"Minimum quod potest haberi de cognitione rerum altissimarum, desiderabilius est quam certissima cognitio, quae habetur de minimis rebus."

"Das Geringste an Erkenntnis, das einer über die erhabensten Dinge zu gewinnen vermag, ist ersehnenswerter als das gewisseste Wissen von den niederen Dingen"

(Thomas von Aquin: I, 1, 5 ad 1)

26. August 2010

Interludium

Vor etwa zwei Jahren machte mich ein Bekannter auf das Buch "Mein 33. Jahr" von Pfarrer Gerhard Fittkau aufmerksam. Dafür bin ich ihm bis heute dankbar. Es ist ein zugleich erschütterndes und für mich auch beschämendes Zeugnis gelebten katholischen Glaubens in Zeiten extremster Bedrängnis. Wie leicht beginnt man wegen verhältnismäßig kleinen äußeren und inneren Bedrängnissen ins Schleudern zu geraten. Ich dachte mir damals, wie viel an katholischer Glaubenssubstanz wir  bis in unserer Tage verloren haben. Für wen die Möglichkeit besteht das Buch zu lesen, sollte er diese beim Schopf packen.

" ... euch im Glauben zu stärken und aufzurichten, daß niemand im Glauben sich irremachen lasse in den gegenwärtigen Bedrängnissen. Ihr wißt ja: hierzu sind wir da."  1Thess 3,2 f


Zu Beginn meines dreiunddreißigsten Lebensjahres hatte ich die heilsamen Demütigungen sieben magerer Kaplansjahre durchlaufen und wurde selbständiger Pfarrer von Süßenberg, einer kleinen ermländischen Gemeinde in Ostpreußen. Als ich in meiner neuen Würde auf dem Kirchberg von Süßberg Einzug hielt, wurde der heitere Altweibersommer des Herbstes 1944 schon durch die Wolkenschatten verdüstert, die von Osten heraufzogen. Trotzdem war es mir noch vergönnt, einige Monate zu verkosten, was meiner lieben Großmutter als vollkommene Erfüllung klerikaler Wünsche vor Augen geschwebt hatte: eine freundliche, kernkatholische Bauerngemeinde, eine alte, gut renovierte Kirche, ein wohnliches Pfarrhaus, ein entwicklungsfähiger Garten und eine geräumige Küche, die von meiner Schwester aufs beste versorgt wurde.  Was danach geschah, ging zwar nicht über die Aussichten hinaus, die unsere geistlichen Lehrmeister uns vorgestellt hatten. Doch jene Verheißungen hatten niemals den Rahmen erbaulicher Betrachtung gesprengt, bis wir sehr real in die blutigen Fußstapfen unseres göttlichen Meisters gestoßen wurden.  Gewiß ist das, was ich mit meinen Pfarrkindern am Ende des Krieges erlebte, nichts Einzigartiges, sondern das gewöhnliche Leid ungezählter Menschen, die von den Mächten der Finsternis überfallen und durch das Tal des Todes getrieben wurden. Wenn ich trotzdem die Geschichte dieses entscheidenden Jahres meines Priestertums niederschreibe, so geschieht es nicht, um jene anzuklagen, die uns zerschlugen, noch um für meine unglücklichen Landsleute Mitleid zu erheischen. Alle sind ja aneinander schuldig geworden. Ich will vielmehr versuchen, Zeugnis anzulegen für das, was Gott der Herr und während dieses Jahres der Heimsuchung erwiesen hat, als er uns in das "Vollalter Christie" führte. 

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