Von der
fortitudo purgatoria, die für den Christen also im
allgemeinen die höchste erreichbare Stufe der Tapferkeit bezeichnet,
sagt Thomas: sie gebe der Seele die Kraft, nicht erschreckt zu werden
durch den Eintritt in die höhere Welt (»propter accessum ad
superna«). Das ist eine auf den ersten Blick sehr sonderbare
Aussage. Sie wird aber verständlicher, wenn man bedenkt, daß nach
der übereinstimmenden Erfahrung aller großen Mystiker am Anfang und
wiederum vor der letzten Vollendung des mystischen Lebens die Seele
wie in eine »dunkle Nacht« der Sinne und des Geistes ausgesetzt
wird, in der sie sich wie ein Ertrinkender auf hoher See verlassen
und verloren glauben muß. Johannes vom Kreuz, der doctor
mysticus, sagt, in dem »dunklen Feuer« dieser Nacht, die ein
wahrhaftes purgatorio sei und deren Qual jede selbstauferlegte
Bußübung, die etwa ein Asket sich ausdenken möge, unsagbar
übersteige, reinige Gott mit unerbittlich heilender Hand die Sinne
und den Geist von den Schlacken der Sünde.
Der Christ,
der in dieses Dunkel hineinzuspringen wagt und sich mit diesem
Sprunge aus seiner eigenen, auf Sicherheit bedachten Hand entläßt
und »losläßt« in die absolute Verfügung Gottes hinein,
verwirklicht also in einem ganz strengen Sinn das Wesen der
Tapferkeit; er geht um der Vollendung der Liebe willen auf das
Furchtbare zu; er fürchtet sich nicht, um des Lebens willen sein
Leben zu verlieren; er ist bereit, getötet zu werden vom Anblick des
Herrn (»Kein Mensch schaut mich und bleibt am Leben.« Ex 33,
20).
Von hier aus wird erst der eigentliche Sinn der
Ausdrucksweise »heroische Tugend« sichtbar: das Fundament
dieser Stufe des inneren Lebens, deren Wesen die Entfaltung der Gaben
des Heiligen Geistes ist, ist wirklich die Tapferkeit, die in einem
besonderen Sinne und erstlich und namengebend »heroische« Tugend,
und zwar die gnadenhaft überhöhte Tapferkeit des mystischen Lebens.
Die große Meisterin christlicher Mystik, Teresa von Avila, sagt, zu
den ersten Bedingungen der Vollkommenheit gehöre vor allem:
Tapferkeit. In ihrer Selbstbiographie steht der sehr bestimmt
formulierte Satz: »Ich behaupte, ein unvollkommener Mensch habe
dazu, den Weg der Vollkommenheit zu gehen, mehr Tapferkeit nötig als
dazu, plötzlich Märtyrer zu werden.«
Josef Pieper: Vom Sinn der Tapferkeit, S. 131f.
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