"Minimum quod potest haberi de cognitione rerum altissimarum, desiderabilius est quam certissima cognitio, quae habetur de minimis rebus."

"Das Geringste an Erkenntnis, das einer über die erhabensten Dinge zu gewinnen vermag, ist ersehnenswerter als das gewisseste Wissen von den niederen Dingen"

(Thomas von Aquin: I, 1, 5 ad 1)

27. Januar 2012

Mozarts 256. Geburtstag

Mozart verliebt

Liebstes Weibchen, hätte ich doch auch schon einen Brief von Dir! Wenn ich Dir alles erzählen wollte, was ich mit Deinem lieben Porträt anfange, würdest du wohl recht lachen. Zum Beispiel, wenn ich es aus seinem Arrest herausnehme, so sage ich: »Grüß Dich Gott, Stanzerl! grüß Dich Gott, Spitzbub! Knallerballer! Spitzignas! Bagatellerl! schluck und druck!« Und wenn ich es wieder hineintue, so lasse ich es so nach und nach hinunterrutschen und sage immer: »Nu – Nu – Nu – Nu!«, aber mit dem gewissen Nachdruck, den dieses so vielbedeutende Wort erfordert, und bei dem letzten Schneller: »Gute Nacht, Mauserl, schlaf gesund!« Nun glaube ich so ziemlich was Dummes (für die Welt wenigstens) hingeschrieben zu haben, für uns aber, die wir uns so innig lieben, ist es gewiß nicht dumm. Heute ist der sechste Tag, daß ich von Dir weg bin, und bei Gott, mir scheint es schon ein Jahr zu sein. Du wirst wohl oft Mühe haben, meinen Brief zu lesen, weil ich in Eil und folglich etwas schlecht schreibe. Adieu, liebe Einzige! Der Wagen ist da, da heißt es nicht: bravo und der Nagen ist auch schon da, sondern male! Lebe wohl und liebe mich ewig so wie ich Dich; ich küsse Dich millionenmal auf das zärtlichste und bin ewig Dein Dich zärtlich liebender Gatte.

W.A.Mozart, Brief an seine Gattin. Aus Dresden vom13. April 1789

25. Januar 2012

Gerechtigkeit - Antichrist

... wenn Gerechtigkeit die höchste unter den natürlich-sittlichen Vollkommenheiten des Menschen ist, dann muß Ungerechtigkeit der schlimmste Verderb des sittlichen Menschen sein. Corruptio optimi pessima; wenn das Beste verdirbt, dann ist es am schlimmsten! Diese Kehrseite der Münze erst offenbart die Aktualität, die der Lehre vom Vorrang der Gerechtigkeit innewohnt; ich würde sogar sagen, es ist eine einigermaßen unheimliche Aktualität. – Die christlich-abendländische Vorstellung von der Geschichte (sie aber ist das eigentliche Feld von Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit) – diese Geschichtsvorstellung besagt ja, daß es, innerzeitlich betrachtet, nicht einfachhin mit einem Sieg der Vernunft, des Guten, der Gerechtigkeit ausgehen werde, daß vielmehr am Ende der zeitlich-irdischen Geschichte so etwas wie die Weltherrschaft des Bösen stehe. Dieser »Böse« aber, der Antichrist, der homo peccati, wird gedacht als die Verkörperung äußerster Ungerechtigkeit und zugleich als ein großer Asket und Heroe. Wer sich nicht damit vertraut gemacht hat, daß und warum der gute Mensch primär gerecht ist und also der böse primär ungerecht, das heißt, wer die Einsicht in die Rangordnung unter den Tugenden nicht zu eigen gewonnen hat, der muß durch die Erfahrungen, die sich in solchen Visionen ankündigen, notwendig in eine kaum zu bewältigende Verwirrung gestürzt werden. Vor allem wird er unfähig sein, die geschichtlichen Voraus-Figuren jenes Endzustandes überhaupt zu erkennen; er wird in völlig falscher Blickrichtung Ausschau halten nach den Mächten des Verderbens – und inzwischen richten sie vor seinen Augen ihre Herrschaft auf! 


Josef Pieper: Gerechtigkeit - heute (1973)

20. Januar 2012

Philoteia - mit Gott

Gewissenhaftigkeit und Sorgfalt, die unsere Arbeit auszeichnen sollen, sind wohl zu unterscheiden von Unruhe, Ängstlichkeit und Übereilung. Die Engel kümmern sich um unser Heil und erfüllen diese Aufgabe mit Sorgfalt, aber ohne Unruhe, Aufregung und Hast. Gewissenhaftigkeit und Sorgfalt sind Eigenschaften ihrer Liebe! Aufregung und Überhastung aber wären mit der Seligkeit der Engel nicht vereinbar. Gewissenhaftigkeit und Sorgfalt stören den Frieden und die Ruhe der Seele nicht, wohl aber Ängstlichkeit, Hast und aufgeregte Geschäftigkeit.
Sei sorgfältig und gewissenhaft in allen Obliegenheiten. Gott hat sie dir anvertraut und will, dass du große Sorgfalt darauf verwendest. Vermeide aber dabei jede Ängstlichkeit und Aufregung, d. h. verrichte sie ohne Unruhe, ohne ängstliche Besorgnis oder hitzigen Eifer. Verrichte deine Arbeit niemals hastig, denn jede aufgeregte Hast trübt Vernunft und Urteil; damit hindert sie uns, eine Sache gut zu machen, auf die wir solch blinden Eifer verwenden.
Der Heiland tadelte Marta mit den Worten: „Marta, Marta, du bekümmerst und beunruhigst dich um vieles“ (Lk 10,41). Siehst du: Hätte sie einfach ihre Pflicht erfüllt, dann wäre sie nicht in Aufregung geraten; da sie aber voll unruhiger Besorgnis war, tat sie ihre Arbeit hastig und verwirrt, und deswegen tadelte sie der Herr.
Flüsse, die in der Ebene ruhig dahin fließen, tragen große Schiffe mit reicher Fracht; ein Regen, der sanft auf das Feld nieder rieselt, macht es fruchtbar. Tosende Wildbäche dagegen und reißende Ströme überschwemmen das Land und sind für den Schiffsverkehr ungeeignet, wie auch Platzregen und Wolkenbrüche Wiesen und Felder verwüsten.
Nie ward gut getan, was mit Hast und Ungestüm verrichtet wurde. „Eile mit Weile“, sagt das Sprichwort. „Wer eilt“, sagt Salomo, „läuft Gefahr anzustoßen“ (Spr 19,2). Wir arbeiten rasch genug, wenn wir gut arbeiten. Die Hummeln machen mehr Lärm und gebärden sich geschäftiger als die Bienen, aber sie erzeugen weder Wachs noch Honig. So arbeitet weder viel noch gut, wer sich überhastet. Die Fliegen sind eine Plage nicht wegen ihrer Stärke, sondern wegen ihrer Menge; deswegen verwirren uns große Aufgaben weniger als eine große Zahl kleiner Geschäfte. Nimm sie alle in Ruhe hin, wie sie kommen. Bemühe dich, sie der Reihe nach zu erledigen, eins nach dem anderen. Wolltest du sie alle auf einmal ohne rechte Ordnung bewältigen, dann übernimmst du dich, ermüdest deinen Geist und wirst unter der Last erliegen, ohne etwas erreicht zu haben.
Stütze dich in allen Arbeiten völlig auf die Vorsehung Gottes; nur sie gibt deinen Plänen das Gelingen. Trage ruhigen Gemütes deinen Teil dazu bei und sei überzeugt, wenn du dein ganzes Vertrauen auf Gott gesetzt hast, wirst du den besten Erfolg haben, mag er nun deinem menschlichen Ermessen gut oder schlecht erscheinen.
Mache es wie die kleinen Kinder: Mit der einen Hand halten sie sich am Vater fest, mit der anderen pflücken sie Erdbeeren und Brombeeren am Wegrain. So sammle und gebrauche auch du die irdischen Güter mit der einen Hand, mit der anderen halte dich an der Hand des himmlischen Vaters fest. Schau immer wieder zu ihm auf, ob ihm dein Tun und dein Wandel recht ist. Hüte dich vor allem, seine Hand loszulassen und dich seiner Obhut zu entziehen, in der Meinung, du könntest dann mehr zusammenraffen. Hält er dich nicht mehr, dann wirst du keinen Schritt tun, ohne hinzufallen.

Hast du nur gewöhnliche Beschäftigungen, die keine gesammelte Aufmerksamkeit verlangen, dann schau mehr auf Gott als auf deine Arbeit. Hast du aber eine Arbeit, die deine ganze Aufmerksamkeit beansprucht, dann blicke wenigstens von Zeit zu Zeit zu Gott auf, gleich dem Seemann auf offenem Meer; um seine Richtung einzuhalten, schaut er mehr auf den Himmel als auf das Wasser, auf dem er dahinfährt. So wird Gott mit dir, in dir und für dich arbeiten, und deine Arbeit wird dir Freude bereiten.

18. Januar 2012

Arvo Pärt - Sanctus

Herzensgeheimnis

Der Grund, warum das Niveau der Heiligkeit bei uns so tief steht, warum unsere Erfolge so ärmlich, unser Blick für die Wahrheit so trüb, unser Glaube so unwirklich, unsere üblichen Vorstellungen so gekünstelt und äußerlich sind, liegt vielleicht darin, daß wir einander das Geheimnis unserer Herzen nicht anzuvertrauen wagen.  Wir haben alle das gleiche Geheimnis, wir behalten es für uns und fürchten, daß das die Ursache der Entfremdung wäre, was in Wirklichkeit ein einigendes Band sein könnte. 

Sel. J.H. Newmann  PPS V. 126s (150s)

17. Januar 2012

Demut

Wenn ein Christ allein mit der Erwartung auftritt, in der Welt Unruhe auszulösen, so muß man fürchten, daß er nicht so demütigen Sinnes ist, wie er sein sollte.


Sel. J.H.Newman PPS I,155(175)

9. Januar 2012

Summa summarum





















Sag, wie war' es, alter Schragen,
Wenn du mal die Brille putztest,
Um ein wenig nachzuschlagen,
Wie du deine Zeit benutztest.

Oft wohl hätten dich so gerne
Weiche Arme warm gebettet;
Doch du standest kühl von ferne,
Unbewegt, wie angekettet.

Oft wohl kam's, daß du die schöne
Zeit vergrimmtest und vergrolltest,
Nur weil diese oder jene
Nicht gewollt, so wie du wolltest.

Demnach hast du dich vergebens
Meistenteils herumgetrieben;
Denn die Summe unsres Lebens
Sind die Stunden, wo wir lieben.



Wilhelm Busch (+ 09.01.1908)

8. Januar 2012

Neuevangelisierung und das Geheimnis des Senfkorns

Für das Reich Gottes wie für die Evangelisierung im Dienst des Reiches Gottes gilt immer das Gleichnis vom Senfkorn (vgl. Mk 4,31–32). Das Reich Gottes beginnt immer neu unter diesem
Zeichen. Neuevangelisierung kann nicht besagen wollen: Sogleich die großen von der Kirche entfremdeten Massen mit neuen raffinierteren Methoden anziehen. Nein, das ist nicht die Verheißung der Neuevangelisierung. 

Neuevangelisierung bedeutet: Sich nicht zufrieden geben mit der Tatsache, dass aus dem Senfkorn der große Baum der universalen Kirche entstanden ist; nicht denken, es genügt, dass in seinen Zweigen die verschiedensten Vögel ihren Platz finden können, sondern es von Neuem wagen mit der Demut des kleinen Senfkorns, dabei aber Gott überlassen, wenn und wie es wachsen wird (vgl. Mk 4,26–29). Die großen Dinge beginnen immer beim kleinen Senfkorn, und die Massenbewegungen sind immer nur von kurzer Dauer.

Die Neuevangelisierung (1995), in: Joseph Ratzinger Gesammelte Schriften 8, hg. von Gerhard Ludwig Müller, Freiburg 2010, 1231–1242, hier: 1232 f.

DBK 5248, S.104