"Minimum quod potest haberi de cognitione rerum altissimarum, desiderabilius est quam certissima cognitio, quae habetur de minimis rebus."

"Das Geringste an Erkenntnis, das einer über die erhabensten Dinge zu gewinnen vermag, ist ersehnenswerter als das gewisseste Wissen von den niederen Dingen"

(Thomas von Aquin: I, 1, 5 ad 1)

15. März 2016

Kartage (3)

Was die Kirche sich unter Gründonnerstag denkt, das faßt sie in einigen Orationen zusammen, namentlich in einer: Der Bischof weiht zuerst das Krankenöl, das ist jenes Öl, das eben für die "Letzte Ölung" dient. Es ist heiliges Öl, aber die Kirche hat es niemals als so konsekriert angesehen, wie das folgende, das Chrisma, das Öl, das aus Balsam und Oliven gemischt wird vom Bischof selber und das Öl, durch dessen Salbung die allerletzte Beschwörung des Teufels erfolgt vor dem Empfang des Taufwassers, das unmittelbar Vehikel ist für die Geist- und Macht-Übertragung bei der Bischofweihe. Das sieht die Kirche als jene Weihe an, wie es keine größere gibt, die in einer Präfation vollzogen wird, und die leitet die Kirche mit folgender Oration ein:
"Lasset uns beten zum HERRN, unserem allmächtigen GOTT, Der die unerfaßliche GOTTheit Seines eingeborenen SOHNES nach wunderbarem Ratschluß mit der wahrhaften Menschennatur unauflöslich vereinigt hat, und ihn unter Mitwirkung der Gnade des HEILIGEN GEISTES mit dem Öl der Freude vor seinen Genossen salbte, damit der durch die List des Teufels verderbte Mensch, der in einzigartiger Weise aus zweierlei Stoff zusammengesetzt ist, die ewige Erbschaft, die er verloren, wieder erhalte: ER möge diese aus verschiedenen Arten von Pflanzen bereiteten Flüssigkeiten mit der vollkommen gestaltenden Kraft der Heiligen Dreifaltigkeit segnen und mit dem Segen heiligen, und gewähren, daß sie mitsamt vermischt, ein Ganzes werden, und daß, wer immer äußerlich damit gesalbt wird, eine solche innerliche Salbung erlange, daß er, frei von allem Schmutze körperlichen Stoffes, voll Freude an dem Himmelreiche teilhabe. Durch denselben JESUS CHRISTUS, Seinen SOHN, unsern HERRN, Der mit Ihm lebt und regiert in Einigkeit des HEILIGEN GEISTES, GOTT von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen."
In dieser Oration ist so ziemlich die ganze Theologie darin. Es ergibt sich ganz deutlich aus dieser Oration,
1.) nur in der Salbung des HEILIGEN GEISTES hat die Jungfrau den SOHN empfangen und ist ER Mensch geworden und hat ER Seine Aufgabe als Erlöser empfangen.
2.) Und in der gleichen Salbung soll der Mensch erlöst werden, sodaß er sich Glück wünschen darf, diese neue Kreatur zu sein.
Und was hat diese Salbung für einen Sinn? Es soll eben die ganz neue Welt geschaffen werden. Die Welt, die Macht, das (5) Reich des HEILIGEN GEISTES. Jenes Reich, das in gar keiner Weise etwas mit Befleckung der Welt zu tun hat.
Nun sehen wir, was der eigentliche Sinn des Gründonnerstags ist. Der besteht zweifellos darin, daß er der erste Teil des zweiten Schöpfungsmorgens ist. Die erste Schöpfung, wir kennen sie und wir wissen, wie sie ausgegangen ist. Die zweite Schöpfung ist unbedingt die Schöpfung im HEILIGEN GEISTE - und für die Apostel, auch für JESUS CHRISTUS, ist am Gründonnerstag Pfingsten. Was Pfingsten ist, ist lediglich der glorreiche Vollzug dessen, was am Gründonnerstag war und am Karfreitag erst verdient werden mußte. GEISTsendung konnte nicht erfolgen. "ICH muß gehen, daß der Tröster kommt" [Joh 16, 5-7], das ist klar. ER mußte gehen, daß der Tröster kommt. Es mußte genuggetan sein. Aber glauben wir ja nicht, daß der sterbende Heiland den HEILIGEN GEIST "verdiente", und weil Genugtuung geleistet ist, können die Dämme bersten und der HEILIGE GEIST kann einströmen ewig in die Welt.
Diese Oration bezieht sich gerade auf Chrisma, weil das Chrisma die zwei Urfunktionen des neuen Reiches hat, daß die Sakralität, die an dem Reiche hängt, hiermit geschaffen wird. Was Sonne, Mond und Sterne und Leben ist auf Erden, das sind die sieben Sakramente in dem neuen Reich. Und weil das Chrisma gerade das Vehikel, der Träger ist - fast ist der Ausdruck 'Werkzeug" zu wenig - wodurch jeder einzelne Mensch eintritt ins Himmelreich, nämlich bei der Taufe. Durch die Chrisma-Salbung will die Kirche aber auch den letzten Anspruch des Teufels auf den Täufling zerstören. Die Kirche sieht die Nacht des Satans weitgehend und darum die Salbung mit dem Chrisma, daß er aus der ganzen Seele gebannt ist. Und darum diese Oration als Einleitung zu dieser Weihe. - Die Kirche kennt soviel Bedenken und Vorbereiten und Überlegen nur bei der Priesterwelhe, wenn sie sich immer wieder überlegt: Was tust du? Überlegen wir uns ja, was wir tun. Wir greifen jetzt ein in das Reich GOTTES. Durch dieses Chrisma soll genau das Gleiche geschehen, was in der irdischen Schöpfung geschah durch das:"Es werde"! Und köstlich heißt es zum Schluß: "Jeder, der immer gesalbt sei damit, soll eine solche Geistsalbung erlangen, daß er von jeder Berührung mit körperlichem Stoff in der Seele frei sei."
Also wir, an deren Leib einmal Chrisma geflossen ist, sollen überhaupt mit Welt gar nichts zu tun haben. Und dann sagt die Kirche: Und wem das zuteil geworden ist, der soll wissen, daß er das Himmelreich in sich trägt.
Das sind die Gedanken und Voraussetzungen zur Feier des Gründonnerstags. Weil nun durch Gründonnerstag dieses Hervorgehen des SOHNES aus dem VATER im HEILIGEN GEISTE gegründet und entzündet und ein für allemal in Bewegung gebracht wurde, darum ist das Erlösen des Messias nur möglich in diesem Vorgang, genau so gut, wie unsere Mitfeier nur in diesem Vorgange möglich ist. Das ist nicht einfach ein Mitfeiern, das ich mir anschaue, sondern das wir ein lebendiges Gebet nennen. Nur wenn wir betend drei Tage verharren, kann in uns Ostern werden.
Wir wollen uns morgen dann fragen, wie vollzieht sich nun in uns dieses Leben der Heiligen Dreifaltigkeit und wie nehmen wir daran in den Kartagen teil? Aus dem Geiste, der im Abendmahlssaale wehte und der die Abschiedsreden und das Hohepriesterliche Gebet des HERRN bestimmte, ergibt sich eines ganz eindeutig: Daß die Nacht des Gründonnerstag auf den Karfreitag und der Karfreitag selber nur denkbar ist als ein Geschehen, als die Erlösung, die sich vollzieht im Heiligen GEISTE. Man könnte mit demselben Recht die Einsetzung des Heiligsten Altarssakramentes und die Erlösung, das Erlöserleiden, eine Offenbarung des HEILIGEN GEISTES nennen.
Uns neuen Christen - neu in dem Sinn, daß wir eben nicht mehr dem Urchristentum angehören - ist das Gefühl für die wahre, christliche Wirklichkeit eigentlich abhanden gekommen. Wir leben furchtbar peripher; auf der Ebene des Ethischen, des Tuns, der Leistung; und wir sind überzeugt, daß wir uns eben dadurch die Vollkommenheit, die ewige Seligkeit verdienen. Oder, selbst wenn es so ist, daß wir aus einer tieferen Schau herkommen und nun das christliche Leben auffassen als ein Sich-hinein-Entwickel die wahre Wirklichkeit, in der Christentum und Christenleben schweben, die ist uns abhanden gekommen.



Fortsetzung

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