"Minimum quod potest haberi de cognitione rerum altissimarum, desiderabilius est quam certissima cognitio, quae habetur de minimis rebus."

"Das Geringste an Erkenntnis, das einer über die erhabensten Dinge zu gewinnen vermag, ist ersehnenswerter als das gewisseste Wissen von den niederen Dingen"

(Thomas von Aquin: I, 1, 5 ad 1)

18. Januar 2011

Schöpfung und Sakrament 2

Aber jene, auf der Lehre von der Schöpfung beruhenden Argumente sind für Thomas weder die einzigen noch auch die am meisten kennzeichnenden. Das gewichtigste und am meisten charakteristische Argument für die Haltung des heiligen Thomas zur natürlichen Schöpfungswirklichkeit, vor allem zur sinnfällig-sichtbaren Welt, wurzelt in seiner Sakramenten-Theologie. Man darf vielleicht sagen, daß schon der bloße Begriff »Sakrament« unausdrücklich besagt, es gebe eine natürliche, sichtbare Schöpfungswirklichkeit, welche gut ist in sich selbst. So daß, wann immer die natürliche Schöpfungswirklichkeit echte Zustimmung, Bejahung erfährt, eben hiermit schon eine gewisse Voraussetzung gegeben ist für ein rechtes Verständnis des Sakramentes überhaupt. Anderseits, von der Sakramententheologie her vermag die Anerkennung und Bejahung der Schöpfung neue Kraft und Bestätigung zu erfahren. 

Diese Verknüpfung zwischen der Sakramententheologie und der Bejahung der sichtbaren Weltwirklichkeit ist sehr früh in der Geschichte der Kirche gesehen und formuliert worden. Zum Beispiel betont Irenäus, in seinem Buch wider die Häresien, mit großem Nachdruck die Tatsache, daß es die Erstlings-Früchte der Schöpfung seien, welche wir in der Eucharistie-Feier darbringen. Ausdrücklich sagt er, daß beim letzten Mahle der Herr »von dieser Welt der geschaffenen Dinge« das Brot genommen habe und gleichfalls »aus dieser unserer Schöpfungswelt« den Kelch – wodurch der Herr die Jünger habe lehren wollen, von den geschaffenen Dingen Gaben darzubringen, »nicht als bedürfe Gott ihrer, sondern damit sie selber nicht undankbar seien«. Dieser Satz des Irenäus bedeutet nichts anderes, als daß des Menschen Dankbarkeit für die natürlichen Gaben der sichtbaren Schöpfung zu ihrem höchsten Ausdruck gelange präzis in der Feier der Sakramente. Er sagt es wieder und wieder, daß es das Gesamt der Schöpfung sei, welches Christus Gott darbringe als Opfer. 

Irenäus steht mit diesen Sätzen im Kampf gegen die spiritualistische Verneinung der sichtbaren Welt, wie sie in der Gnosis formuliert war. Mit völliger Klarheit sieht er, daß es unmöglich ist, zu einem wahren Verständnis des Sakramentes zu gelangen, wenn man nicht zugleich und zuvor die Würde und die Gutheit der sichtbaren Welt anerkennt. Es ist die Wirklichkeit dieser vor Augen liegenden Erde, die, kraft des Wortes Gottes, solchermaßen erhöht und erhoben wird, daß sie zu Fleisch und Blut des Herrn werden kann. 

Man mißversteht also die »Weltlichkeit« des heiligen Thomas, wenn man nicht ihre theologische Wurzel erkennt oder, genauer gesagt, wenn man nicht wahrnimmt, daß diese »Weltlichkeit« in der Sakramenten-Theologie ihren Grund hat. Es ist die tiefe Verehrung gegen das »Ur-Sakrament«, gegen den menschgewordenen Logos selbst, aus welcher jene großherzige »Weltlichkeit« sich herleitet. So vermerkt Thomas in seinen Erläuterungen zum Johannes-Evangelium, daß es seltsam erscheinen könnte, zu sehen, wie Johannes gar nicht von der menschlichen Seele Christi spreche, sondern nur vom »fleischgewordenen« Wort. Und Thomas fragt sich, warum Johannes so ausschließlich vom »Fleisch« gesprochen haben möchte. Er antwortet sich selbst mit mehreren Argumenten. Das erste ist dieses: Johannes habe die Wirklichkeit der Inkarnation erweisen wollen gegen die Lehre der Manichäer, die behaupteten, das göttliche Wort könne unmöglich einen wirklichen Leib angenommen haben, weil es wider die Gutheit Gottes sein würde, diese »Schöpfung des Satans« anzunehmen. Dies also sei der Grund, weswegen Johannes ausdrücklich und besonders vom »Fleisch« spreche: um die Meinung auszuschließen, der Leib sei vom Bösen. 

1 Kommentar:

  1. Freue mich über jedes Wort vom oder über den Allgemeinen Lehrer!
    Vielen Dank für die Serie.

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