"Minimum quod potest haberi de cognitione rerum altissimarum, desiderabilius est quam certissima cognitio, quae habetur de minimis rebus."

"Das Geringste an Erkenntnis, das einer über die erhabensten Dinge zu gewinnen vermag, ist ersehnenswerter als das gewisseste Wissen von den niederen Dingen"

(Thomas von Aquin: I, 1, 5 ad 1)

13. März 2016

Kartage (1)

Die drei Tage, vor denen wir stehen, - Gründonnerstag, Karfreitag, Karsamstag, - sind die drei heiligsten Tage im ganzen Jahre. Und selbst Weihnachten, es mutet angesichts der drei heiligen Tage auch nur als Vorbereitung an. Und es gibt nichts im menschlichen Herzen, das nicht in diesen drei Tagen, Gründonnerstag bis Ostersonntag, lebendig würde; angesichts der Einsetzung des hochheiligen Altarssakramentes am Donnerstag, das hochheilige Leiden des HERRN und Sein Sterben am Karfreitag. Die Liturgie des Karfreitags, die das Eine voraus hat vor allen anderen Tagen des Jahres, daß sie unverändert aus der urchristlichen Zeit auf uns herübergekommen ist, ist tief ergreifend. Rührend ist die Feier der Entblößung und Verehrung des hochheiligen Kreuzesholzes. Wie die alten Christen das Holz des heiligen Kreuzes anbeteten und verehrten, weil ja an ihm das Heil der Welt gehangen ist, so verehren auch wir, genau mit der gleichen Innigkeit und dem gleichen Realismus das Holz des Kreuzes.
Was der Karsamstag uns bringt, das ist ja klar. Die ganze Kreatur wird im Auferstandenen auferstehen und geheiligt. Licht und Wasser und Erde - und so gehen wir als neue Menschen dem Ostersonntag entgegen.
In diesem Aufbau ist uns die Liturgie der drei Tage seit Kinderjahren wohl bekannt. Wenn wir die Mitfeier aber selber wieder ins Auge fassen, so ist folgendes zu sagen:
In zwei Stufen kann ich das Leiden und Sterben und schließlich das Auferstehen des HERRN feierlich begehen und verfolgen.
1.) Ich feiere mit und lasse das Erlebte erneut im Bewußtsein entstehen. Ich stelle mir erneut vor Augen, was alles geschehen ist. Ich suche das, was einmal war, in mir wieder lebendig zu machen und ich suche daran meine Vorsätze zu knüpfen für das praktische Leben. Das ist die eine Feier. Es gibt aber noch eine andere Art, das Leiden und Sterben des GÖTTlichen Meisters mitzufeiern.
2.) Ich feiere dieses heilige Geschehen in meiner Seele, in mir selber. Ich kann die eine Absicht haben, mich in mich zu verschließen und zusammen mit dem in mir wohnenden Dreifaltigen GOTT und CHRISTUS ein ewiges, unvergängliches Leben, Leiden und Sterben des GÖTTlichen Meisters begehen. Und wir sehen ohneweiters, dieses Gründonnerstag, -Karfreitag-, Karsamstag-Feiern, das gewinnt dann einen ganz anderen Sinn. Es ist ein Feiern, das wohl vom Realismus des Gedächtnisses wegrückt, ein überzeitliches wird, aber doch eben ein Mitfeiern, das niemals vergehen kann. Ich bin dazu berechtigt, die drei Tage zu feiern als das Leben und Leiden und Sterben des GÖTTlichen Meisters, das in mir sich nachvollzieht, weil ja der Zweck und der Erfolg des heiligsten Leidens nicht zu denken wäre, als ob der HERR mir lediglich etwas verdient hätte, das ER mir nun anbietet, nun an mich weitergibt, damit ich davon leben soll; damit ein Reicher den glücklichen Erben etwas hinterläßt; sondern, was der HERR in den Kartagen getan hat, das ist doch nicht einfach vom israelitisch-jüdischen Standpunkt aufzufassen. Es ist doch nicht einfach das: Nun sind wir erlöst, nun ist es so weit. Warum waren die Juden denn so enttäuscht? Nun war ja die Erlösung da. Diese Erlösung brachte doch etwas ganz anderes als sie sich dachten. Wir drücken das immer so aus: Die (2) Juden meinten das irdische Reich des Messias stehe wieder auf und deshalb waren sie enttäuscht über so einen Messias. Das ist wahr. Aber darin liegt es, in diesem Enttäuschtsein, was überzeitlichen Wert hat, was auch für uns von Interesse und wertvoll ist.
Nicht allein in dem Geschehen liegt sein letzter Sinn, sondern in etwas, was überzeitlich ist; nicht darum dreht es sich allein, daß es eben geschehen ist einmal, zu der Zeit, an dem Ort, sondern darum dreht es sich, daß es überzeitlich begonnen hat. Sehen wir die Erlösung mit den Augen der Juden und mit den Augen der Apostel. Was ist geschehen? Der HERR hat sie erlöst und ist auferstanden; und nun, dachten sie, haben wir die Früchte davon und die genießen wir. So kann man das Leben und Leiden ansehen, aber es ist nicht der letzte Sinn.
Worin eigentlich die heiligste Erlösung besteht, worin der letzte Sinn dessen liegt, was am Gründonnerstag anhebt bis zum Karfreitag, das ist überhaupt nicht erklärbar ohne die Heiligste Dreifaltigkeit. Der HERR konnte nicht die heilige Eucharistie einsetzen, ER konnte nicht das Abendgebet Seines Lebens beten, ER konnte nicht das Hochamt Seines Lebens feiern und Sich selber als Opferlamm für alle Zeiten und alle Menschen hingeben, ohne daß ER innerlich vereinigt gewesen wäre in Seinem Wesen und in Seiner Tat mit dem Heiligen Geist. Im Heiligen GEIST geschah alles. Und das ist eigentlich Erlösung, daß dieser Prozeß, dieser Vorgang, worin sich CHRISTUS für uns Menschen dem VATER opferte im HEILIGEN GEISTE, daß dieser Vorgang hier anhebt, um niemals mehr aufzuhören. Der Gegensatz von blutigem und unblutigem Opfer wird hier vollkommen in den Hintergrund gestellt. (Und nur weil der Protestantismus das vollkommen mißdeutete und übersehen hat, konnte er auch das Opfer verneinen.) - Was am Gründonnerstag und am Karfreitag war, war ein Anheben. Das war ein Beten und Opfern JESU CHRISTI im HEILIGEN GEIST, das von jetzt an nicht mehr aufhört.
Wir haben im Neuen Testament einen Brief, den wir ganz stiefmütterlich behandeln, weil die Exegeten ihn mit der Note bedachten, er ist nicht echt Pauli. Das ist der Hebräerbrief. Und trotzdem, wo sind diese Gedanken reiner und konzentrierter ausgesprochen als im Hebräerbrief? Wir dürfen niemals eine Karwoche vorübergehen lassen, ohne Abschiedsreden und Hebräerbrief zu lesen. Wenn ich in diese eingehe, dann gehe ich in den letzten Sinn der Karwoche ein. "Wir haben einen Hohenpriester, der immer für uns einsteht." [Hebr 17,17.24-25] Was heißt das: "Immer"? Das hat schon eine zeitliche Begrenzung und das ist der erste Karfreitag. Alles, was damals geschah, und was wir Gründonnerstag – Karfreitag - Karsamstag feiern, alles ist äußerliches Geschehen und ist nur dazu da, um den Grad der Liebe und des Opfergeistes uns vor Augen zu führen. Und selbst das Leiden des Karfreitags von zwölf bis drei Uhr, es ist nur ein schwacher Schatten dessen, was sich in der Erlöserseele JESU CHRISTI vollzog. Und darauf kommt es an. Nicht, daß wir bei einigen historischen Erklärungen hängen bleiben, - darauf kommt es an, daß wir eine Brücke in dieses innere Leiden und Opfer JESU CHRISTI, des Erlösers, finden. Alles, was geschieht an Liturgie und was wirklich geschah, ist Mantel, ist Außenseite gegenüber dem wahren inneren Leben und Opfer JESU CHRISTI, das jetzt ein für allemal entzündet wird.
Und so hat auch die Kirche es immer gesehen - und wir dürfen nicht an dem Äußeren hängen bleiben. Das Äußere darf nur so sein, wie wenn ich in einer Kirche oder in sonst einem Raum, (3) wo eine Orgel ist, einen Ton stark anschlage - die Metallpfeife muß zu singen beginnen. Und so darf alles nur ein Anschlagen sein, damit das Leben im HEILIGEN GEISTS in der Seele in irgend einer Form ins Bewußtsein heraufdringt, mir bewußt wird, und zu innigem Gebet mich veranlaßt.
Wir wollen die Kartage ganz innerlich feiern lernen. Innerlich, das heißt ja jetzt nicht in einem lebendigen Gefühl, in einem Nacherleben. Nein, ich soll in meiner Seele das wahre Opfer JESU CHRISTI nicht nacherleben, denn es geschieht auch dort. Denn meine Seele hat durch die Taufe Berührungspunkte gefunden, daß sie in das Opfer JESU CHRISTI eindringen kann. Ich kann in jene ganz andere Welt einen Zugang finden. Wozu bin ich getauft? Wozu habe ich das Siegel der Heiligsten Dreifaltigkeit? Wozu bin ich gefirmt?
Und so kommt es, daß die Kirche eigentlich am Gründonnerstag etwas ganz anderes sieht als was die Gläubigen immer sehen. Was ist uns der Gründonnerstag? Die Einsetzung der heiligsten Eucharistie. Das ist wahr. Ist das tatsächlich das, was die Kirche unter Gründonnerstag versteht? Gewiß, aber nicht das Letzte. Gründonnerstag ist Pfingsten, erster Teil! Nein, gar kein Teil. Pfingstsonntag verhält sich zu Gründonnerstag so wie Epiphanie zur Heiligen Nacht. Was zu Pfingsten geschieht, ist nur, daß der Tröster kommt, daß der Beistand da ist. Nehmen Sie die Abschiedsreden des HERRN zur Hand und schauen Sie, wovon redet ER eigentlich? Wir werden sehen, es ist schwer zu sagen, ob ER mehr vom GEISTE oder von Sich redet. ER läßt keinen Zweifel darüber, auch mein Leiden und mein Weg ist nur Werkzeug, alles kann nur geschehen, weil das Wehen des HEILIGEN GEIST    begonnen hat. Und weil wir es lebendig in uns haben, können wir Gründonnerstag und Karfreitag feiern.




Fortsetzung

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