"Minimum quod potest haberi de cognitione rerum altissimarum, desiderabilius est quam certissima cognitio, quae habetur de minimis rebus."

"Das Geringste an Erkenntnis, das einer über die erhabensten Dinge zu gewinnen vermag, ist ersehnenswerter als das gewisseste Wissen von den niederen Dingen"

(Thomas von Aquin: I, 1, 5 ad 1)

27. Juni 2011

Knechtschaft

Mobiltelefonierer stehen pausenlos unter Aktivitätsdruck, ununterbrochen werden sie zu unterschiedlichsten Zeitverdichtungsakrobatiken genötigt, bis sie schließlich im Beschleunigungsgefängnis des „nie genug“ landen. Jene, die
überall erreichbar sein wollen, die sich immerzu auf dem Sprung befinden um schnell mal zu telefonieren, sie alle setzen sich einem permanent hohen Aufmerksamkeits- und Stressniveau aus. Als Aktivisten der schnurlosen „Freiheit“ rechnen sie jederzeit damit, abrupt unterbrochen bzw. gestört zu werden. Um ihre Sprunghaftigkeit abzusichern und nicht permanent zu aufwändiger Neuplanung gezwungen zu werden, verzichten sie auf möglichst viele langfristig verbindlichen Festlegungen, auf stabile Beziehungen und verlässliche Freundschaften. Als treue und fixe Dienstboten ihrer Geräte „schalten“ sie sich, gemeinsam mit diesen auf “Stand-by“ und belasten ihren Energie- und ihren Zeithaushalt durch ein kontinuierliches „Erreichbarkeitsmanagement“. Auf die Freiheit, souverän über ihre Zeit entscheiden zu können, pfeiffen sie und bevorzugen dafür ein serviles Knechtschaftsverhältnis zu den Gerätschaften. So mündet die durchs Mobiltelefon gewonnene vermeintliche „Freiheit“ schließlich in der Sucht des „Immer zu Diensten“. Die sich gerne selbständig und entscheidungsfreudig präsentierenden Nutzer mutieren dabei zu Dienstboten und Stundenkulis ihres transportablen Equipments. Das Freiheitsversprechen wird zur zwanghaften Befreiung, die Souveränität zur instrumentell dressierten Freiheit. „Die Natur“, so NIETZSCHE pessimistisch, „hat den Menschen in lauter Illusionen gebettet. – Das ist sein eigentliches Element.“


Immer schon waren die technischen Utopien der Moderne von der Verheißung eskortiert, endlich „Herr im Hause“ werden zu können. Das Gegenteil ist eingetreten. Allesamt wurden wir zu Knechten falscher Versprechen. Das Leben ist, wie jeder weiß, nicht einfacher, es ist komplizierter geworden, und Zeit wurde dabei auch nicht gespart, vielmehr wurde sie verloren.

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