"Minimum quod potest haberi de cognitione rerum altissimarum, desiderabilius est quam certissima cognitio, quae habetur de minimis rebus."

"Das Geringste an Erkenntnis, das einer über die erhabensten Dinge zu gewinnen vermag, ist ersehnenswerter als das gewisseste Wissen von den niederen Dingen"

(Thomas von Aquin: I, 1, 5 ad 1)

10. November 2012

Weg zu Gott

Heute richten wir unser Augenmerk auf die Erfahrung, daß jeder Mensch irgendwo ein inneres Verlangen nach Gott, nach dem Unendlichen in sich trägt. Der Katechismus sagt uns: »Nur in Gott wird der Mensch die Wahrheit und das Glück finden, wonach er unablässig sucht« (KKK 28). Dieses Verlangen kann der Mensch aus sich selbst nicht befriedigen. Er sucht nach dem Absoluten, aber sein eigenes Streben ist zu schwach, um von sich aus ans Ziel zu kommen. 

Die Erfahrung menschlicher Liebe öffnet eine neue Perspektive. In der Liebe übersteigt der Mensch sich selbst, »aus dem in sich verschlossenen Ich … zur Hingabe und so gerade zur Selbstfindung, zur Findung Gottes« (Deus caritas est, 6). Durch die Liebe erleben Mann und Frau, einer durch den anderen, auf eine neue Weise die Größe und Schönheit des Lebens und der Wirklichkeit überhaupt. Allerdings ist eine Bereitschaft des Herzens, eine innere Reinigung des Willens nötig, damit wir das Gute, das wir für uns selber wollen, für den anderen wollen, und so aus uns heraus, über uns hinaus zum Ganzen, letztlich zu Gott hinfinden. Das heißt, daß wir uns nie zufrieden geben dürfen mit dem schon Erreichten, weil wir wissen, daß nichts Endliches unser Herz erfüllen kann, sondern nur die »himmlische Berufung, die Gott uns in Christus Jesus schenkt«, wie Paulus im Philipperbrief (3,14) gesagt hat. 

Und schließlich braucht es die Reinigung und die Heiligung unseres menschlichen Verlangens, um mehr Abbild Gottes zu sein und im Einklang mit dem Willen des Vaters zu leben. So zeigt sich uns der Weg zu Gott, der mit einer inneren Unruhe anfängt, mit der Erfahrung des Schönen und Guten weiterführt und uns dann selber zur Reinigung zwingt, über uns hinausführt und zu Gott selbst hin öffnet, der seine Hand zu uns hin ausstreckt, der in Christus uns entgegengeht und uns zu sich hinaufzieht.

Papst Benedikt XVI, 7.11.2012

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