"Minimum quod potest haberi de cognitione rerum altissimarum, desiderabilius est quam certissima cognitio, quae habetur de minimis rebus."

"Das Geringste an Erkenntnis, das einer über die erhabensten Dinge zu gewinnen vermag, ist ersehnenswerter als das gewisseste Wissen von den niederen Dingen"

(Thomas von Aquin: I, 1, 5 ad 1)

14. September 2013

Gott verbirgt das Glück im Leid


„Hier im Westen erlebe ich eine große Leidensscheu bei den Christen. Sie schämen sich sogar zu sagen, daß sie leiden oder Not haben. Aber wie sollen diese Christen die Tiefen und damit den Reichtum des Lebens überhaupt einmal erfassen können? Sie schämen sich, anstatt das Leben zu nehmen, wie Gott es gibt – sogar die Christen! Man hat noch nicht entdeckt, wie das Leiden den Menschen bereichert, verinnerlicht, wie es den Menschen menschlich macht. Aber es ist nicht nur Scham, es ist auch Unwille. Es ist eine Glücksphilosophie; der Mensch meint, er habe ein Recht auf Glück, und er weiß gar nicht, was er sich damit selber für ein Leid antut, denn dieser Rechtsanspruch auf Glück zerreißt ihn. Er ist wie ein auf die falsche Bank ausgeschriebener Scheck.

Es ist vielleicht gut, daß man das Glück sucht. Denn eigentlich sollten die Christen wirklich die glücklichsten Menschen sein. Aber wie man und wo man es sucht – darauf kommt es an. Die meisten mischen da von jedem etwas zusammen: Ein bißchen – nicht zu wenig! – Geld, etwas Fernsehen, etwas Reisen, etwas Kultur, etwas Wissenschaft, von allem etwas. Das Haben wird ganz groß geschrieben. Und so sucht man das Glück an der falschen Stelle. Man versteht nie, daß Glück mit dem Kreuz verbunden ist.

Gott verbirgt das Glück im bestehenden Leid, denn wer Leid annimmt, erlebt darin auch eine besondere Nähe zu Gott, die jedes andere Glück übersteigt.

Diese Erfahrung habe ich gemacht. Sie war leichter in Rußland zu machen, als das KGB mich verhaftete. Ich wußte, daß sie mich eines Tages verhaften würden. Aber dann kamen sie doch unerwartet, und eine ganze Welt tat sich mir auf, eine dämonische Welt, in der man schon siebzig Jahre alles Lebendige tötet, wo die Spezialisten des Mordens sind. Als man mir sagte: ‚Wir werden Sie in eine psychiatrische Klinik schicken‘, und ich hörte, wie man anrief und das Auto anforderte, da habe ich mir vorgestellt, daß mein Leben – nicht nur mein psychisches, sondern mein psychisches und geistiges Leben – wirklich an der Grenze zum Tode angelangt war. Nun war das Leiden da. Ich befand mich in einer Sackgasse. Das war unbeschreiblich schwer zu ertragen. Und dann habe ich gesagt: ‚Gott, wenn du willst, dann nimm sogar diese letzte Möglichkeit zu leben von mir.‘ Und ich kann sagen, daß mich augenblicklich eine ganz andere, eine neue Energie erfüllte, eine solche Ausstrahlung wirklichen Glücks, daß ich mich zu nichts mehr durchringen mußte – ich habe mich einfach geändert. Ich war ein anderer Mensch dort in jenem Zimmer, ein ganz anderer Mensch. Das war eine solche Gnade, wie ich sie niemals vorher erlebt hatte.

Man kann nur wünschen, daß alle Menschen das erleben. Ich glaube, es ist nicht das Leid – man könnte so viel leiden! Es ist einfach die Bereitschaft, das Leid anzunehmen, jenes Leid, das Gott einem in der jeweiligen Stunde zugedacht hat als Gnade. Man soll das Leid nicht suchen. Aber man soll es aufnehmen als Gnade, die einem von Gott geschenkt wird.“


2 Kommentare:

  1. Vielen Dank für die Erinnerung an Tatsachen, die man viel zu selten hört...

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    1. Ich denke man sollte solche Texte ausdrucken und und als Lesezeichen in der Lektüre verwenden, damit sie einem in Fleisch und Blut übergehen.

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