Noch
einmal, wann berühren wir die Welt im Ganzen? Antwort: Zum Beispiel,
wenn wir die Zeichen bedenken, die uns in der Dichtung, in der Musik
und in allen bildenden Künsten vor die Augen gebracht werden. Auch
die Besinnung des Philosophierenden meint das Insgesamt der Welt. Vor
allem aber ist die religiöse Kontemplation zu nennen, das
betrachtende Sich-versenken in die Mysterien der Rede Gottes. –
Dies also seien, so lautet die Auskunft, Gestalten wahrhaft geistigen
Lebens – weil nur auf solche Weise das Auge der Seele sich öffne
zu der äußersten ihm möglichen Empfänglichkeit, welche allein dem
Ganzen der Wirklichkeit zu antworten vermag.
Es
ist freilich durchaus von einem Empfangen die Rede, von Vernehmen und
Schweigen und Sich-widerfahren-lassen und demnach von etwas, das
nicht so völlig in unsere Verfügung gegeben ist, wie die
männlichere Aktivität des weltforschenden Verstandes. Und so
besagen die Namen, mit denen die Menschensprache sich das Wesen von
Geist deutlich zu machen sucht, Hauch, Atem, Sturm, Quell und Flamme
– alle sagen vornehmlich dies: Geist fügt sich keiner
eigenmenschlich planenden Direktive; er entzieht sich der
willkürlichen Verfügung; er weht, wo er will.
Natürlich
meint all das nicht schon den »Geist«, den wir an Pfingsten feiern
– aber immerhin ein Abbild davon. Und wie sonst könnte unser
Verständnis sich dem »Heiligen Geiste« nähern, wenn nicht von
seinen uns zugänglicheren Bildern her, auf dem übrigens seit je
beschrittenen Wege also? Ich werde mir niemals einreden lassen, jene
sehr frühe Stimme des sechsten vorchristlichen Jahrhunderts, die
sagt: wie der Lebenshauch in unserem Leibe das Herrschende und Erste
sei, so auch werde die Welt im Großen von Hauch und Atem, vom
»Pneûma«, durchwaltet – niemals werde ich die gängige These der
Handbücher akzeptieren, jene Stimme meine das meteorologische Faktum
von Luft und Atmosphäre, und nicht auch, in irgendeinem Sinn, den
»Geist des Herrn, welcher den Erdkreis erfüllt«.
Von
ihm freilich wissen die heiligen Bücher der Christenheit eine weit
tiefere Auskunft zu geben: er sei nicht ein waltendes Etwas, sondern
ein Jemand, personaler Geist; nicht bloßes Wehen und Wogen, sondern
»Liebe« – wiederum ein Name, der eine nicht-verfügbare Gewalt
bezeichnet! Und auch das wird uns gesagt: des Menschen eigener Geist
vermöge sich des Ganzen der Welt nicht inniger zu versichern, als
wenn er sich von dieser göttlichen Dynamis durchströmen lasse. Was
nichts anderes bedeutet, als daß »Spiritualität« die äußerste
Verwirklichung geistigen Lebens sei.
Wie
also ist das »Fest des Geistes« zu feiern? – Auf diese Frage
können, was hier nicht gut ungesagt bleiben kann, zwei Antworten
gegeben werden, eine esoterische und eine exoterische. Und auch das
Folgende will ausgesprochen sein: daß dies nicht der Ort ist für
die esoterische Antwort, das heißt, für die im vollen Sinn
christliche Antwort. Alles bisher Gesagte führt nicht weiter als bis
an ihre Schwelle.
Die
anfangs genannte Verlegenheit aber, die jeden von uns immer wieder
einmal betroffen macht, birgt, wenn wir ihr nur nicht in eine
vorschnelle Beruhigung ausweichen, eine Hoffnung in sich. Wer nämlich
will sagen, wie fern oder auch wie nahe der wortlose Schmerzenslaut,
in dem unsere Ratlosigkeit sich ausdrückt, jenen »unaussagbaren
Seufzern« sein mag, von denen es in der Schrift heißt, sie seien
das Wirken des Geistes selbst?
J.
Pieper: Eine Pfingstbetrachtung (1955)
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