"Minimum quod potest haberi de cognitione rerum altissimarum, desiderabilius est quam certissima cognitio, quae habetur de minimis rebus."

"Das Geringste an Erkenntnis, das einer über die erhabensten Dinge zu gewinnen vermag, ist ersehnenswerter als das gewisseste Wissen von den niederen Dingen"

(Thomas von Aquin: I, 1, 5 ad 1)

15. Januar 2011

Schöpfung und Sakrament 1

In einem äußerst lebendig und ein wenig herausfordernd geschriebenen kleinen Buch über Thomas von Aquin macht G. K. Chesterton die Bemerkung, dieser große Lehrer der Christenheit müßte eigentlich Thomas a Creatore, Sankt Thomas von Gott dem Schöpfer, genannt werden. Dies würde in der Tat, wie ich glaube, eine zutreffende Kennzeichnung sein für die innerste Ausrichtung des Denkens des heiligen Thomas. Liebende Zustimmung zur Schöpfung in allen ihren Gestalten und Schichten gehört ganz sicher zu den principia seiner Lehre, von denen der berühmte Paragraph 1366 des Codex Juris Canonici spricht.


Diese bejahende Haltung zur Schöpfung, diese Anerkennung des Insgesamt aller wirklichen Dinge, ist zweifellos der Kern und die innerste Meinung von Thomas’ sogenanntem »Aristotelismus«. Dies und nichts anderes ist, zum Beispiel, die Wurzel und der Grund jener vertrauenden, großherzigen magnanimitas, die seine Ethik unterscheidend kennzeichnet. Ich würde sogar die Behauptung wagen, diese bejahende Haltung zum Ganzen der Schöpfung sei eines der gewichtigsten Kennzeichen, die ihn zum Doctor Communis Ecclesiae, zum »allgemeinen Lehrer der Kirche« machen. 

Mehrere Arten von Argumenten lassen sich anführen für diese Wirklichkeitshaltung, für diesen »Optimismus« (sozusagen). Das am meisten uns vertraute, das am ehesten selbstverständliche Argument ist, natürlich, die Berufung auf den Schöpfer selbst, der es bestätigt hat, daß die Welt, die er gemacht hat, »sehr gut« sei. Dies ist nicht das einzige Argument des heiligen Thomas. Immerhin, er bedient sich seiner ausdrücklich und häufig genug. Zum Beispiel, wenn Thomas den berühmten Satz »omne ens est bonum«; alles Seiende ist gut, in zahllosen Variationen formuliert, so ist die tiefste und äußerste Meinung all jener Sätze: jedes Wesen sei, als etwas Wirkliches, gewollt und sogar geliebt durch den Schöpfer; jede Kreatur empfange dies Geliebtsein zugleich mit ihrem Wirklichsein. Wieder und wieder spricht Thomas die Konsequenzen hiervon aus: »Alle Kreatur hat im gleichen Maße teil an der Gutheit, wie sie teilhat am Sein«; »alles, was ist, und sei es auf welche Weise immer – sofern es wirklich ist, ist es gut«; »die bösen Taten sind gut und von Gott – soweit das zur Rede steht, was sie an Sein besitzen«; »mag das Böse sich noch so sehr vervielfachen, niemals vermag es das Gute ganz aufzuzehren«; »das Gute vermag sich in reinerer Gestalt zu verwirklichen als das Böse; denn es findet sich wohl Gutes, dem nichts Böses beigemischt ist; nichts aber ist so sehr böse, daß ihm nicht etwas Gutes beigemischt wäre«; »es ist unmöglich, daß durch die Sünde das Gute unserer Natur völlig aufgehoben werde«. Der Bezug und die Berufung auf den Schöpfer ist schließlich in voller Ausdrücklichkeit formuliert in dem folgenden Text: »Wie das naturhafte Erkennen immer wahr, so ist das naturhafte Lieben immer recht. Denn die naturhafte Liebe ist nichts anderes denn die Hinneigung der Natur, eingepflanzt vom Urheber der Natur: es heißt also dem Schöpfer der Natur Schmach antun, wenn einer sagt, die Neigung der Natur sei nicht recht.« 

Die Rückbeziehung auf den Schöpfer ist, wie leicht zu sehen ist, das einzige legitime Fundament allen »Naturrechts«. Und es ist einfach eine Selbstverständlichkeit, daß vom Standpunkt einer supranaturalistischen Verneinung der Würde des Geschaffenen die Begründung und Verteidigung eines Naturrechts genau ebensowenig möglich ist wie, natürlich, vom Standort eines nihilistischen Atheismus aus, für den so etwas wie Schöpfung überhaupt nicht existiert. 

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