"Minimum quod potest haberi de cognitione rerum altissimarum, desiderabilius est quam certissima cognitio, quae habetur de minimis rebus."

"Das Geringste an Erkenntnis, das einer über die erhabensten Dinge zu gewinnen vermag, ist ersehnenswerter als das gewisseste Wissen von den niederen Dingen"

(Thomas von Aquin: I, 1, 5 ad 1)

17. August 2015

Staunen - Kind werden


Das, wie wir zu GOTT stehen sollen, ist eben wieder einfach die Lehrweise, die GÖTTliche Originalität CHRISTI! Wir wüßten es ja, wie wir zu GOTT stehen sollten. Uns sind manche Christliche Wahrheiten so gewohnt geworden, daß wir gewissen Begriffe nicht mehr ernst nehmen.

Den Begriff: "Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder" [Mt 18, 3] - da möchte ich nur einmal Testblätter austeilen, was stellst du dir darunter vor. "Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder, werdet ihr nicht in das Himmelreich eingehen." Da würden Vorstellungen herauskommen, wie wenn das Christentum ein großer Kindergarten wäre mit der Tante. Ist Ihnen das klar geworden: Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder? Wissen Sie, das ist die Genialität CHRISTI, alles auf so einfache Formeln zu bringen, daß sie nicht mehr deutbar sind für den, der nicht daraus lebt. Vielleicht sagen Sie auch, daß Sie wie Kinder werden müssen, sei ein alter Ladenhüter. Meinethalben! Ich komme immer mehr darauf, daß ich mit Absicht immer das gleiche rede. Es dreht sich nur um ein paar Begriffe, denn in diesem Bild "wenn ihr nicht werdet wie die Kinder" ist alles gesagt. Man kann sicher diesem Bild einen doppelten Sinn geben. Einen, der von der Bergpredigt herkommt, der andere aber ist fast noch abgründiger.

Was ist damit gesagt? Kind sein GOTT gegenüber? Das heißt zu tiefst nicht ein Geschöpf sein, sondern es bedeutet eine ganz bestimmte Fähigkeit, GOTT aufzufassen, eine ganz bestimmte Nuance des GOTTESbewußtseins, bedeutet also schließlich die Unmittelbarkeit des GOTTESerlebnisses. Warum sagt ER: Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder? Haben Sie sich schon gefragt am Schutzengelfest - das Evangelium von den Kindern, daß man sie nicht ärgern darf, weil ihre Engel das Angesicht des VATERS sehen [Mt 18, 10]. Braucht es da eine analoge Beziehung, warum gehören Kind und Engel zusammen?

Da stellt man sich vor, weil das Kind am meisten die Schutzengel braucht. Das ist wahr. Aber die gehören zusammen aus noch einem ganz anderen Grund. Sie gehören zusammen, weil sie beide die unreflektierte, unmittelbare, ja sozusagen unkritische GOTTESauffassung haben. Dabei möchte ich unkritisch nicht identifizieren mit ungeläutert - aber eine unmittelbare GOTTESauffassung ,in der Wissen und Glauben ineinander rinnen, weil das Kind eben das hat, was der alte Mensch nicht mehr hat, das Staunen. Wer sagt das? Niemand anderer als Plato und Aristoteles. Die zwei werden im Himmel ganz oben stehen, weil sie sich beide wund gesehnt haben nach GOTT. Uns wundert nichts mehr!

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 Hat sich heute eines darüber gewundert, daß wir kommunizieren konnten? Ist eines von uns vielleicht dermaßen erschlagen gewesen: Ich trau mich gar nicht hin, das ist ja GOTT! Hat eines von uns dieses Staunen gehabt? Und weil wir das nicht mehr haben, sehen wir gar nicht mehr, wie wir in unserer Seele von Wunder zu Wunder leben.

GOTT möchte ja in unsere Seele hinein, aber darauf käme es an, auf diese Unmittelbarkeit. Wir haben methodisch gelernt, den Anruf GOTTES, die Unmittelbarkeit GOTTES zu übersehen, darum erleben wir sie nicht mehr. Darum erleben wir auch nicht mehr die eklatanten Wunder in der Seele, daß GOTT plötzlich die Nebel zerreißt und ich schaue ... ach, wir sind nur selber schuld daran, an der Verflachung des Christentums. GOTT wartet andauernd! "ICH stehe andauernd vor der Seele und klopfe, aber sie ist zu hochmütig, sie läßt Mich nicht ein." [Offb 3, 20]

Habe ich einmal gelernt, auf GOTT hinzuhorchen, werde ich sehen, wie unmittelbar GOTT in die Seele hineinkommt. Dann hätte ich auch dieses namenlose Staunen, dieses Thaumatsein: Was, gibt es das auch? Gibt es das überhaupt? Wissen Sie, was muß das für ein GOTT sein! Ich begreife den philosophischen GOTT, ja! Ich begreife den GOTTESbeweis bis zu einem gewissen Grad, ja, aber ich begreife nicht einen GOTT, Der macht Geschöpfe und dann kümmert ER Sich so darum, daß ER sie erlöst mit Seinem Tode. Was muß das für ein GOTT sein!

Und dann will ER mich an Sich ziehen, daß ich IHN anschaue. Da werde ich doch gleich von Anfang an sagen : Herr, geh weg von mir, ich ich kann es nicht tragen. Ich kann es nicht, denn daß ich IHN anschaue, muß ER mich in Sich hineinheben. Ich verbrenne einfach sonst. Ist gar kein Zweife ! Was muß das für ein GOTT sein, der das Geschöpf erlöst! Was ist das für ein Rätsel?

Wir haben von GOTT und GOTTES Wesen auch nicht ein Tausendstel Prozent erkannt! Aber eines könnten wir haben und haben es nicht, dieses namenlose Verwundertsein und dieses namenlose Staunen. Statt dessen geben wir uns mit hochmütigen Gedanken ab, ob es einen GOTT gibt, ob ER gerecht ist usw. - Das ist es!

Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder! Jeden Tag neu aufstehen - was, ich soll heute den Herrn empfangen! Diese Unmittelbarkeit des Staunens, so wie ein Kind kommt und staunt und staunen kann, und es bekommt ein Licht in die Augen, sodaß es einfach Sonne ist, voll Staunen darüber, über irgendeine Blume, irgend etwas Schönes oder Neues.
VB 1959

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