"Minimum quod potest haberi de cognitione rerum altissimarum, desiderabilius est quam certissima cognitio, quae habetur de minimis rebus."

"Das Geringste an Erkenntnis, das einer über die erhabensten Dinge zu gewinnen vermag, ist ersehnenswerter als das gewisseste Wissen von den niederen Dingen"

(Thomas von Aquin: I, 1, 5 ad 1)

31. August 2013

Leben in Freiheit


Wer – wie ... Jean Paul Sartre – konsequent leugnet, daß der Mensch creatura sei und daß es also überhaupt so etwas gebe wie eine aller eigenen Entscheidung vorausliegende menschliche Natur, der handelt sich dafür eine Bindungslosigkeit ein, welcher zwar, wenngleich natürlich nur vermeintlicherweise, das ganze Feld der Windrose von dreihundertsechzig Grad frei verfügbar ist, die aber zugleich gänzliche Orientierungslosigkeit ist – weil sich dem Menschen folgerichtig »keine Möglichkeit (zeigt), sich auf etwas zu stützen, weder auf etwas in sich selbst noch außerhalb seiner selbst«: »es gibt keine Zeichen in der Welt«.Es ist dies genau jene berühmte Art von Freiheit, zu der man nicht berufen, sondern »verurteilt« wird und die schon fast identisch ist mit der Verzweiflung. (»Dies Wort hat eine äußerst einfache Bedeutung; es will sagen, daß wir uns darauf beschränken, uns auf das zu verlassen, was von unserem Wollen abhängt.«) All dies ist, wiederum, ein ziemlich exaktes »Negativ« der Wahrheit, das nur der Übertragung in sein Gegenbild bedarf, damit für ein unvoreingenommen über die Tiefe menschlicher Existenz reflektierendes Denken deutlich wird, daß ein gegen Verzweiflung wie Orientierungslosigkeit gleichermaßen gefeites Leben in Freiheit nur dann möglich ist, wenn der Mensch die Vorgegebenheit der eigenen Natur, das heißt seine Kreatürlichkeit mit allen Konsequenzen, annimmt und bejaht. 

Josef Pieper: Kreatürlichkeit

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