"Minimum quod potest haberi de cognitione rerum altissimarum, desiderabilius est quam certissima cognitio, quae habetur de minimis rebus."

"Das Geringste an Erkenntnis, das einer über die erhabensten Dinge zu gewinnen vermag, ist ersehnenswerter als das gewisseste Wissen von den niederen Dingen"

(Thomas von Aquin: I, 1, 5 ad 1)

22. April 2012

Tag des HERRN

Ein spezifisch christlicher Feiertag allerdings, dies Dominica, »Tag des Herrn« ist der Sonntag nicht dadurch, daß er, als »siebenter Tag«, den alttestamentlichen Sabbat vollendet, sondern sofern er ein auf Christus bezogener Tag ist, Begängnis der Menschwerdung Gottes, die in der Auferstehung des Herrn zur vollen Frucht und Erscheinung gelangt. Der christliche Sonntag ist ein österlicher Tag, eine Ausstrahlung von Ostern.

Auch Ostern könnte, obwohl an diesem Tage ein geschichtliches Ereignis begangen wird, niemals ein wirkliches Fest und gar »›das Fest‹ der Kirche schlechthin« sein, wenn es nicht mehr wäre und nicht etwas anderes als ein bloßer Gedenktag. In Wahrheit handelt es sich um eine mysterienhafte Gegenwärtigsetzung dieses Ereignisses, die eine unvergleichlich realere Präsenz bewirkt, als die Erinnerung es je vermöchte (obwohl auch dies wahr ist, daß die Freude »erst in der Erinnerung vollkommen« wird). Der Grund und Anlaß auch dieses Festes ist, daß in dem Ereignis der Auferstehung Christi etwas seinen Anfang genommen hat, wodurch das Leben der Menschen seitdem und heute und in alle Zukunft jene unbegreifbare Erhöhung erfahren hat, die in der Sprache der Theologie »Gnade« und »Neues Leben« heißt. Und also wird auch in der österlichen Feier der Christenheit, gerade in ihr, eine Bejahung des Daseins im ganzen dargelebt und begangen, wie sie begründeter, umfassender und tiefgreifender gar nicht gedacht werden kann.

Das Geschenk der Erschaffung, die Verheißung vollkommener Glückseligkeit, die durch Menschwerdung und Auferstehung geschehene Mitteilung göttlicher Lebenskraft – alles das sind aber doch, so könnte einer sagen, Dinge, die, wenn die Christen recht haben, zu jeder Stunde das menschliche Dasein bestimmen. Warum werden sie dann nur hin und wieder, nur jeden siebenten Tag oder nur an den seltenen großen Festen »begangen«? Wie man sieht, kommt hier wiederum das Thema des »immerwährenden Festes« in Sicht. – Es könnte in der Tat das Fest als den besonderen, seltenen und ausnahmehaften Tag nicht geben, nicht jedenfalls als einen ohne Krampf und Gewaltsamkeit begangenen Tag, wenn nicht der festliche Anlaß immerfort bestünde und auch (als das Zuteilwerden von etwas Geliebtem) erfahren würde. Soll überhaupt ein herausgehobener bestimmter Tag als Fest gefeiert werden können, dann nur als das Manifestwerden eines niemals unterbrochenen, wenngleich in der alltäglichen Zeit verborgenen Festes. 


                                                     Josef Pieper: Zustimmung zur Welt

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