"Minimum quod potest haberi de cognitione rerum altissimarum, desiderabilius est quam certissima cognitio, quae habetur de minimis rebus."

"Das Geringste an Erkenntnis, das einer über die erhabensten Dinge zu gewinnen vermag, ist ersehnenswerter als das gewisseste Wissen von den niederen Dingen"

(Thomas von Aquin: I, 1, 5 ad 1)

23. August 2015

Wie die klugen Jungfrauen

Ich muß mir ein Leben lang klar geworden sein, worum es sich eigentlich dreht. Und diese Frage beinhaltet selbst wieder zwei Teilfragen: Einmal das Gestelltsein vor das Gericht und zweitens das Bewußtsein, wie ich diesem Gericht gegenüberstehe. Die Lampe, sagt der Herr immer, soll brennen wie die der klugen Jungfrauen. Ich sagte heute schon, es ist etwas Merkwürdiges um diese primitive Formulierung des göttlichen Heilandes. Vergleichen Sie einmal doktrinär einen Matthäus mit einem Plato oder einem Plotin. Wie schlicht ist Matthäus, für viele zu schlicht. Warum? Weil sie weder die Gabe haben, noch sich gemüht haben, dahinter zu kommen.

Magdeburger Dom: Kluge Jungfrauen

 Wie leicht hört sich das an, daß die Lampe brennen muß. Wie oft habe ich das gehört, so oft, daß ich es gar nicht mehr ernst nehme. Sie brennt dann in dem Augenblick, wenn ich mich nicht getäuscht habe, da ich mich gestellt sehe GOTT gegenüber. Oder, nüchtern gesagt, wenn die Seele leiblos sich sieht und sich leiblos erkennt. Wir mögen uns über das Christentum giften, so viel wir wollen, über den Augenblick kommen wir nicht hinweg, ich muß mich einmal leiblos tragen können. Da hört der Scherz auf, das ist die Sache.
Über die primitivsten Wahrheiten müssen wir sprechen, und das Grundsätzlichste, das Einfachste, das Simpelste, das so simpel ist, daß ich es jedem Kind sagen kann: Was werde ich tun, wenn ich den Leib nicht mehr rufen kann, wenn die Seele dasteht. Man denke das einmal philosophisch zu Ende, wenn es da kein Christentum gibt, das ist einfach nicht zu tragen. Daher alle diese Umwege über die Mythen.
Wenn Sie das denken, können Sie gar nicht anders als danken: Herr, Vergelt's GOTT, daß ich Christ geworden bin."
Und lasse alles was mich an dieser Kirche stört, dummes Zeug sein. Das, was mich stört, darum dreht es sich gar nicht. Es dreht sich nur um Leiblosigkeit, um die Seele, die hineinschreitet in die Ewigkeit.
Welche Vorstellungen Sie sich nun darüber gemacht haben, meines Erachtens ist hierbei Zweierlei erfordert: Sich gestellt wissen vor GOTT mitten im Leben. Wir nehmen immer dieses Evangelium so lange unernst, bis wir am Sterbebett liegen. Auf einmal steht die ganze Hoheit GOTTES da. Da gibt es überhaupt keinen Ausweg mehr, ich muß eben durch. GOTT hat es uns erleichtert, indem ER uns als Mensch entgegen gegangen ist. Die heilige Menschwerdung war der Zweck der Erlösung; aber, wie die Theologen sagen, es wäre mit einem Willensakt getan gewesen und ER hätte wieder in die Ewigkeit zurückkehren können, sich zurückziehen können in den Schoß des VATRES. Das wäre, weil es GOTTES SOHN war, der diesen Akt gesetzt hätte, von unendlichem Wert gewesen.
Warum ist ER Mensch geworden? Rein aus Liebe, um uns diesen Weg voranzugehen. Und ich versichere Sie, dieses ganze Leiden und Sterben des Herrn können Sie historisch so und so erklären. Da ist kein einziger Akt da, der nicht von apodiktischem Wert wäre, d.h., gebt acht, in irgend einer Weise geht Ihr den gleichen Weg. Es ist etwas namenlos Tragisches um diese Sorge des Heilandes.
Was ich immer sage, von hundert sind neunundneunzig da, die vom Christentum nicht überzeugt sind. Der Eine ist wahrhaft überzeugt. ER hat den Gedanken der Sorge vorne hingestellt. Das ist nichts anderes als: Mein GOTT, Mein VATER, warum hast DU Mich verlassen? [Mt 27, 46] Überlegen wir es einmal ernst, ganz ernst: Wie nahe stehen wir der Erlösung? 


VB 1960

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