"Minimum quod potest haberi de cognitione rerum altissimarum, desiderabilius est quam certissima cognitio, quae habetur de minimis rebus."

"Das Geringste an Erkenntnis, das einer über die erhabensten Dinge zu gewinnen vermag, ist ersehnenswerter als das gewisseste Wissen von den niederen Dingen"

(Thomas von Aquin: I, 1, 5 ad 1)

27. Oktober 2012

Kennzeichen des Christen


Das Kennzeichen des Christen ist der christliche Glaube und das christliche Leben. Beide, Glaube und Leben, gehören wie Wissen und Wirken zueinander. Der christliche Glaube ist die Voraussetzung des christlichen Lebens, und das christliche Leben ist die Frucht und Vollendung des Glaubens. Christliches Leben ohne christlichen Glauben ist unmöglich, und christlicher Glaube ohne christliches Leben ist unfruchtbar.
Zwar scheint es heute, als sei christliches Leben möglich ohne den christlichen Glauben; es scheint, als könne eine christliche Ordnung des Lebens unabhängig vom lebendigen Glauben an Christus verwirklicht werden. Tatsächlich aber ist dieses äußerlich christliche Leben nur denkbar als Nießbrauch einer Erbschaft, als Zehren von dem überkommenen Erbe des lebendigen Glaubens unserer Väter, aus dem sie ihr Leben gestaltet und auch die Ordnung des Gemeinlebens geprägt haben. Dies Erbe aber ist in Gefahr, völlig aufgezehrt zu werden, wenn es nicht aus wiederum lebendigem Glauben erneuert wird. Darum heißt Christ sein in dieser Zeit: christliches Leben aus der Gnade eines neu angeeigneten und neu zu eigen gewonnenen Glaubens wieder von seinem Ursprung her zu verwirklichen. Der Christ »lebt aus dem Glauben« (Röm 1, 17). 

Josef Pieper: Christenfiebel (1936)

21. Oktober 2012

Heilige Kateri Tekakwitha- Die Lilie der Mohawks


Nach schriftlichen Aufzeichnungen von Jesuiten wurde Kateri im Jahr 1656 in der Mohawk-Siedlung Ossernenon im heutigen amerikanischen Bundesstaat New York als Tochter eines irokesischen Häuptlings und einer christlichen Algonkin geboren. Während die vorherige Generation noch ganz nach alten Traditionen lebte, wurde während der Jugend Kateris durch Missionare und Siedler das Leben der Indianer stark verändert.
Unter den Indianerstämmen grassierten zu dieser Zeit oft Pockenepidemien. Auch Kateris Familie wurde dadurch dezimiert. Beide Eltern und ihr jüngerer Bruder starben. Kateri überlebte zwar, erblindete aber beinahe (Tekakwitha heißt ‚die gegen Dinge stößt‘) und hatte ein stark durch die Pockennarben geprägtes Gesicht.
Kateri entschied sich gegen den Willen ihrer Verwandten für das Christentum und ein Leben der Jungfräulichkeit um des Himmelreiches willen, weshalb sie eine Verheiratung ablehnte. Sie wurde 1676 von dem Jesuitenpater Jaques de Lambertville getauft und daraufhin von ihren Angehörigen schwer misshandelt und geächtet. Sie floh in eine christliche Siedlung in der Gegend des heutigen Montreal, wo sie ein Gelübde ewiger Jungfräulichkeit ablegte. Sie arbeitete als Katechetin, besuchte täglich die Heilige Messe und kümmerte sich um Arme und Kranke. Durch Entbehrungen und asketische Lebensweise geschwächt, starb Kateri Tekakwitha am 17. April 1680 im Alter von nur 24 Jahren. Ihre letzte Worte waren laut der Überlieferung „Jesus – Maria – ich liebe euch“. Augenzeugen berichteten, dass die Pockennarben wenige Minuten nach ihrem Tod von ihrem Gesicht verschwanden.

18. Oktober 2012

Zürnkraft


Just im Hinblick auf die Überwindung der Zuchtlosigkeit des Genießens gewinnt übrigens die Kraft des Zürnens ein besonderes Gewicht.
Zwar sagt auch Thomas, daß eine akute Versuchung zur Unkeuschheit am ehesten durch Flucht zu besiegen sei [II, II, 35, 1 ad 4]. Aber er weiß auch, daß der Süchtigkeit eines entarteten Genußwillens durch bloße Verneinung, durch krampfhaftes »Nicht-daran-Denken« keineswegs beizukommen ist. Thomas ist der Meinung, Bejahung müsse stärker sein als Verneinung. Er ist der Meinung, daß die Entartung einer Seelenkraft von dem noch unversehrten Kern einer anderen Kraft her müsse geheilt werden können. So müsse es möglich sein, die schlappe Zuchtlosigkeit eines unkeuschen Genußwillens dadurch zu überwinden und sozusagen auszulöschen, daß eine harte Aufgabe mit der Widerstandsfreudigkeit der vollen Zürnkraft angegriffen werde [Ver. 24, 10].
Erst die Verbindung der Zuchtlosigkeit des Genießenwollens mit der faulen Unkraft zu zürnen ist das Kenn-Mal völliger und eigentlich hoffnungsloser Entartung. Sie zeigt sich, wo immer eine Gesellschaftsschicht, ein Volk, eine Kultur reif ist zum Untergang. 

Josef Pieper: Zucht und Maß, S. 189

17. Oktober 2012

IHM zuhören

So möchte ich ... eine Reihe von Katechesen darüber machen, was Glaube ist und wie wir glauben können, die Freude wieder wachrufen, daß wir Christus kennen und durch ihn Gott kennen. Kirche ist dazu da, daß sie uns hilft, Christus zu begegnen und so Gott selbst kennenzulernen. Dabei geht es nicht um die Begegnung mit einer Idee oder mit einem Programm, sondern mit einer lebendigen Person, die uns anrührt und innerlich umwandeln kann. Gott, der die Liebe ist, der sich in seinem Sohn für uns hingibt, zeigt uns, daß nur in der Liebe die Fülle des Menschseins besteht. Der liebende Gott schafft in uns die geeigneten Bedingungen, daß wir fähig werden, ihm überhaupt zuzuhören, seine Wahrheit als Wahrheit zu erkennen und in uns aufzunehmen. Die Kirche ist dazu da, diese Wahrheit zu vermitteln, deren Kern im Glaubensbekenntnis zusammengefaßt ist.