Haben
wir noch dieses Staunen, oder sind wir auch alt geworden darüber,
echt stoisch, daß wir über nichts mehr erstaunt sein können? Das
wäre es. Würden wir dieses Staunen haben, auf einmal würde der
Nebel heruntergehen von der Seele und auf einmal käme dieses
namenlose Glück in die Seele, diese namenlose Ruhe, weil GOTT da
ist! Dann würden wir sehen, daß auch wir die Augenblicke der
unmittelbaren Begnadigung, der unmittelbaren GOTT - Heimsuchung
haben. In dem Augenblick, wo ich das erste Mal GOTT einmal dafür
gedankt habe, - in dem Moment schließt ER das Tor nicht mehr zu. Es
hat jeder solche Augenblicke, muß nichts Besonderes sein.
Ein
Panzer-Offizier erzähl : Es war ein Ort im Niemandsland. Die Kirche
stand noch da. Ein Spähtrupp ist vorgegangen und hat sich dort
festgesetzt. Ein Leutnant ist in die Kirche hineingegangen, wo auch
noch die Orgel war. Und trotz strengem Verbot konnte er sich nicht
mehr halten, er ist hinaufgegangen, hat seinen Stahlhelm
heruntergetan und hat einen alten Kirchenchoral gespielt. Der ganze
Spähtrupp hat auf den Krieg vergessen, alle sind hinein und haben
gelauscht, einem standen die Tränen im Auge. Es war plötzlich
zwischen zwei Fronten ein Feiertag. Dann ist der Leutnant herunter,
hat den Stahlhelm aufgesetzt - und zwei Stunden darauf war er tot.
Ja, das ist so ein Erlebnis, durch die Umstände hingestellt.
Und
Sie glauben, daß wir keine solche Seele haben, der GOTT nahekäme?
"O, wie oft wollte ICH dich rufen, wie die Henne ihre Küchlein
sammelt. Du aber hast nicht gewollt. Du warst zu hochmütig, hast
anderes zu tun gehabt, hast gedacht, das ist Einbildung und alles
Mögliche." [Lk 13, 34]
Und
das nimmt der Herr so übel, diese Sünde, diese unmittelbare gegen
IHN, die nichts mehr mit dem Ethischen zu tun hat. Aber das, wogegen
wir notorisch sündigen, ist eine Sünde unmittelbar gegen IHN, und
die verzeiht GOTT so schwer; deshalb muß ER mich noch lange nicht
verdammen, aber ER kommt nicht mehr. Ach, "Wenn ihr nicht werdet
wie die Kinder!" Glauben Sie, daß ER einen Isaias, Ezechiel und
Moses braucht und Sein Kind, dem ER ein unauslöschliches Merkmal
eingeprägt hat, das schätzt ER nicht so ein?
Ach,
das ist die Paradoxie der GOTTheit, das ist die Paradoxie GOTTES, daß
ER mich braucht, daß ER mich sucht. Wissen Sie, das ist noch viel
staunenswerter als die GOTTES–Idee, das Absolute. Das kann man sich
bis zu einem gewissen Grad erdenken. Aber, daß ER mich sucht, daß
ER mich will, das ist der Unterschied. Schauen Sie, seine Pflicht
erfüllen und GOTT suchen als Sein Kind - in dem Augenblick, wo mir
das aufgegangen ist, in dem Augenblick, wo ich mein Kinder-Staunen
wiedergewonnen habe, wo ich alle Blasiertheit habe abgelegt, in dem
Augenblick bekommt mein religiöses Leben einen ganz neuen Rhythmus.
In
dem Augenblick werde ich sehen, daß mein Leben tatsächlich von
Wunder zu Wunder geht, und daß es wirklich einfach E R ist,
unmittelbar, daß ich noch lebe, daß ich nach IHM verlange, und
so wie ich jetzt bin, und daß ich getrost der Anschauung GOTTES
entgegen-sehen kann. Ich müßte das wieder haben, was das Kind hat.
Ein Kind hat bekanntlich ein zweites Leben. Es ist sehr schwer, in
dieses zweite Leben hineinzukommen, das kann eigentlich nur eine
Mutter. Sonst ist das Kind in seinem zweiten Leben vollkommen allein
und darum mißdeuten wir so vieles, weil wir es nicht mehr können.
So
haben wir ein zweites Leben und das schlagen wir tot. Und dieses
zweite Leben wäre dieses Kindsein GOTT gegenüber. In dem Moment, wo
der Mensch das hat, dann kommt ihm GOTT wirklich nahe und er lebt aus
GOTT, aber nicht mehr pflichtmäßig in einem Gesetz, sondern als
Lebensgesetz. Er kann sich GOTT und CHRISTUS und seine Erlöstheit
überhaupt nicht mehr wegdenken.
VB 1959
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