"Minimum quod potest haberi de cognitione rerum altissimarum, desiderabilius est quam certissima cognitio, quae habetur de minimis rebus."

"Das Geringste an Erkenntnis, das einer über die erhabensten Dinge zu gewinnen vermag, ist ersehnenswerter als das gewisseste Wissen von den niederen Dingen"

(Thomas von Aquin: I, 1, 5 ad 1)

10. März 2011

Benedikt XVI., der Glaubenslehrer

Diese Wucht eines wirklichen Geschehens macht auch deutlich, dass ein moralischer Zugang zum „Wesen des Christentums“ unzureichend ist. Bereits in seiner ersten Enzyklika „Deus caritas est“ (2005) hatte Benedikt XVI. bekräftigt: „Am Anfang des Christseins steht nicht ein ethischer Entschluss oder eine große Idee, sondern die Begegnung mit einem Ereignis, mit einer Person, die unserem Leben einen neuen Horizont und damit seine entscheidende Richtung gibt“ (Nr.1). Die Tatsache, dass Jesus das Gesetz und die Verkündigung der Propheten auf das Doppelgebot der Gottes- und der Nächstenliebe hinführt und die ganze gläubige Existenz von diesem Auftrag her zentriert „ist nicht bloße Moral, die dann selbständig neben dem Glauben an Christus und neben seiner Vergegenwärtigung im Sakrament stünde: Glaube, Kult und Ethos greifen ineinander als eine einzige Realität, die in der Begegnung mit Gottes Agape sich bildet“ (Nr. 14).

Das „Wesen des Christentums“ ist, so macht Benedikt XVI. deutlich, das Geschenk der Begegnung mit Gott, das Hineingenommensein in das Sein Gottes, die Berufung des Menschen zum göttlichen Leben, zur „theiosis“, das heißt zur „Vergöttlichung“ alles Endlichen, um gerettet zu werden, wie dies die Kirchenväter nannten, durch die treue und konsequente Nachfolge. Der Christ ist Christ, wenn er die „imitatio Christi“ konkret lebt und nicht nur kalten Theoremen Raum gibt, die allein der eigenen Befriedigung dienen. Das ist der Sinn der christlichen Reinheit: „An die Stelle der rituellen Reinheit ist nicht einfach die Moral getreten, sondern das Geschenk der Begegnung mit Gott in Jesus Christus“ (S. 77).

Diese Begegnung wird durch das „neue Gebot der Liebe“ geregelt, das sich nicht in der Bereitschaft zur Nächstenliebe erschöpft: „Wenn darin das Eigentliche und Ganze des ‚neuen Gebotes’ läge, wäre Christentum nun doch als eine Art von äußerster moralischer Anstrengung zu definieren“ (S. 80). Gewiss, „die liberale Exegese hat gesagt, Jesus habe den rituellen Begriff von Reinheit durch deren moralische Auffassung ersetzt: An die Stelle des Kultes und seiner Welt trete die Moral“. Aber: „dann wäre Christentum wesentlich Moral, eine Art moralischer Aufrüstung. Aber damit wird man der Neuheit des Neuen Testaments nicht gerecht“ (S. 75).



Buchbesprechung von A. Schwibach

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