Die letzte Säule kirchlicher Existenz nennt Lukas „die Gebete“. Er redet in der Mehrzahl: Gebete. Was will er damit sagen? Wahrscheinlich denkt er dabei an die Teilnahme der frühen Jerusalemer Gemeinde an den Gebeten im Tempel, an den gemeinsamen Ordnungen des Betens. So wird etwas Wichtiges sichtbar. Beten muß einerseits ganz persönlich sein, mein innerstes Einswerden mit Gott. Mein Ringen mit ihm, meine Suche nach ihm, mein Dank für ihn und meine Freude an ihm. Aber es ist doch nie nur eine private Sache meines individuellen Ich, die die anderen nichts anginge. Beten ist wesentlich immer auch Beten im Wir der Kinder Gottes. Nur in diesem Wir sind wir Kinder unseres Vaters, zu dem der Herr uns zu beten gelehrt hat. Nur dieses Wir öffnet uns den Zugang zum Vater. Einerseits muß unser Beten immer persönlicher werden, immer tiefer den Kern unseres Ich berühren und durchdringen. Andererseits muß es sich immer von der Gemeinschaft der Betenden, von der Einheit des Leibes Christi nähren, um mich wirklich von der Liebe Gottes her zu formen.
So ist Beten letztlich nicht irgendeine Aktivität unter anderen, ein bestimmter Winkel meiner Zeit. Beten ist Antwort auf den Imperativ, der am Anfang des Hochgebets in der Eucharistiefeier steht: Sursum corda – die Herzen nach oben! Es ist das Hinaufgehen meiner Existenz auf die Höhe Gottes hin. Beim heiligen Gregor dem Großen findet sich dazu ein schönes Wort. Er erinnert daran, daß Jesus den Täufer Johannes „eine brennende und strahlende Leuchte nennt (Joh 5, 35)“ und fährt fort: „Brennend vor himmlischer Sehnsucht, strahlend durch das Wort. Damit also die Wahrhaftigkeit der Verkündigung gewahrt bleibe, muß die Höhe des Lebens gewahrt werden“ (Hom. in Ez. 1, 11, 7 CCL 142, 134). Die Höhe des Lebens, die gerade heute zum Zeugnis für Jesus Christus so wesentlich ist, können wir nur finden, wenn wir uns von ihm im Gebet immer wieder auf seine Höhe hinaufziehen lassen.
Papst Benedikt XVI
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