»Soweit wir heute bloß im Tage leben und die größere, verlängerte Tageform oder den Gegentag der dunkleren Geschichte – diese ihre göttliche gethsemanische Nachtwache gegen die Natur – nicht mehr wissen, erhebt sich die bloße politische Neugier. Die Vorgebote auf den Wegen der Geschichte aber sind halbblind, oder geteilt mit einer vertrauenden Blindheit und deshalb ohne eine Neugier, welche den Sinn in den täglichen Dingen befriedigen will.« Man sollte sich selbst und manchem Partner politischer Gespräche gegenwärtig halten, was in diesen Sätzen von Konrad Weiß ausgesagt ist. Man würde einesteils sich hingewiesen finden auf die Verborgenheit und Unfaßbarkeit dessen, was in der jeweilig heutigen Geschichte wirklich geschieht, und so nicht nur in die Möglichkeit gesetzt, den täglichen Andrang der Ereignisse mit größerer, tiefer verankerter Ruhe des Gemütes zu bestehen, sondern auch in den Stand, das einzelne und für den aus unmittelbarer Nähe Zuschauenden und Miterlebenden oft genug widrige Geschehen mit einer größeren, gelasseneren Gerechtigkeit, die dennoch nichts Un-Teilnehmendes an sich hätte, zu beurteilen.
(1943) Notizen Josef Pieper
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