Sinn in sich: wahres Menschentum hegen und hüten und zur Entfaltung bringen. „Beides: die seelische Gefährtenschaft und die seelische Mütterlichkeit sind nicht an die Grenzen des leiblichen Gatten- und Mutterverhältnisses gebunden, sondern erstrecken sich auf alle Menschen, die in den Gesichtskreis der Frau treten.“
Die Frau ist ihrem übernatürlichen Ruf nach auserwählt, um „ in der höchsten und reinsten Entfaltung ihres Wesens das Wesen der Kirche selbst zu verkörpern, ihr Symbol zu sein“.
Unter dreierlei Formen kann die Frau, ihrer individuellen Anlage entsprechend, ihre Sendung nach Natur- und Gnadenordnung erfüllen: in der Ehe; in der Ausübung eines Berufes, wobei Menschenbildung als die edelste Berufsarbeit der Frau zu bewerten ist; unter dem Schleier der sponsa Christi.
(Aus dem Vorwort zu Band V von Edith Steins Werken)

21. Juni 2011

Einander er-tragen

Und in wie vielen Geistern kommt es weder zum Erwachen noch zum Absterben, sondern "Kirche" ist und bleibt das unverstandene, durch die Taufe "zufällig" auferlegte Joch, das aus Gewohnheit weitergeschleppt oder eine Tages "verloren" wird, ohne jemals innerlich bejaht zu werden ...

Wir meinen: der Gläubige hat in solcher Begegnung - und ist sie nicht ein Teil des immerwährenden Gespräches, das sich durch die ganze Breite unseres Volkes hin abspielt? - die Nöte und Schwierigkeiten jener Verwirrten und Angefochtenen zunächst zu hören, aufzunehmen, ernst zu nehmen, auszusprechen und zu vertreten: nicht zuerst aus pädagogischen, gar aus taktischen Überlegungen, sondern aus Verpflichtung brüderlicher Liebe, welche das fremde Anliegen als das eigene erkennt. Wer soll denn "die andern" verstehen, wenn nicht wir? Etwa die Schadenfrohen, die Hämischen, alle, die Überläufer brauchen, alle, denen am Sterben des Glaubens etwas gelegen ist? Zu wem gehören die Verstörten, wenn nicht zu uns? Wer soll "schwach werden, wenn sie schwach werden", wenn nicht wir? Wer soll " brennen, wenn sie Ärgernis erleiden", wenn nicht wir? Sie sollen wissen, daß das sachliche Gewicht ihrer traurigen Erfahrungen gerade von den gläubigen und kirchentreuen Brüdern aufgefangen und anerkannt und mitgelitten und in die eigene Verantwortung eingeschlossen wird, nicht trotzdem wir katholisch, sondern weil wir es sind. Weil auch wir, die Gläubigen, dem "immerwährenden Gespräch" garnicht entrinnen können, selbst wenn wir es möchten; weil wir ihm standhalten müssen, immer aufs neue, alle Anfechtungen des Zeitgeistes auch im gläubigen Herzen austragen und mitleiden müssen. Vielleicht sagen etliche unserer behüteten und frömmeren Brüder: weil auch wir angekränkelt sind; sei es - wir meinen, daß wir die Wirklichkeit und Mächtigkeit des "Zeitgeistes" auf Schritt und Tritt erleben (- selbst wo wir wissen, daß dahinter Trug und Schein stehen -), weil wir lebendige Glieder eines kämpfenden, bedrängten Ganzen sind. 
Ida Friederike Görres (1947)

19. Juni 2011

De Trinitate

Alle mir erreichbaren katholischen Erklärer der heiligen Schriften des Alten und des Neuen Testaments, welche vor mir über die Dreieinigkeit, welche Gott ist, schrieben, wollen gemäß der Schrift lehren, daß Vater, Sohn und Heiliger Geist, von einer und derselben Substanz, durch ihre untrennbare Gleichheit die göttliche Einheit bezeugen und daß sie daher nicht drei Götter sind, sondern ein Gott, wenngleich der Vater den Sohn zeugte und daher der Sohn nicht der gleiche ist wie der Vater, wenngleich ferner der Sohn vom Vater gezeugt ist und daher der Vater nicht der gleiche ist wie der Sohn, wenngleich endlich der Heilige Geist weder Vater noch Sohn ist, sondern nur des Vaters und Sohnes Geist, auch seinerseits dem Vater und Sohne gleich und zur Einheit der Dreieinigkeit gehörend. Nicht jedoch sei diese Dreieinigkeit aus Maria der Jungfrau geboren, unter Pontius Pilatus gekreuzigt und begraben worden, am dritten Tage wieder auferstanden und in den Himmel aufgefahren, sondern nur der Sohn. Auch sei nicht diese gleiche Dreieinigkeit in Gestalt einer Taube auf Jesus bei der Taufe herabgestiegen; auch habe sich am Pfingsttage nach der Himmelfahrt des Herrn, als sich vom Himmel her ein Brausen erhob, gleich als wenn ein Sturmwind dahinführe, und Zungen wie von Feuer sich verteilten, nicht diese gleiche Dreieinigkeit auf jeden von den Aposteln niedergelassen, sondern nur der Heilige Geist. Ferner habe nicht diese gleiche Dreieinigkeit vom Himmel her gesprochen: "Du bist mein Sohn", als Christus von Johannes getauft wurde und als er mit den drei Jüngern auf dem Berge war, oder als die Stimme erscholl: "Ich habe ihn verherrlicht und werde ihn wieder verherrlichen", sondern nur die Stimme des Vaters habe sich an den Sohn gerichtet. Dabei bleibe indes bestehen, daß Vater, Sohn und Heiliger Geist, wie sie untrennbar sind, so auch untrennbar handelten. Das ist auch mein Glaube, weil es der katholische Glaube ist. 

Hl. Augustinus: De Trinitate

18. Juni 2011

Psychologie des Abfalls

Es gibt das "Erwachen der Kirche in den Seelen". Es gibt auch das "Sterben der Kirche in den Seelen". Wir erleben es rund um uns, mitten unter uns, selten als plötzlichen Zusammenbruch unter dem Blitzschlag einer Katastrophe, ... sondern als das langsame, schleichende, unmerkliche Sterben an Erkältung und Verarmung, an geistlicher Unterernährung und Verhärtung. Das schleppt sich so hin, bis die Kirche ihnen nur mehr als ein Äußerliches und Fremdes, drückend, fordernd, herausfordernd gegenübersteht, nur mehr Organisation, Zwang, Machtgebilde - auch dort, und das ist wichtig, wo sich noch kein Zweifel an ihrer Lehre erhoben hat. Dann erst sucht der Mensch nach Angriffspunkten, die er nur zu leicht von allen glaubensfeindlichen Seiten geliefert bekommt, um die unbehaglich bis unerträglich gewordenen Autorität ins Unrecht zu setzen, zu entkräften, als ungültig zu entlarven und wenigstens für sich mit gutem Gewissen abzusetzen.
Ida Friederike Görres, 1947

1. Juni 2011