"Minimum quod potest haberi de cognitione rerum altissimarum, desiderabilius est quam certissima cognitio, quae habetur de minimis rebus."

"Das Geringste an Erkenntnis, das einer über die erhabensten Dinge zu gewinnen vermag, ist ersehnenswerter als das gewisseste Wissen von den niederen Dingen"

(Thomas von Aquin: I, 1, 5 ad 1)

20. März 2016

Kartage (7)

Wenn wir uns nun fragen, wie dieses neue Leben aussieht, das uns GOTT an Ostern versprochen hat - wir nennen es das neue Leben der Ostergnade - und was wir am Karsamstag feiern, diese Erneuerung des Lichtes, des Wassers, die Erneuerung an Speise und Trank, das alles hat nur symbolisch Sinn für jene Erneuerung, um die es sich eigentlich dreht, nämlich dieses Leben, das uns gegeben werden soll; wenn wir darnach fragen, dann müssen wir diese Pfade einschlagen, die wir bereits zwei Abende zu deuten und zu finden suchten. Wir müssen darnach trachten, wirklich ein Leben in der Heiligen Dreifaltigkeit zu führen, oder, wir müssen die Sendungen, die aus dem VATER erfolgen im SOHNE und im HEILIGEN GEISTE, in uns aufnehmen. Wir müssen Gegenstand, Inhalt der gleichen Sendungen sein.
Was im eigentlichen Sinn nur in der Heiligen Dreifaltigkeit sich vollzieht, muß in uns vor sich gehen, ich muß dessen ein Stück sein. Es ist zu wenig gesagt, wenn ich sage, es muß in uns vor sich gehen, unser übernatürliches Ich muß ein Ausdruck dieser Sendungen sein. Wir müssen unbedingt in die Sprechgemeinschaft des SOHNES mit dem VATER hineingerissen werden. Es muß in uns ein Verstehen sein dessen, was der VATER zu sagen und dessen, was der SOHN zu antworten hat und unser Lieben muß in der Liebe des HEILIGEN GEISTES erfolgen.
Um das nun ausdrücken zu können, und gegen jede Mißdeutung in rein geschöpflichem Sinne eine Barriere, einen Damm aufzurichten, gebraucht die Kirche einen Ausdruck: Wir müssen hineingehen in die Freundschaft GOTTES. Das ist nicht vielleicht ein Ausdruck daß vielleicht ein Prophet gemeint wäre, der vielleicht das Privilegium eines Mystikers wäre. Das ist ein dogmatischer Ausdruck, der sich auf den Epheserbrief 2,19 stützt, daß die Begnadeten unbedingt etwas anderes müssen sein als Beisassen, Geduldete. Sie müssen sein Hausgenossen und Freunde!
Was versteht man nun im vollen Sinn unter diesem "Freund"?
Der HERR hat es ja auch in den Abschiedsreden schon gesagt."Von jetzt an darf ICH Euch nicht mehr Knechte nennen, Knecht GOTTES ist zu wenig, ICH muß Euch Freunde nennen." Und dieser Ausdruck "Freunde" ist infolgedessen von der Theologie im vollen Sinn genommen worden und es ist merkwürdig, daß das eines der Probleme war, das das Mittelalter am allermeisten interessierte. Was ist Freundschaft ?
Was verstehen sie nun unter Freundschaft? Freundschaft hat man im allgemeinen auf doppelte Weise zu erklären versucht und jede Erklärung läuft auf die eine hinaus.
Kommt man mit Thomas aus der Antike her, dann bezeichnet man Freundschaft als die innere Einheitskraft, darin zwei Menschen so eins werden, daß sie eine neue Basis finden von Vereinigung, die man nicht weiter erklären kann, die beiden unbedingt bewußt, lebendig bewußt ist und die etwas ist, was nur durch diese ganz geheimnisvolle Einheit, das Sich-Eins-Fühlen, erzielt werden konnte. Selbstverständlich ist hier vorausgesetzt, daß man Freundschaft in diesem Vollklang nimmt, was eben nur einzigartige Gabe von GOTT, direkt einer Sendung gleichkommt; nicht etwas, das ich mir wähle, was ich mir suche, sondern, was mir tatsächlich in den Schoß fallen muß.
Die andere Gruppe, zu der auch Franz von Sales gehört, sieht die Freundschaft mehr vom Psychologischen her, eine Beziehung, die polar schwebt zwischen dem Ich und Du. Daß ein Anderes überhaupt als Du, nämlich als das andere Ich angeredet werden kann.
Wenn wir nun Freundschaft so tief nehmen, und nur so zu nehmen hat es einen Sinn, dann ist es eine Verbindung, die noch tiefer geht als Ehe. Wenn dieses Ich- und Du-Verhältnis, diese höhere geistige Einheit nicht gefunden werden könnte, hat auch die Ehe keinen Sinn. Das ist nun die Freundschaft, deren sich Paulus im Epheserbrief bedient und die er als Ausdruck der GOTTESfreundschaft zugrunde legt.
Jedenfalls im einen und anderen Sinn genommen, liegt das Wesen der Freundschaft darin, daß nicht ein Ich und ein Er einem Es gegenüberstehen. Der Freund ist niemals ein Es, mit anderen Worten, ist niemals Gegenstand und Objekt, er ist immer das andere Ich, das Du, der oder das angesprochen wird. Ich kann immer nur zum anderen Du sagen, wenn er mir unbedingt kein Es ist. Ich kann nicht einen Gegenstand ansprechen, ich kann nur das andere Ich ansprechen. Und Freundschaft ist eben jenes ganz bestimmte, geistige Verhältnis, wodurch die andere Individualität, soweit als überhaupt möglich, der Andersheit entkleidet wird, sodaß ich mich tatsächlich im Anderen wiederfinde, wie Thomas das sagt, dieses ganz geheimnisvolle Band des Geistes, das beide verbindet und das man niemals befehlen kann.
Was wir gestern und vorgestern sagten, der Mensch wird nur dann wirklich Christ, wenn er tatsächlich trinitarisch lebt, d.h., daß er tatsächlich in diese Sendung hineingerissen ist, das kann man ganz kurz ausdrücken in dem einen Wort: GOTTESfreundschaft. GOTT darf mir niemals ein "Es" werden, ER darf nur immer ein "DU" sein. Das heißt, ER darf mir immer nur, von mir aus gesehen, ein Stück meines Wesens sein. Eigentlich müßte ich es umgekehrt sagen: Ich darf immer nur ein Glied, ein Moment in diesen Sendungen sein. Auch ich darf für GOTT kein Es sein. Die Welt ist für GOTT ein Es auf das ER sich in Seiner Tätigkeit, in Seiner Erhaltung, Ergänzung, in Seiner Schöpfung und in Seinen Segnungen, in Seinem Strafgericht, erstreckt. Es wird Ihnen klar werden, was damit gemeint ist, es mag auf den ersten Anhieb nicht leicht sein, in diese Gedankengänge der Theologie sich hinein zu denken.
Aber das Letzte, was man sagen kann, ist eben das: Weder darf ich für GOTT, noch GOTT für mich ein Es sein, sondern die beiden dürfen für einander nur ein Ich sein, das sich eben über das eigene Ich hinaus weitet. Selbstverständlich war das das Problem des Meister Eckehart schlechthin, und die bekannte Formel, die an Plastik und Schonungslosigkeit nichts zu wünschen übrig läßt, ist die: daß es leider so viele Menschen gibt, für die GOTT eine Melkkuh ist. Das ist ziemlich das Äußerste, was man als Gegensatz zur GOTTESfreundschaft sagt. GOTT wird so ein Mittel zum Zweck.
Ich werde alles eher auf mich nehmen, als daß ich den Freund zum Mittel mache, als daß ich mich in den Mittelpunkt hineinstelle. Das nannten die Alten: Den Liebeserweis des Wohlwollens, im Gegensatz zur Liebe der Begierlichkeit. Zwischen mir und GOTT muß die Liebe des Wohlwollens herrschen. Wenn ich einen Freund anders benützen wollte, dann muß ich die Hand davon lassen und überhaupt das Wort Freundschaft nicht in den Mund nehmen.
Sie sehen nun von einer anderen Seite her, es dreht sich um gar keine andere Frage, als um die der letzten Abende, nämlich um das wahre Leben des Christen. Das, was wir immer als Ostergnade und Osterliebe bezeichnen, ist zweifellos dieses Eine, daß wir aus diesen innertrinitarischen Sendungen heraus leben und wissen, daß das nicht etwas ist, das uns gegenüber steht, sondern, in das ich hineingerissen werde, dessen ich ein Glied bin. Glied ist etwas anderes als Teil. Die Säulen sind Teile des Gewölbes, aber keine Glieder. Und ich habe im eigentlichen Sinn des Wortes keine Körperteile, sondern Glieder. Und so muß ich ein Glied in diesem Vorgang sein. Das Glied ist wohl nicht das Ganze und dennoch ist es nicht erklärbar, ohne daß es in etwa das Ganze repräsentierte. Und so auch da. Ich muß gliedhaft in diesen innertrinitarischen Sendungen drinnenstehen. Die alten Christen würden sich baß verwundern über unsere christliche Mentalität, wie peripher die ist.


Fortsetzung

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