"Minimum quod potest haberi de cognitione rerum altissimarum, desiderabilius est quam certissima cognitio, quae habetur de minimis rebus."

"Das Geringste an Erkenntnis, das einer über die erhabensten Dinge zu gewinnen vermag, ist ersehnenswerter als das gewisseste Wissen von den niederen Dingen"

(Thomas von Aquin: I, 1, 5 ad 1)

13. April 2011

DIE GUTHEIT GOTTES

(In den nächsten Tagen hab ich vor aus dem Buch "Über den Schmerz" von C.S. Lewis den Text über die Gutheit GOTTES zu posten. Dies als Vorwarnung, da sich die Sache etwas hinziehen kann.)
Liebe kann ertragen, und Liebe kann vergeben... aber Liebe kann sich niemals mit einem ungeliebten Gegenstand abfinden.... Darum kann Er sich niemals mit deiner Sünde abfinden, weil die Sünde selbst unfähig ist, sich zu ändern; aber Er kann sich mit dir abfinden, weil du gesunden kannst. [Traherne]

In jeder Betrachtung der Gutheit Gottes droht sogleich folgendes Dilemma: Wenn einerseits Gott weiser ist als wir, so muß sein Urteil über viele Dinge sich von dem unsern unterscheiden, nicht zuletzt das über Gut und Böse; was uns gut erscheint, muß deshalb nicht auch in Seinen Augen gut sein, und was uns böse erscheint, nicht böse. - Anderseits, wenn Gottes Urteil über das Gute sich von dem unsern so sehr unterscheidet, daß unser » Schwarz « für Ihn »Weiß « sein kann, dann kann es auch keinen Sinn haben, daß wir Ihn gut nennen. Denn nachdem wir doch sagen, Seine Gutheit sei völlig anders als die unsere, hat der Satz »Gott ist gut« tatsachlich keinen andern Sinn als »Gott ist - wir wissen nicht, was«. Und eine uns völlig unbekannte Eigenschaft Gottes kann uns nicht dazu bewegen, Ihn zu lieben oder Ihm zu gehorchen. Wenn Er nicht [in unserm Sinn] »gut« ist, so werden wir, wenn überhaupt, nur aus Furcht gehorchen und wurden gleichermaßen bereit sein, einem allmächtigen Widersacher zu gehorchen. Sobald die Konsequenz lautet, daß, da wir gänzlich verderbt sind, unsere Vorstellung vom Guten einfach nichts wert ist - konnte es geschehen, daß sich das Christentum auf Grund der Lehre von der »totalen Verderbtheit« in eine Art Teufelsanbetung verkehrt.


Ein Ausweg aus diesem Dilemma zeigt sich, wenn wir bedenken, was im Bereich menschlicher Beziehungen geschieht, wenn ein Mensch von niederem moralischen Niveau in die Gesellschaft von Leuten kommt, die besser und weiser sind als er, und nun allmählich lernt, ihre Maßstäbe anzuerkennen - ein Vorgang, den ich zufällig ziemlich genau beschreiben kann, da er mir widerfahren ist. Als ich zur Universität kam, hatte ich fast keine moralischen Begriffe, so wenig wie ein junger Bursche nur haben konnte. Eine milde Abneigung gegen Grausamkeit und gegen Unanständigkeit in Geldsachen war das Äußerste; über Keuschheit, Wahrhaftigkeit und Selbstverleugnung dachte ich wie ein Pavian über klassische Musik. Durch Gottes Barmherzigkeit geriet ich in eine Gruppe junger Männer [von denen übrigens, nebenbei gesagt, keiner Christ war], die mir durch Geist und Phantasie so verwandt waren, daß sofort eine nähere Beziehung entstand. Sie nun kannten das Sittengesetz und versuchten, es zu beobachten. So war ihr Urteil aber Gut und Bose sehr verschieden von dem meinen. Was nun in solch einem Fall geschieht, ist nicht im geringsten so etwas wie eine Aufforderung, als »weiß« anzusehen, was man his dahin »schwarz« genannt hatte. Die neuen moralischen Urteile dringen in die Seele niemals als bloße Umkehrungen früherer Urteile ein [obgleich sie diese tatsächlich umkehren], sondern »als Herren, die man offenbar erwartet hatte«. Du kannst gar nicht im Zweifel darüber sein, welches die Richtung deiner Wandlung ist: die neuen Urteile sehen dem Guten eher ähnlich als die kleinen Fetzen des Guten, die du bereits hattest; dennoch stehen sic in gewissem Sinn untereinander in Zusammenhang. Aber das eigentliche Kriterium ist, daß die Anerkennung der neuen Maßstäbe begleitet ist von dem Gefühl der Scham und der Schuld: man hat das Gefühl, in eine Gesellschaft hineingestolpert zu sein, in die man nicht paßt. In dem Licht solcher Erfahrungen müssen wir die Gutheit Gottes betrachten. Zweifellos, Seine Idee von der Gutheit unterscheidet sich von der unseren; aber du brauchst nicht zu fürchten, du konntest, wenn du dich dieser Idee näherst, aufgefordert werden, einfach deine sittlichen Maßstäbe umzukehren. Wird dir einmal der gewaltige Unterschied zwischen der göttlichen Ethik und der deinen deutlich, dann kannst du in der Tat gar nicht im Zweifel sein, daß die Wandlung, die dir zugemutet wird, in der Richtung dessen liegt, was du bereits das »Bessere« nennst. Die göttliche »Gutheit« unterscheidet sich von der unseren, aber nicht völlig; es ist nicht ein Unterschied wie der von Weiß und Schwarz, sondern wie der zwischen einem vollkommenen Kreis und dem ersten Versuch eines Kindes, ein Rad zu zeichnen. Wenn aber das Kind zeichnen gelernt hat, wird es wissen, daß der Kreis, den es nun macht, eben das ist, was es von Anfang an zu machen versucht hat. 


(S. 45-47)

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