Musik und Stille –
diese zwei Dinge, so sagt C. S. Lewis, seien in der Hölle nicht zu
finden. Einigermaßen überrascht denkt man beim ersten Lesen: Musik
und Stille, das ist eine merkwürdige Verknüpfung. Doch dann
leuchtet einem die Sache mehr und mehr ein. Offenbar ist ja mit
silence, Schweigen, Stille, etwas anderes gemeint als jene
ungute Wortlosigkeit, die auch schon in der »hiesigen« gemeinsamen
Existenz ein Stück Verdammnis ist. Und was die Musik betrifft, so
fällt es einem nicht schwer, sich vorzustellen, daß im Inferno
an ihre Stelle der Lärm tritt, der »Höllenlärm«. – Aber
dann zeigt sich unversehens noch eine andere Seite des Sachverhalts,
daß nämlich Musik und Stille in der Tat auf einzigartige Weise
einander zugeordnet sind. Wie der Lärm zugleich mit der Stille jede
Verständigungsmöglichkeit zerschlägt, gleichermaßen Reden und
Hören (weswegen, nach einem Wort von Konrad Weiß, inmitten gerade
der lauten Zeit eine grenzenlose Verstummtheit herrschen kann), so
bringt, obwohl ja beileibe nicht lautlos, die Musik selbst, wofern
sie mehr ist als bloße Unterhaltung oder rauschhaft rhythmisierter
Lärm, eine bestimmte Art von Stille erst hervor. Sie macht ein
hörendes Schweigen möglich – hörend nicht allein auf Klang und
Melodie, wie eben jeder schweigen muß, der etwas »Lautendes«
erfassen will, sei dies nun der Herzschlag des Patienten oder ein
menschliches Wort. Nein, weit darüber hinaus, wird durch die Musik
ein größer dimensionierter Raum der Stille aufgetan, worin, wenn es
mit glücklichen Dingen zugeht, dann eine Wirklichkeit vernehmlich
werden mag, die höheren Ranges ist als die Musik.
Josef Pieper (1975)
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