Nicht
selten haben mich junge Menschen, meistens mit leicht skeptischer
Verwunderung, gefragt, ob ich denn niemals irre geworden sei in
meinem Glauben an Christus, ob es da nie eine Schwierigkeit gegeben
habe. Solche Fragen machen mich eher nachdenklich als zu einer
prompten Antwort geneigt; und mancherlei geht mir dann durch den
Sinn. Zum Beispiel: daß hundert »Schwierigkeiten« noch keinen
einzigen Zweifel machen müssen; aber auch, daß Glaube erst ein
Anfang ist, der sich in der tätigen Liebe vollenden will, und daß
überdies einer immer noch glauben kann, wenn er die Liebe wie die
Hoffnung längst verloren hat; »sogar die Dämonen glauben – und
zittern«, sagt das heilige Buch der Christenheit. Dieser Gedanke mag
meinem Gesprächspartner, falls er ihn errät, recht gelegen kommen,
allzu gelegen vielleicht; und möglicherweise wird er sagen: ebendies
letztere meine auch er; was einer glaubt, das sei doch, im Vergleich
etwa zur »mitmenschlichen Solidarität«, gar nicht von Belang.
Dagegen würde hinwiederum ich zu bedenken geben, ob denn nicht
jedermann die Bemühung um die wissenschaftliche Erforschung der
Wirklichkeit für eine ebenso selbstverständliche wie notwendige
Sache halte; genau dies aber sei für mich auch der Glaube:
erkennender Kontakt mit der Realität – zu welcher nicht nur die
Welt gehöre und wir selber, sondern auch der lebendige Gott und das
Ereignis der Schöpfung, die Inkarnation, das Sakrament. Hier
unterbricht mich dann mit Sicherheit der ungeduldige Zwischenruf: Nun
ja, dies sei eben schon Teil des Geglaubten selbst; was man von mir
hören wolle, sei aber etwas ganz anderes, nämlich, ob ich in
solchem Glauben ohne ernsthafte Erschütterung unverwandt
festgeblieben sei und unbeirrt; und wenn ja – auf Grund von was?
Hierauf
kann natürlich niemand eine Antwort geben, die das Fragen, auch das
eigene übrigens, ganz und gar zur Ruhe bringt und stillt. Immerhin
würde ich sagen, und ich habe es hin und wieder gesagt: daß ich an
den zur Entscheidung nötigenden Wegkreuzungen meines Lebens,
glücklicherweise, immer jemandem begegnet bin, einem Freunde, einem
Ratgeber, einem Lehrer, einem Menschen jedenfalls, der, selber
überzeugt, auch mich zu überzeugen bereitstand – durch sein
Glaubenszeugnis, nicht notwendigerweise durch gesprochene oder
geschriebene Rede, vielleicht einfach durch das Beispiel dargelebten
Lebens, ohne ein ausdrücklich an mich gerichtetes Wort.
Und
wenn nun mein Gegenüber im weiteren darauf bestünde, zu erfahren,
was denn das von mir wahrhaft Geglaubte, auf den knappsten,
präzisesten Ausdruck gebracht, inhaltlich besage, dann würde ich
antworten mit einer Sentenz, die tatsächlich, vor mehr als fünfzig
Jahren, durch einen jener Freunde und Lehrer meinem Gedächtnis
unverlierbar eingeprägt worden ist: »Der unbegreifliche Gott,
aufleuchtend im Antlitz Jesu Christi, dessen Leib die Kirche ist.«
Dies Wort, übrigens gedacht als bündige Zusammenfassung der Lehre
des großen Humanisten Kardinal John Henry Newman, spricht ganz exakt
auch meine eigene Glaubensüberzeugung aus, welche das Fundament
meines Daseins geworden ist. Und ich hege die feste Zuversicht, daß
es mir niemals fraglich werden wird, wie auch die inständige
Hoffnung, der alte Gebetsruf möge Erfüllung finden, den ich nur mit
jener Sentenz verknüpft zu denken vermag: »Der Leib unseres Herrn
Jesus Christus bewahre uns alle zum Ewigen Leben!«
Josef
Pieper:Der
Weg und die Wahrheit und das Leben. Christus-Zeugnisse aus unserer
Zeit (1978)
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