"Minimum quod potest haberi de cognitione rerum altissimarum, desiderabilius est quam certissima cognitio, quae habetur de minimis rebus."

"Das Geringste an Erkenntnis, das einer über die erhabensten Dinge zu gewinnen vermag, ist ersehnenswerter als das gewisseste Wissen von den niederen Dingen"

(Thomas von Aquin: I, 1, 5 ad 1)

16. März 2016

Kartage (4)

Wir wundern uns so stark, wie sehr Paulus so hohe und tiefe Töne der Mystik konnte anschlagen. Er mußte doch auf ein Verständnis rechnen und nun sehen wir, er spricht zu ganz gewöhnlichen Menschen, nicht zu Christen, die vielleicht Theologen gewesen sind. Daß die ihn verstanden und wir ihn nicht, das hängt damit zusammen, daß uns die tiefere Wirklichkeit dessen, was Christentum ist, abhanden gekommen ist. Nicht, als ob wir sie nicht trügen in unserer Seele - wie weit wir das Christentum verstehen, darum dreht es sich für die heilige Erlösung nicht - aber wir sind uns des tiefsten Grundes und der wahren Natur des Lebens, in der wir Christen drinnen stehen, nicht bewußt.
Wenn wir es von der Seite her ausdrücken, daß wir nicht von dieser Welt sein können und daß der HERR mit dieser Welt nichts zu tun haben will, so ist das nur von der Außenseite her gesehen. Das, worum es sich eigentlich dreht, diese Atmosphäre, in der wir leben, in der Christentum sich bewegt, eben jene Atmosphäre, die mit der Welt überhaupt nichts zu tun haben kann, weil sie in sich die Negation der Welt ist, ist der HEILIGE GEIST.
Wir haben das übernatürliche Gefühl dafür, wenn man das so ausdrücken darf, im HEILIGEN GEISTE zu stehen, eingebüßt. Wir können uns nicht vorstellen, daß wir Christen nicht irdisch seien. Es ist natürlich klar, daß eine so hoch entwickelte Kultur der Technik unbedingt abschatten muß in religiöser Beziehung, daß die Menschentypen zeitigen muß, und daß dieser Menschentyp das, was menschlich faßbar ist, als einzige Realität ansehen muß.
Das andere geht unbedingt verloren, das Gefühl datür, daß der Christ eigentlich im HEILIGEN GEISTE steht und daß all das, was ich tue, rede und bete, nur denkbar ist im HEILIGEN GEISTE. Daß, wenn etwas aus dem HEILIGEN GEISTE und dieser Atmosphäre herausfällt, es überhaupt übernatürlich und vom Christlichen her gesehen, tot, zwecklos und wertlos geworden ist. Lesen Sie die Abschiedsreden, es dreht sich immer um das Eine: "Ihr seid nicht von dieser Welt" [Joh 15, 18f]. Wie kann man nur den Versuch machen, der Kirche suggerieren zu wollen, sie soll weltnäher sein. Sie ist weltnahe genug in ihren Gläubigen, sie dürfte nicht weltnäher werden. Man dürfte ihr und ihren Gläubigen nur eines raten: Weltferner zu werden, um dem HEILIGEN GEISTE näher zu kommen.
Es steht jeder im HEILIGEN GEISTE, der Gnade hat, aber, daß er auch aus dem HEILIGEN GEISTE lebt, ist nicht gesagt. Und dann noch Weltnähe anstreben? Unchristlicher kann man nicht denken.
So spricht CHRISTUS überhaupt nur davon in den Abschiedsreden, was der GEIST zu tun hat und daß Sein blutiges Opfer das erste ist, was im HEILIGEN GEISTE gewirkt wird. Darum die Gründonnerstag-Nacht, die ist unbedingt die zweite Schöpfung, wo der HEILIGE GEIST wirklich zu wehen beginnt. Und nur deswegen, weil das ist, ist es überhaupt möglich, Karwoche mitzufeiern. Wenn das nicht wäre, dann unterschiede sich das Karwochen-Feiern von einem Film-Ansehen in gar nichts.
Karwoche mitfeiern ist nur möglich, wenn einer im HEILIGEN GEISTE schwebt, genau so wie der Meister im HEILIGEN GEISTE alles tat, was ER getan, litt und redete. Nur dann kann dieses Karwochen-Mitfeiern den Sinn eines wahren Gebetes haben. Diese Wirklichkeiten kommen uns gar nicht mehr zum Bewußtsein.
Paulus sagt: Ihr könnt den Namen JESUS nicht aussprechen, außer im HEILIGEN GEISTE [1 Kor 12, 3]. Ich gehe kommunizieren und meine, wenn ich nur zur Kommunionbank gehe, dann habe ich das Unterpfand der ewigen Seligkeit. Wie will man das anstellen? Ich kann nicht kommunizieren, wenn zwischen mir und dem Leib CHRISTI nicht der HEILIGE GEIST steht. Ich kann nur kommunizieren im HEILIGEN GEISTE. Uns den GEIST zu bringen, das war die Aufgabe der heiligen Erlösung und umgekehrt war die Erlösung selber schon ganz Werk des HEILIGEN GEISTES, das ER, der Beauftragte vom VATER, im Namen der HEILIGSTEN DREIFALTIGKEIT getan hat.
Wir müssen, wenn wir ein geläutertes Christentum in uns pflegen wollen - je geläuterter ich lebe, desto weniger Hindernisse habe ich, um wirklich zu GOTT zu kommen - gerade diese Wahrheit wieder als eine Wirklichkeit hinzunehmen lernen. Was hat der HEILIGE GEIST zu tun ? Wenn ich sage, es hat alles, selbst das Geringste, überhaupt nur Zweck, wenn ich im HEILIGEN GEISTE stehe, wie CHRISTUS auch, so ist damit das Letzte im christlichen Leben angedeutet; daß ich mit Hilfe des HEILIGEN GEISTES muß - unbedingt muß - in innere, wahre Beziehung treten zur
HEILIGSTEN DREIFALTIGKEIT. Mein Leben darf sich von dem Hervorgehen des SOHNES aus dem VATER im HEILIGEN GEISTE und dem Zurückstreben des SOHNES in den VATER eben durch den HEILIGEN GEIST überhaupt nicht trennen.
Das wahre Leben des Christen steht andauernd in der Durchhellung und Durchglutung dieser innergöttlichen Bewegung. Die HEILIGSTE DREIFALTIGKEIT teht nicht nur mir gegenüber, sondern ich bin in Sie hineingezogen, das ist ja Gnade. Dazu habe ich ja Gnade bekommen. Je mehr ein Christ in GOTT steht, desto mehr wird überhaupt sein Sprechen und Tun ein Mitsprechen und Mittun und Leben mit der Heiligsten Dreifaltigkeit. Das sind Wahrheiten, die dem ersten Christentum aus einem doppelten Grund viel näher standen wie uns. Einmal, weil sie eben so nahe bei den Aposteln standen, und die Apostel, besonders Paulus und Johannes, waren ja davon ganz voll. Das war es ja, was sie bekommen haben, 'accipite spiritum', was sie bereits erlebt haben im Abendmahlssaale. Dafür haben sie am Ostersonntag-Abend die ganze Bewußtheit bekommen. "Empfanget den GEIST"! [Joh 20, 22f] Und sie verstanden die Schrift. Da gingen ihnen auf einmal die Augen auf. Ja, inwiefern eben der HEILIGE GEIST durch die ganze Schrift durchwirkt und die Schrift ein Ausdruck des HEILIGEN GEISTES ist. Sie wurden aus der Ebene ihres enge gebundenen, israelitischen Standpunktes herausgerissen und hineingelegt in diese Ebene. Es fielen ihnen die Schuppen von den Augen. Und sie erkannten IHN am Brotbrechen. Warum erkennen wir IHN nicht am Brotbrechen? Sie waren auf einmal im HEILIGEN GEISTE und waren eins mit IHM.
Wir Christen, wir können nur eines tun, wenn wir vollkommen werden wollen, uns in der Richtung, auf dieses Ziel, auf diese Ebene hinzubewegen. Etwas anderes ist alles Askese und Ethik. Das allein ist das Wahre. Das sind die Wahrheiten der Gründonnerstag-Nacht. Das hat die Kirche von jeher gefühlt und gewußt. Daher die Ölweihe.
Und das Zweite, warum das Urchristentum das viel mehr kannte als wir: weil die Väter das andauernd gepredigt haben. Athanasius, Augustinus, Johannes Damascenus etc., die predigten überhaupt nur trinitarisch. Athanasius, wenn der zu seinen Ägyptern, diesen Kulis, redete, glaubt Ihr, daß die gelehrt waren? Und sie verstanden ihn. Da muß das Christentum auf einer ganz anderen Ebene gewesen sein, sonst könnte man sich nicht denken, daß das Christentum eine Periode des Martyriums durchmachte. Das war der GEIST. Und wenn ich einfach im HEILIGEN GEISTE drinnenstehe, da nehme ich auch das Martyrium auf mich. Und in der Ebene sind wir nicht mehr.
Wir haben ein vollkommen industriealisiertes Christentum. Glauben Sie, die Väter, dieser Johannes Damascenus, hat für Akademiker-Ostertagung gepredigt? Es waren Lastträger, Schiffer, Eseltreiber. Der redet DREIFALTIGKEIT vor dem Volk in Ausdrücken, die jetzt die Theologen als Doktorarbeit benützen. Das sollte uns zum Bewußtsein kommen in dieser heiligen Nacht. Da meinen die Menschen immer, daß sie vollkommen werden, wenn sie nur recht Aszese betreiben und fromm sind. Das ist alles Tun - das ist jüdisch. Ich kann nicht zu GOTT kommen und nicht in IHN hineinkommen, wenn mir das nicht einmal aufgegangen ist.
Sie lebten aus DREIFALTIGKEIT, was heißt das? Lebt jemand von uns aus DREIFALTIGKEIT? Zum letzten Mal waren es die Mystiker im Mittelalter. Tauler stellte einmal in einer Predigt, nicht in einem theologischen Traktat, die Frage, ob es möglich ist, ohne über CHRISTUS zu gehen, in die TRINITÄT zu kommen. Ich möchte wohl wissen, wenn heute das gepredigt würde, was die Leute sagen möchten. Die wußten noch, daß man nur in Trinität leben kann, wenn man Christ sein will. Du mußt hindurchgehen durch CHRISTUS den Gekreuzigten, und wenn du IHM dich angesprochen hast im HEILIGEN GEISTE, dann reißt es dich hinein in die TRINITÄT. Du darfst niemals CHRISTUS umgehen, auch nicht in deinem Beten.
Das waren die Letzten, dann war es verstummt. Dann haben diese kostbaren Wahrheiten das Tor hinter sich zugeschlossen und man sprach nicht mehr davon; man hat keine Ahnung mehr davon im christlichen Volk. Das kommt daher, weil die Kirche immer und immer die Auffassung hat, möglichst viele Leute zu gewinnen. - Die Forderungen herunterschrauben und Moral treiben, um möglichst viele zu gewinnen. O GOTT bewahre! Ich muß möglichst viele Christen erziehen! Eine Handvoll ist mehr wert als tausend Weltmenschen, die hin- und herhinken. GOTT wird uns diese Wahrheit noch lehren. Lassen wir uns nur Zeit.



Fortsetzung

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