"Minimum quod potest haberi de cognitione rerum altissimarum, desiderabilius est quam certissima cognitio, quae habetur de minimis rebus."

"Das Geringste an Erkenntnis, das einer über die erhabensten Dinge zu gewinnen vermag, ist ersehnenswerter als das gewisseste Wissen von den niederen Dingen"

(Thomas von Aquin: I, 1, 5 ad 1)

31. Januar 2011

Es ist ausschließlich der HERR, der Sünden vergibt (Ps 130,8). Seine Barmherzigkeit betrifft ganz Israel (Ex 32,14), auch die böse Generation der Wüste (Ex 34,6–7), seine Stadt Jerusalem und auch die an- deren Völker (Jona 3,10). 

Die Vergebung ist immer unverdient und kommt von der Heiligkeit Gottes, der Eigenschaft, die den HERRN von allen irdischen Wesen unterscheidet (Gen 8,21; Hos 11,9). Die Vergebung Gottes verursacht eine kreative Erneuerung (Ps 51,12–14; Ez 36,26.27) und bringt Leben mit sich (Ez 18,21–23). Sie ist Israel immer angeboten (Jes 65,1–12) und kann nur durch die Weigerung des Volkes, zum HERRN zurückzukehren, vereitelt werden (Jer 18,8; Am 4,6–13). Nach dem Dekalog ist die Geduld Gottes so staunenswert, dass sie bis ins dritte und vierte Geschlecht geht und darauf wartet, dass sie die Wege der Bosheit verlassen (Ex 20,5–6; Num 14,18). 

Seine Vergebung schließlich beendet jede Strafe (Jes 40,1–20; Jona 3,10), die kein anderes Ziel hat, als die Sünder zu Gott zurück- zuführen: „Habe ich etwa Gefallen am Tod des Schuldigen und nicht vielmehr daran, dass er seine bösen Wege verlässt und so am Leben bleibt?“ (Ez 18,23; vgl. Jes 4).

Sünde und Vergebung

Schuld und Vergebung sind nicht Verbuchungsvorgänge, sind nicht Materie von juristischer Zuweisung und von Nachlass von Schulden. Sie greifen vielmehr tief in die Realität ein. Die schlechten Handlungen verursachen eine negative Veränderung des Kosmos. Sie sind gegen die Schöpfungsordnung und sie können nur durch Handlungen ausgeglichen werden, die die Weltordnung wiederherstellen. An zweiter Stelle: Diese Vorstellung von einem natürlichen Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung ist wichtig für die Rolle Gottes bei der Vergebung: Er ist nicht der strenge Gläubiger, der Schulden in Ordnung bringt, er ist vielmehr der wohlwollende Schöpfer, der die Menschen wieder zu Wesen macht, die er liebt, und der die Schäden, die sie an der Welt verursacht haben, wiedergutmacht. Diese zwei Voraussetzungen entsprechen nicht dem juristischen Verständnis von Sünde und Vergebung in unserer Kultur. Man muss sie aber berücksichtigen, weil man sonst einen Zugang zur Verkündigung von der Barmherzigkeit Gottes verliert. Das ontologische Verständnis der Sühne zeigt sich in einigen metaphorischen Ausdrücken: Gott „wirft die Sünden in die Tiefe des Meeres“ (Mi 7,19), „wäscht ab die Schuld“ (Ps 51,4) und „erlöst von der Sünde“ (Ps 130,8).

30. Januar 2011

Erneuerung



Wenn man sich nicht als Einzelner oder als Gruppe starrsinnig abschließt, dann wird die Teilnahme an der Eucharistie immer der stärkste Ruf zur Umkehr sein und die beste Art und Weise, dem Bund neue Lebenskraft zu geben, damit er das Leben und das Verhalten in der Kirche erneuere und, von ihr her, in der Welt.

29. Januar 2011

Eucharistie und gelebte Gemeinschaft

Die Feier des Neuen Bundes muss mit dem Leben übereinstimmen, sonst macht sie sich lächerlich. Sie hat eine sittliche Dimension, die das alltägliche Leben betrifft.

Es ist genau darauf zu achten, warum die Korinther schuldig geworden sind. Sie haben die Eucharistie nicht im Sinn einer Profanierung missbraucht, indem sie diese nicht als eine heilige Wirklichkeit behandelt haben. Ihre Schuld liegt darin, dass sie die Konsequenzen der Eucharistie für das Gemeinschaftsleben nicht beachtet haben und auch nicht die persönliche Verbundenheit mit dem Herrn: es ist nicht möglich, den Herrn hochzuschätzen und gleichzeitig den Nächsten zu verachten, der auf geheimnisvolle Weise mit diesem Herrn verbunden ist.

Die Korinther haben dem Bund, den der Herr schenkt, seine „Neuheit“ genommen und haben ihn in den starren wirtschaftlichen und sozialen Kategorien des Heidentums erstickt.

Gutsein-Religion



Im Grunde genommen haben Katholiken während der vergangenen 40 Jahre ihren Kindern den Katholizismus nicht beigebracht. Sie haben ihnen "Amerikanischen Katholizismus" beigebracht, was eine verwässerte Mischung von Sentimentalismus, politischer Korrektheit, Gemeinschaftsaktivität und Utilitarianismus ist. Anders ausgedrückt: "Im Katholizismus geht es darum, daß du dich mit dir selbst gut fühlst, daß du anderen gegenüber gerecht bist und daß du versuchst, die Welt zu verändern". (so zu lesen bei Alipo)

Erschütternd. Das ist nicht nur Wirklichkeit in den USA. Als Folge der Befreiungstheologie, vermischt mit pentekostalen Einflüssen, welche in Brasilien sehr stark sind, ist diese Mentalität in Varianten hier weit verbreitet. So zumindest scheint es mir.

28. Januar 2011

Thomas von Aquin Gebet 2



Über alle Worte erhabener Schöpfer, du hast aus den Schätzen deiner Weisheit drei Ordnungen der Engel bestimmt und ihnen über dem Ätherhimmel in wunderbarer Ordnung einen Platz gegeben und die Teile des Universums in höchster Harmonie geordnet.
Du, so sage ich, der du die wahre Quelle des Lichtes und der Weisheit und der überragende Ursprung genannt wirst, du wollest über die Dunkelheiten meines Verstandes den Strahl deiner Klarheit ergießen und von mir die doppelte Dunkelheit nehmen, in der ich geboren bin, nämlich die Sünde und die Unwissenheit.
Du, der du die Zungen der Kinder beredt machst, mögest meine Zunge formen und durch deinen Segen Anmut auf meine Lippen ausgießen.

Schenke mir beim Erkennen Scharfsinn,
beim Behalten Merkfähigkeit,
beim Hinzulernen Weite und Leichtigkeit,
beim Interpretieren feines Gespür
und beim Formulieren die Gnade, mühelos die rechten Worte zu finden.

Du mögest dem Beginn die rechte Grundlage schenken,
den Fortgang lenken
und den Ausgang vollenden.
Du, der du wahrer Gott und Mensch bist und der du lebst und herrschst in Ewigkeit.

Amen

Thomas von Aquin Gebet 1

Allmächtiger Gott, gewähre mir die Gnade,
glühend zu ersehnen, was wohlgefällig ist vor dir,
es mit Weisheit zu erforschen,
in Wahrheit zu erkennen und vollkommen zu erfüllen.
Ordne meinen Lebensweg zu Lob und Ehre deines Namens.
Lass mich deinen Willen erkennen und erfüllen,
so wie es sich gebührt und meiner Seele Segen bringt.
Lass mich in Glück und Unglück treu zu dir stehen,
im Glück demütig, im Unglück stark und ungebeugt.
Nur was zu dir mich führt, soll meine Freude sein;
nur was von dir mich trennt, soll mich betrüben.

Gib, dass ich niemand zu gefallen suche
und keinem zu missfallen fürchte als dir allen.

Was vergänglich ist, o Herr, das sei gering in meinen Augen;
doch kostbar sei mir alles, was dein ist, um deinetwillen;
und über alles andere sollst du selbst mir kostbar sein, 

o Herr, mein Gott.
Jede Freude ohne dich sei mir zuwider;
lass mich nichts suchen als dich allein.
Für dich zu arbeiten, sei meine Freude,
und eine Ruhe ohne dich sei eine Last.

Gib, das ich oft mein Herz zu dir erhebe
und mit Reue und erneutem Vorsatz Sühne leiste, wenn ich gefehlt.
Lass mich gehorsam sein ohne Widerspruch,
arm im Geiste ohne Niedrigkeit der Gesinnung,
rein ohne Flecken,
geduldig ohne Klage,
demütig ohne Verstelllung,
froh ohne Maßlosigkeit,
traurig ohne Kleinmut,
ernst ohne Anmaßung,
rührig ohne Oberflächlichkeit,
wahrhaft ohne Trug.
Lass mich Gutes tun ohne Überheblichkeit.

Lass mich den Nächsten ermahnen ohne Hochmut
und ihn erbauen in Wort und Beispiel ohne Falschheit.

Gib mir, o Herr, ein wachsames Herz, 
das kein leichtfertiger Gedanke von dir ablenkt,
ein edles Herz, das keine unwürdige Leidenschaft erniedrigt,
ein gerades und aufrechtes Herz, 

das kein gemeines Streben auf Abwege führen kann,
ein starkes Herz, das keine Trübsal beugt,
ein freies Herz, das sich von keine bösen Macht beherrschen lässt.

Schenk mir, o Gott, Verstand, der dich erkennt,
Eifer, der dich sucht,
Weisheit, die dich findet,
einen Wandel, der dir gefällt,
Beharrlichkeit, die gläubig dich erwartet,
Vertrauen, das am Ende dich umfängt.

Lass mich, o Herr, deine Strafen hienieden tragen im Geist der Buße
und deine Wohltaten recht gebrauchen durch seine Gnade.

Lass mich deine Freude einst im Vaterland genießen
durch deine Herrlichkeit, o Gott, von Ewigkeit zu Ewigkeit.

Amen.

26. Januar 2011

Zeugnis Christi

Der Primat hat sich von Anfang an als Primat des Martyriums entwickelt. Rom war in den ersten drei Jahrhunderten der Vor- und Hauptort der Christenverfolgungen. Diesen Verfolgungen standzuhalten und das Zeugnis Christi zu geben, war die besondere Aufgabe des römischen Bischofssitzes.
(Benedikt XVI in: Licht der Welt S. 24)

25. Januar 2011

Behutsamkeit

Die Verkündung des Evangeliums verlangt eine respektvolle und unaufdringliche Form der Mitteilung, die das Herz anrührt und das Gewissen bewegt; eine Form, die an den Stil des auferstandenen Jesus erinnert, als er sich zum Weggefährten der Jünger von Emmaus machte (vgl. Lk 24,13-35), die er schrittweise zum Verständnis des Geheimnisses führte durch seine Nähe, durch sein Gespräch mit ihnen und dadurch, dass er feinfühlig sichtbar werden ließ, was in ihren Herzen war.



Papst Benedikt XVI: Botschaft zum Welttag der sozialen Kommunikationsmittel

22. Januar 2011

Hl. Eucharistie leben

Hl. Damian de Veuster
Durch die eucharistische Einheit geschieht zugleich die engste Verbindung mit Gott und mit den Menschen. Man kann nicht in dieser inneren und lebendigen Gemeinschaft mit Christus sein und sich dann auf eine Art und Weise verhalten, die dem Verhalten Jesu zu Gott und zu den Menschen entgegengesetzt ist.

20. Januar 2011

Schöpfung und Sakrament 3

Die Absicht des heiligen Thomas ist deutlich: man könne nicht die fundamentale Wirklichkeit des christlichen Glaubens verstehen, die Menschwerdung des Logos, es sei denn, man akzeptiere die Wahrheit, daß die sichtbare Welt und sogar das »Fleisch«, in welchem Adam schwach wurde, dennoch etwas im Grunde Gutes sei. 


Es ist also nicht im mindesten überraschend, daß Thomas diese allgemeine These häufig genug wiederholt in seinen Traktaten über die einzelnen Sakramente. Es hat sogar den Anschein, daß diese Einsicht in den inneren Zusammenhang von Schöpfungsordnung und sakramentlicher Ordnung immer kräftiger hervortritt, je mehr das Werk des heiligen Thomas sich seinem Ende zuneigt. So ist es gerade der letzte Traktat der Summa theologica, den Thomas im letzten Jahr seines Lebens vollendet hat, worin sich der Gedanke ausgesprochen findet, den er freilich auch schon in der Summe wider die Heiden auf sehr prinzipielle Weise und fast im Ton der Beschwörung formuliert hatte: »[...] damit nur ja niemand glauben möge, die sichtbaren Dinge seien böse in sich selbst und aus diesem Grunde hätten die Menschen gesündigt, die ihnen nachgehangen hätten« (die Menschen haben gesündigt – nicht dies wird hier bestritten; und die Menschen sind den sichtbaren Dingen nachgelaufen – auch dies steht hier nicht zur Rede; es kommt darauf an, zu sehen, daß es nicht diese Hinneigung zu den sichtbaren Dingen ist, worin die Sündhaftigkeit jenes Tuns formell bestand; und so fährt Thomas fort): »[...] darum war es sinnvoll, daß es gerade die sichtbaren Dinge sind, in welchen dem Menschen die Arznei des Heiles dargeboten ist«: in den Sakramenten. 

Dies alles bedeutet: niemals kann einer die Grundwahrheit aller Sakramententheologie verstehen, daß nämlich die natürlich-sichtbaren Dinge zu »Realsymbolen« des Heiles werden, zu Symbolen also, welche die Realität des Heiles sowohl bedeuten wie auch enthalten – es sei denn, er setze als wahr voraus, daß diese natürliche Welt gut ist in sich selbst, sogar »sehr gut«, und zwar aufgrund der Erschaffung, aufgrund ihres Ursprungs aus dem gleichen Logos, welcher in Christus Mensch geworden ist. Anderseits: diese Haltung der Bejahung gegenüber der natürlichen Schöpfung bezieht wiederum neue und kräftigere Argumente gerade aus der Theologie der Sakramente. 

Hat dies alles irgendwelche »praktische« Bedeutung? Ich glaube wohl. Vor allem von zwei Dingen könnte hier gesprochen werden. 
Erstens: wo immer die Menschen keinen rechten Sinn oder gar nicht einmal die notdürftigste Vorstellung von der Theologie des Sakramentes und von der Liturgie der Kirche haben, da mag es vielleicht vonnöten sein, zunächst das Verständnis zu wecken für die natürliche Gutheit der natürlich-sichtbaren Welt. Vielleicht kommt es in solchem Fall nicht schon vor allem darauf an, die eigentlichst übernatürlichen Wahrheiten zu verkündigen und zu erläutern, sondern eher darauf, deutlich zu machen, daß und wieso die natürlichen sichtbaren Dinge, aufgrund ihrer wesenhaften natürlichen Gutheit, fähig sein können, »reale Symbole« der höchsten Gutheit Gottes, nämlich seiner Gnade, zu werden. 

Eine zweite Folgerung mag diese sein: wo immer der heutigentags neu erwachte Sinn für die Liturgie zu irgendeiner Form von Spiritualismus führt, da sollte gefragt werden, ob wirklich die Liturgie und die Sakramente in der rechten Weise aufgefaßt sind; ob wirklich die Einsicht realisiert ist, daß und warum die Sakramente die Gutheit der sichtbaren Schöpfung voraussetzen. 

Einsatz als Sieger

Ihr Einsatz als Sieger, d. h. die Mitarbeit mit dem Sieg, den Christus über seine irdischen Gegner erringt, verlangt von den Christen eine Reihe von Handlungen.

Die erste ist das Gebet, dem die Offenbarung eine entscheidende Rolle für den Aufbau des Reiches zuschreibt (vgl. 6,9– 11); die Gebete der Christen auf der Erde steigen auf zu Gott und Gott antwortet mit seinen Eingriffen in die Geschichte (8, 1–5). Das Gebet, das für die Offenbarung individuelles Lob und gemeinsame Feier ist, wird oft zur leidenschaftlichen Bitte. Diese ist dem Christen eigen, der den Lauf der Geschichte aufmerksam beobachtet und in ihr moralische Mängel feststellt.

Neben dem Gebet steht das Zeugnis. Als derjenige, der ständig für die „Gebote Gottes“ und „das Zeugnis Jesu“ (12,17; 19,10) eintritt, stellt sich der Christ mit diesen Werten gegen das Reich und den Bund, die Christus feindlich sind und die er in der Ge- schichte antrifft. Mit Christus und in der Kraft Christi wird er darüber siegen. Sein Zeugnis gibt er mit dem Wort, vor allem aber mit seinem Leben, das er hinzugeben bereit ist (vgl. 12,11). Für die Offenbarung ist der Christ immer ein potentieller Märtyrer.

Wenn es ihm der Geist nahe legt, kann der Christ auch gegenüber dem ständig gegenwärtigen Gegenbund den Ton der Anklage aufnehmen, der den Propheten eigen ist. Die Offenbarung zeichnet die Hauptzüge des Propheten (vgl. 11,1–13): er muss vor allem sein Gebet verstärken und dann, in der Kraft des Geistes, das aggressive Verhalten des irdischen Gegenreiches und Gegenbundes anklagen; er wird das tun mit der unwiderstehlichen Macht des Wortes Gottes wie die früheren Propheten. Von ihm kann sogar verlangt sein, Christus bis zum Letzten zu folgen und sein österliches Schicksal zu teilen. Er kann getötet werden, aber auch nach seinem Tod wird er einen entscheidenden Einfluss in der Geschichte ausüben.

19. Januar 2011

Wahre Frauen sind still

Wahre Frauen sind still und verlangen die Stille --- Zeige mir doch die Frau, die über das, was sie angeht, schreibt ---  Ginge es sie an, so schwiege sie, denn Schweigen heißt hier Leben, Reden Tod --- Immer ist das Geheimnis das Fruchtbare, das Offenbare aber ist das Ende.


Ruth Schauman: Chelion an Cletus; gefunden bei Gertrud von LeFort: Die ewige Frau.

ICH aber sage Euch

Den Alten ist gesagt worden – ich aber sage Euch. Das Ich Jesu tritt mit einem Rang hervor, den sich kein Gesetzeslehrer erlauben darf. Die Menge spürt das – Matthäus sagt uns ausdrücklich, dass das Volk „erschrak“ ob seiner Weise zu lehren. Er lehrte, nicht wie die Rabbinen es tun, sondern als einer, der „Vollmacht“ hat ( 7,29; vgl. Mk 1,22; Lk 4,32). Damit ist natürlich nicht eine rhetorishe Qualität von Jesu Reden gemeint, sondern der offenkundige Anspruch, selbst auf der Höhe des Gesetzesgebers – auf der Höhe Gottes – zu stehen. Das „Erschrecken“ (die Einheitsübersetzung mildert das leider mit „Betroffenheit“ ab) ist genau das Erschrecken darüber, dass ein Mensch mit der Hoheit Gottes selbst zu sprechen wagt.
(Benedikt XVI: Jesus von Nazareth, S. 134)


Anm.: Mk 1, 22: Man war von seiner Lehre hingerissen; denn er lehrte sie wie einer, der Vollmacht hat, und nicht wie die Schriftgelehrten.
Wie bei Mt 19, 25 sollte es eigentlich mit „außer sich geraten“, (vor Schrecken wie betäubt sein) übersetzt werden.




18. Januar 2011

Schöpfung und Sakrament 2

Aber jene, auf der Lehre von der Schöpfung beruhenden Argumente sind für Thomas weder die einzigen noch auch die am meisten kennzeichnenden. Das gewichtigste und am meisten charakteristische Argument für die Haltung des heiligen Thomas zur natürlichen Schöpfungswirklichkeit, vor allem zur sinnfällig-sichtbaren Welt, wurzelt in seiner Sakramenten-Theologie. Man darf vielleicht sagen, daß schon der bloße Begriff »Sakrament« unausdrücklich besagt, es gebe eine natürliche, sichtbare Schöpfungswirklichkeit, welche gut ist in sich selbst. So daß, wann immer die natürliche Schöpfungswirklichkeit echte Zustimmung, Bejahung erfährt, eben hiermit schon eine gewisse Voraussetzung gegeben ist für ein rechtes Verständnis des Sakramentes überhaupt. Anderseits, von der Sakramententheologie her vermag die Anerkennung und Bejahung der Schöpfung neue Kraft und Bestätigung zu erfahren. 

Diese Verknüpfung zwischen der Sakramententheologie und der Bejahung der sichtbaren Weltwirklichkeit ist sehr früh in der Geschichte der Kirche gesehen und formuliert worden. Zum Beispiel betont Irenäus, in seinem Buch wider die Häresien, mit großem Nachdruck die Tatsache, daß es die Erstlings-Früchte der Schöpfung seien, welche wir in der Eucharistie-Feier darbringen. Ausdrücklich sagt er, daß beim letzten Mahle der Herr »von dieser Welt der geschaffenen Dinge« das Brot genommen habe und gleichfalls »aus dieser unserer Schöpfungswelt« den Kelch – wodurch der Herr die Jünger habe lehren wollen, von den geschaffenen Dingen Gaben darzubringen, »nicht als bedürfe Gott ihrer, sondern damit sie selber nicht undankbar seien«. Dieser Satz des Irenäus bedeutet nichts anderes, als daß des Menschen Dankbarkeit für die natürlichen Gaben der sichtbaren Schöpfung zu ihrem höchsten Ausdruck gelange präzis in der Feier der Sakramente. Er sagt es wieder und wieder, daß es das Gesamt der Schöpfung sei, welches Christus Gott darbringe als Opfer. 

Irenäus steht mit diesen Sätzen im Kampf gegen die spiritualistische Verneinung der sichtbaren Welt, wie sie in der Gnosis formuliert war. Mit völliger Klarheit sieht er, daß es unmöglich ist, zu einem wahren Verständnis des Sakramentes zu gelangen, wenn man nicht zugleich und zuvor die Würde und die Gutheit der sichtbaren Welt anerkennt. Es ist die Wirklichkeit dieser vor Augen liegenden Erde, die, kraft des Wortes Gottes, solchermaßen erhöht und erhoben wird, daß sie zu Fleisch und Blut des Herrn werden kann. 

Man mißversteht also die »Weltlichkeit« des heiligen Thomas, wenn man nicht ihre theologische Wurzel erkennt oder, genauer gesagt, wenn man nicht wahrnimmt, daß diese »Weltlichkeit« in der Sakramenten-Theologie ihren Grund hat. Es ist die tiefe Verehrung gegen das »Ur-Sakrament«, gegen den menschgewordenen Logos selbst, aus welcher jene großherzige »Weltlichkeit« sich herleitet. So vermerkt Thomas in seinen Erläuterungen zum Johannes-Evangelium, daß es seltsam erscheinen könnte, zu sehen, wie Johannes gar nicht von der menschlichen Seele Christi spreche, sondern nur vom »fleischgewordenen« Wort. Und Thomas fragt sich, warum Johannes so ausschließlich vom »Fleisch« gesprochen haben möchte. Er antwortet sich selbst mit mehreren Argumenten. Das erste ist dieses: Johannes habe die Wirklichkeit der Inkarnation erweisen wollen gegen die Lehre der Manichäer, die behaupteten, das göttliche Wort könne unmöglich einen wirklichen Leib angenommen haben, weil es wider die Gutheit Gottes sein würde, diese »Schöpfung des Satans« anzunehmen. Dies also sei der Grund, weswegen Johannes ausdrücklich und besonders vom »Fleisch« spreche: um die Meinung auszuschließen, der Leib sei vom Bösen. 

17. Januar 2011

Zölibat - Geschichte

Nachdem Johannes über den Zölibat geschrieben, möchte ich die Gelegenheit nützen, und auf einen Vortrag aufmerksam machen, den ich zwar noch nicht bis zum Ende gehört habe, dessen Beginn mich aber doch sehr fasziniert hat. Die Geschichte der hl. Paula und des hl. Hieronymus waren mir auf diese Art erzählt neu. Bin auf das Ende gespannt.


"Der Zölibat gilt als eine der letzten Bastionen der römisch-katholischen Kirche, die bei uns mehrheitlich als unzeitgemäß betrachtet wird. Der in Köln und der Schweiz lebende Buchautor und ehemalige Dominikanermönch Hans Conrad Zander wirft einerseits die Frage auf, warum überhaupt der Zölibat als völlig "unrömisch" gegen die herrschende Familienkaste von "Papis" durch emanzipierte Frauen durchgesetzt wurde und wie andererseits der Blick in protestantische Pfarrhäuser verrät, dass auch das Leben als Pfarrersfamilie auf dem Präsentierteller höchst unangenehm sein kann. "

15. Januar 2011

Schöpfung und Sakrament 1

In einem äußerst lebendig und ein wenig herausfordernd geschriebenen kleinen Buch über Thomas von Aquin macht G. K. Chesterton die Bemerkung, dieser große Lehrer der Christenheit müßte eigentlich Thomas a Creatore, Sankt Thomas von Gott dem Schöpfer, genannt werden. Dies würde in der Tat, wie ich glaube, eine zutreffende Kennzeichnung sein für die innerste Ausrichtung des Denkens des heiligen Thomas. Liebende Zustimmung zur Schöpfung in allen ihren Gestalten und Schichten gehört ganz sicher zu den principia seiner Lehre, von denen der berühmte Paragraph 1366 des Codex Juris Canonici spricht.


Diese bejahende Haltung zur Schöpfung, diese Anerkennung des Insgesamt aller wirklichen Dinge, ist zweifellos der Kern und die innerste Meinung von Thomas’ sogenanntem »Aristotelismus«. Dies und nichts anderes ist, zum Beispiel, die Wurzel und der Grund jener vertrauenden, großherzigen magnanimitas, die seine Ethik unterscheidend kennzeichnet. Ich würde sogar die Behauptung wagen, diese bejahende Haltung zum Ganzen der Schöpfung sei eines der gewichtigsten Kennzeichen, die ihn zum Doctor Communis Ecclesiae, zum »allgemeinen Lehrer der Kirche« machen. 

Mehrere Arten von Argumenten lassen sich anführen für diese Wirklichkeitshaltung, für diesen »Optimismus« (sozusagen). Das am meisten uns vertraute, das am ehesten selbstverständliche Argument ist, natürlich, die Berufung auf den Schöpfer selbst, der es bestätigt hat, daß die Welt, die er gemacht hat, »sehr gut« sei. Dies ist nicht das einzige Argument des heiligen Thomas. Immerhin, er bedient sich seiner ausdrücklich und häufig genug. Zum Beispiel, wenn Thomas den berühmten Satz »omne ens est bonum«; alles Seiende ist gut, in zahllosen Variationen formuliert, so ist die tiefste und äußerste Meinung all jener Sätze: jedes Wesen sei, als etwas Wirkliches, gewollt und sogar geliebt durch den Schöpfer; jede Kreatur empfange dies Geliebtsein zugleich mit ihrem Wirklichsein. Wieder und wieder spricht Thomas die Konsequenzen hiervon aus: »Alle Kreatur hat im gleichen Maße teil an der Gutheit, wie sie teilhat am Sein«; »alles, was ist, und sei es auf welche Weise immer – sofern es wirklich ist, ist es gut«; »die bösen Taten sind gut und von Gott – soweit das zur Rede steht, was sie an Sein besitzen«; »mag das Böse sich noch so sehr vervielfachen, niemals vermag es das Gute ganz aufzuzehren«; »das Gute vermag sich in reinerer Gestalt zu verwirklichen als das Böse; denn es findet sich wohl Gutes, dem nichts Böses beigemischt ist; nichts aber ist so sehr böse, daß ihm nicht etwas Gutes beigemischt wäre«; »es ist unmöglich, daß durch die Sünde das Gute unserer Natur völlig aufgehoben werde«. Der Bezug und die Berufung auf den Schöpfer ist schließlich in voller Ausdrücklichkeit formuliert in dem folgenden Text: »Wie das naturhafte Erkennen immer wahr, so ist das naturhafte Lieben immer recht. Denn die naturhafte Liebe ist nichts anderes denn die Hinneigung der Natur, eingepflanzt vom Urheber der Natur: es heißt also dem Schöpfer der Natur Schmach antun, wenn einer sagt, die Neigung der Natur sei nicht recht.« 

Die Rückbeziehung auf den Schöpfer ist, wie leicht zu sehen ist, das einzige legitime Fundament allen »Naturrechts«. Und es ist einfach eine Selbstverständlichkeit, daß vom Standpunkt einer supranaturalistischen Verneinung der Würde des Geschaffenen die Begründung und Verteidigung eines Naturrechts genau ebensowenig möglich ist wie, natürlich, vom Standort eines nihilistischen Atheismus aus, für den so etwas wie Schöpfung überhaupt nicht existiert. 

Ziele und Wünsche

Paulus hebt besonders die verpflichtende Kraft der Liebe Christi hervor, die ihren Höhepunkt in der Passion erreicht. „Denn die Liebe Christi drängt uns, da wir erkannt haben: Einer ist für alle gestorben, also sind alle gestorben. Er ist aber für alle gestorben, damit die Lebenden nicht mehr für sich leben, sondern für den, der für sie starb und auferweckt wurde“ (2 Kor 5,14– 15). 


In der Nachfolge Jesu ist nicht mehr ein „eigenes Leben“ möglich nach den eigenen Zielen und Wünschen, sondern nur ein Leben in Gemeinschaft mit Jesus. Paulus sagt, dass er selbst ein solches Leben führt: „Nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir. Soweit ich aber jetzt noch in dieser Welt lebe, lebe ich im Glauben an den Sohn Gottes, der mich geliebt und sich für mich hingegeben hat“ (Gal 2,20). Diese Haltung findet sich auch in einer Ermahnung an die Epheser: „Liebt einander, weil auch Christus uns geliebt und sich für uns hingegeben hat als Gabe und Opfer, das Gott gefällt“ (5,2 vgl. 3,17; 4,15–16).

14. Januar 2011

Santa Fe 4

Merkwürdigerweise waren die Teilnehmer des zweiten Kurses, der inzwischen begonnen hatte, von anderem Schlag als die des ersten. – Beim mittäglichen Gang zur Cafeteria bemerkte ich einen jungen Priester, den ich am Vormittag noch in Bluejeans hatte herumlaufen sehen, der aber nun zu meiner Überraschung das weiße Mönchsgewand der Dominikaner trug. Ich begrüßte ihn mit unverhohlener Freude und verbarg auch mein Erstaunen nicht. Und dann bekam ich unterwegs wieder eine »wahre Geschichte« zu hören, nicht zwar eine geradewegs unglaubliche, aber doch eine, die man unbedingt weitererzählen muß. Kurioserweise begann er damit, mir zu erklären, er wolle den Dominikaner-Habit immer erst ab Mittag tragen. Und auch seine »Geschichte« hatte mit eben diesem weißen Gewand des Predigerordens zu tun. 
Er trage es auch, so sagte er, in San Francisco, auf der Straße; dabei sieht er mich fast herausfordernd an, als warte er auf eine Reaktion von mir; und in der Tat, ich bin ehrlich überrascht und sage ihm das auch. Doch was er dann noch hinzufügt, erstaunt mich weit mehr. Dies nämlich, das offene Zeigen der Ordenszugehörigkeit, sei nach seiner Überzeugung einer der Gründe dafür, daß die kleine kalifornische Dominikaner-Provinz, die weniger als zweihundert Mönche zähle, doppelt so viele Novizen habe wie die beiden anderen mit über tausend Mitgliedern weit größeren Provinzen zusammen. Und dann beginnt er, immer lebhafter beteiligt, Einzelheiten zu berichten. In Oakland, dem Zentrum seiner Ordensprovinz, hätten vor allem die jüngeren Mönche sich gegen den Vorschlag einiger Mitbrüder durchgesetzt, man solle, wie es auch sonst geschehe, das Ordensgewand ablegen und, statt im Kloster zu wohnen, irgendein Apartment in der Stadt beziehen. Genau dieser erfolgreiche Protest aber, das Festhalten also an Ordenshabit und Kloster, habe dann bewirkt, daß ihnen so viele junge Männer als Novizen zugeströmt seien. – Solche Vorgänge verdienen es, wie gesagt, festgehalten und weitererzählt zu werden. 
Übrigens gab es zu diesem Bericht noch einen Nachtrag, und wiederum ging es um das priesterliche Ordensgewand. Ich fragte meinen Begleiter nach seiner Arbeit und etwaigen Plänen, worauf ich zur Antwort bekam, es stehe ihm tatsächlich etwas völlig Neues bevor. Er sei vor kurzem aufgefordert worden, in einer großen, aus privaten Spenden finanzierten, rein humanitär ausgerichteten und jedenfalls ausdrücklich nicht-christlichen »psychosomatischen« Klinik als Berater und als eine Art »Psychotherapeut« tätig zu sein. »Und als ich mich, es ist erst ein paar Wochen her, vorstellte, und zwar ausnahmsweise im zivilen Anzug, der mir für diesen Fall doch angemessener erschien, da schüttelte der leitende Arzt, als er mich sah, energisch den Kopf. ›Nein, nein, so gerade nicht! Sie sollen als Priester kenntlich sein! Eben darum ist es uns hier zu tun!‹« 

Santa Fe 3

Eine schlechterdings unglaubliche »Indianer-Geschichte« aber habe ich auf dem Weg zu unserem Mittagsmahl vernommen, und ich hätte sie dem Erzähler keinesfalls abgenommen, wäre er nicht ein durch sie persönlich Betroffener und dadurch legitimiert gewesen. Ort der Handlung: Isleta, ein Indianerdorf in Neu-Mexiko. Hauptakteur: der Pfarrer dieser Gemeinde, ein Priester deutscher Abstammung. Die Indianer von Isleta pflegten am Tag nach Weihnachten die Krippe aus der Kirche zu holen und sie in eine auf der Plaza errichtete »Laubhütte« zu bringen und dann vor dem Christkind zu tanzen. Der Pfarrer nun fand, dies sei ein unchristlicher Brauch und beschloß, ihm ein Ende zu machen. Es war ihm natürlich bekannt, daß die Indianer nur auf der nackten Erde tanzen können. Und so kam er auf den Gedanken, die ungepflasterte Plaza mit einer Betondecke zu versehen, was dann auch geschah. Nun aber besitzen die Indianer in bezug auf Gerichtsbarkeit und Polizei eine gewisse Autonomie. Und sie forderten den Pfarrer auf, vor ihrem Rat zu erscheinen; dort fragte man ihn feierlich, ob er die Absicht habe, die religiösen Bräuche ihres Stammes abzuschaffen. Der Pfarrer, ein offenbar unerschrockener Mann, erklärte jedenfalls das Tanzen vor dem Christkind als einen unchristlichen Brauch, den er nicht dulden werde. Daraufhin wurden ihm Handschellen angelegt; man brachte ihn an die Grenze der Reservation, wo man ihn freiließ, ihm aber klar zu verstehen gab, er solle sich hier nur ja nicht wieder blicken lassen. An diesem Punkt des Berichts blieb ich stehen und fragte: »Wie lange liegt das alles zurück?« – »Genau fünf Jahre!« – »Es ist also 1965 passiert?« – »Ja! Aber ›mittelalterlich‹ ist erst das, was nun kommt!« – Jetzt war nämlich der Bischof am Zuge; er konnte ja zu dem Geschehenen nicht einfachhin schweigen; er mußte etwas tun. Aber was er dann tat, war schrecklich: er verhängte das Interdikt, das heißt, er verbot in der Gemeinde jede gottesdienstliche Handlung, außer das Sterbesakrament. Die Indianer litten darunter sehr; aber sie beklagten sich nicht. Und auch der Bischof blieb bei seinem Entschluß. »Das Trauerspiel dauert also schon fünf Jahre? Wie geht es nun weiter?« Ich hörte es dem Ton der Berichterstattung schon an, die Sache müsse doch noch ein gutes Ende genommen haben. »Der Bischof hat das Interdikt aufgehoben und einen anderen Pfarrer für Isleta bestellt, nämlich mich! Im nächsten Monat übernehme ich mein neues Amt.« – »Und was werden Sie tun?« – »Meine erste Anordnung wird inzwischen schon ausgeführt: die Plaza wird vom Beton befreit!« 
(Obs.: der Schluß war ursprünglich als "Santa Fe 4" geplant und wird nun unter diesem Namen gepostet)

13. Januar 2011

Innerste Verbundenheit mit CHRISTUS

In seinen Schriften betont Paulus nachdrücklich, dass das sittliche Handeln des Glaubenden von der Gnade Gottes bewirkt wird, die ihn gerecht gemacht hat und ihn beharrlich sein lässt. Weil Gott uns verziehen und uns gerecht gemacht hat, gefällt ihm unser sittliches Handeln; durch es wird das Heil, das in uns wirksam ist, bezeugt.

Was die christliche Moral entstehen lässt, ist nicht eine äußere Norm, sondern die Erfahrung der Liebe Gottes zu einem jeden Menschen; an diese Erfahrung will der Apostel in seinen Briefen erinnern, damit seine Ermahnungen verstanden und angenommen werden können. Er gründet seine Ermahnungen und Ratschläge auf die Erfahrung, die in Christus und im Geist gemacht wird, und will nichts von außen her auferlegen. Die Glaubenden sollen sich von innen her erleuchten und führen lassen, und der Apostel kann nur dazu mahnen, die Liebe und die Verzeihung, die sie empfangen haben, nicht zu vergessen. Der Grund dafür liegt in der Tatsache, dass sie in Christus die Barmherzigkeit Gottes an sich erfahren haben und dass sie zuinnerst mit Christus verbunden sind und seinen Geist empfangen haben.

Santa Fe 2

Zehn Tage danach ein völlig anderes Bild: die ganz und gar indianische Fiesta in Santo Domingo! – Ich halte mich während dieser Ausfahrt möglichst in der Nähe des ungewöhnlich kundigen Senor Suarez, der sich bereitgefunden hat, uns zu begleiten. Er selbst hat indianisches Blut; seine aus Santo Domingo stammende Großmutter ist, als ein spanisch sprechender Amerikaner, ein »Chicano«, sie heiratete, aus dem Stammesverband ausgestoßen worden. Der Enkel aber hat viele Freunde unter den Indianern dieser gleichen Siedlung. Und natürlich ist er mit den Riten der nun gefeierten Fiesta bis ins einzelne vertraut. – Nach Santo Domingo kommen an diesem Tag von weit her Hunderte von schaulustigen Amerikanern. Sie werden von den durchaus geschäftstüchtigen Indianern sogleich auf wohlausgebaute Parkplätze geleitet und so in gebührender Distanz von ihrem Dorf gehalten. Zugleich mit dem Parkschein, der übrigens ganze fünf Dollar kostet, wird ihnen ein Merkblatt übergeben, auf dem einige, für Amerikaner recht einschneidende Verbote aufgeführt sind, deren Beobachtung, wie sich nachher zeigt, streng überwacht wird: »absolut« kein Fotografieren, keine Tonband-Aufnahmen und kein Alkohol! – Als wir eintreffen, ist das Fest schon in vollem Gang. An die zweihundert Männer und Frauen bilden, nach dem Geschlecht in getrennte Viererreihen geordnet, einen dichtgefügten Block von Tänzern, der sich kaum vom Fleck bewegt. Die Frauen allesamt barfüßig, damit, so sagt unser Begleiter, die Fruchtbarkeit der Erde in ihren Schoß hinaufdringen kann; alle Männer tragen Stiefel, doch ist ihr Oberkörper nackt. Im prallen Sonnenschein sieht man, wie ihnen der Schweiß in Strömen über die Brust rinnt. Der Tanz besteht in einer wiegenden Bewegung des Körpers und in einem rhythmischen Stampfen der Füße. Die Frauen halten einen Pinienzweig in der Hand, die Männer eine mit Kernen gefüllte Kürbis-Rassel. Ein Chor von etwa dreißig-vierzig Männern, der gleichfalls seinen Standort nicht verändert, singt dazu; die Worte ihres Gesanges, der nur scheinbar aus bloßen vokalischen Rufen besteht, sind genau festgelegt; und auch den Tänzern ist, wie uns gesagt wird, keine Abweichung von dem nicht leicht durchschaubaren Rhythmus erlaubt. Nachdem der Tanz, durch kurze Pausen unterbrochen, mehrere Stunden gedauert hat, ziehen die Tänzer, die völlig erschöpft sein müssen, in einer einzigen langen Reihe zu dem mitten auf der Plaza aus grünen Zweigen aufgerichteten Gehäuse, welches das Standbild des Heiligen birgt; bevor sie hineingehen, werden ihnen von älteren Frauen Brote und auch Kerzen in die Hand gegeben, die vor dem Heiligen niedergelegt und später, als nunmehr geweihte Gaben, unter die Dorfbewohner verteilt werden. Schließlich steigen die Männer in den unterirdischen Kultraum (Kiwa) hinab, den zu betreten sonst niemandem gestattet ist; man sieht nur die oberen Sprossen einer Leiter aus dem Einstieg herausragen. Dort werden die kultischen Gewänder abgelegt, mit denen man sich eben dort zuvor bekleidet hat. Die Touristen klatschen lange Beifall, als sei das Ganze ein Schaustück und eine folkloristische Darbietung. Die Indianer jedoch, auch das steht auf dem Merkblatt zu lesen, betrachten ihren Tanz als ein Gebet, das »Gott, unserem Vater, sagen soll, daß wir ihn lieben – wie auch Dominikus es auf seine Weise tat«. – Von unserem Begleiter hören wir, für ihn sei es ganz undenkbar, seine Freunde, etwa während einer Tanzpause, zu begrüßen und mit ihnen über dies und jenes zu reden; sie würden sich sogar so verhalten, als sei er ihnen überhaupt nicht bekannt. »So lange sie ihr kultisches Gewand tragen, sind sie in einer anderen Welt.« 
Noch am gleichen Abend, bei der kritischen Besprechung der Meßfeier, habe ich, mit einiger Arglist, die Rede auf genau diesen Punkt gebracht, mit der unumwundenen Behauptung, diese für die Indianer offenbar selbstverständliche Sache sei für uns »nachkonziliare« Christen von höchster Aktualität. Nicht selten hatte ich es erlebt, daß ein Priester nach dem Gemeindegottesdienst im Meßgewand geradewegs vom Altare auf den Vorplatz ging, um dort, vielleicht gar eine Zigarette rauchend, mit seinen Pfarrkindern zu plaudern. 
Meine These also war, es handle sich hier um eines der uns weithin abhanden gekommenen praeambula sacramenti. Wiederum war es gar nicht leicht, und ich zweifle ein wenig, ob es mir gelungen ist, diesen Klerikern begreiflich zu machen, was die »heiligen Gewänder« bedeuten, und daß der Priester, der eine »heilige Handlung« zelebriert, sich wirklich für diese Spanne Zeit in einer »anderen« Welt befindet. – In der Tat, bei den Indianern gab es erstaunlich viel zu lernen, gerade für die »Kunst des Feierns«. 
Wie es allerdings, aufs Ganze gesehen, um die Kirchlichkeit dieser vor mehr als dreihundert Jahren durch spanische Franziskaner zum Christentum bekehrten Indianer bestellt sei, habe ich nicht herauszufinden vermocht. Wer danach fragt, bekommt wenig befriedigende Antworten. Zwanzig Jahre zuvor schon (1950) hat mir einer der Missionare in Santa Fe berichtet, hin und wieder werde ein Mädchen zu ihm geschickt mit der Botschaft, am nächsten Sonntag komme er, der Priester, besser nicht in die Gemeinde. »Dann vollführen sie ihre heidnischen Traumtänze.« Ich hatte schon von Totengedächtnis-Riten im »Kiwa« gehört; man sprach auch von »Ahnenkult«. Und so fragte ich zurück, was er unter »Heidentum« verstehe. Darauf bekam ich eine eindeutige Antwort: »Verehrung falscher Götter!« – Einer unserer Kursteilnehmer, Pfarrer in Albuquerque, sagte, seines Wissens sei noch kein Indianer, jedenfalls keiner aus dem Stamm der Pueblos, jemals katholischer Priester geworden; und als 1954 oder 1955 einmal drei junge Indianer ins Priesterseminar eingetreten seien, hätten ihre Leute sie einfach umgebracht. Ich konnte es kaum glauben. Welch ein Land! 

12. Januar 2011

Santa Fe 1

Noch nie, obwohl nun schon zum vierten Mal in Neu-Mexiko, hatte ich eine indianische Fiesta erlebt. Nun aber fielen einige von den rund um Santa Fe in den Dörfern mit großer Feierlichkeit begangene Heiligenfeste gerade in die Zeit unseres Kurses. Und es gehörte ausdrücklich zum Programm, daß wir die nahe gelegenen Indianer-Siedlungen an ihren großen Festtagen besuchen würden: Santa Anna, Santo Domingo und noch eine andere Gemeinde, die einen etwas großartigen englischen Namen führte, deren Schutzheiliger aber der Apostel Jakobus (Santiago) war. Den Anfang machte eben dieses Jakobus-Fest in Park View. Die Pfarrei wurde von Franziskanern betreut, und es waren Scharen von meist jungen Mönchen im braunen Gewand der Minderbrüder herbeigeströmt, um den Festtag mitzufeiern. In dem vielfarbigen Umzug, der auf das pompös gefeierte Hochamt folgte, zog zwar auch eine armselige kleine Gruppe von Indianern mit, die zum Schluß, nicht sonderlich beachtet, ihre Tänze vorführten; doch war es im Grunde ein Fest, das eher an Santiago de Compostela oder gar an Sevilla erinnerte – wenngleich das noch im Gottesdienst ausschließlich gesprochene Spanisch dann plötzlich durch die englische Sprache ausgelöscht schien; wie auch die an der Außenwand der Kirche angebrachte Aufforderung Smile! God loves you! ohnehin nirgendwo anders denkbar war als in Amerika. 


Immerhin gab es im Festzug die Augenweide einer langen Reihe von jungen Frauen im weißen Spitzenschleier über dem im schwarzen Haar hochgesteckten Kamm. Vor allem war da der prächtig gewandete Reitertrupp der Caballeros de Santiago, die im Galopp der Prozession vorausstürmten und immer wieder zu ihr zurückjagten. Sie trugen auch die Fahnen und Banner, die das Festprogramm genau beschrieb: nach der amerikanischen und der päpstlichen etwa die Flagge der alten kaiserlich-spanischen Flotte (»rot und golden, mit dem Löwen von Leon und dem Turm von Castillo«); und sogar die Wappen der Habsburger und der Bourbonen fehlten nicht. – Nach dem in der Juli-Sonne absolvierten Festzug luden uns die Franziskaner zu einem, im Innenhof des Pfarrhauses improvisierten, aber recht üppigen Mahl ein; die Mönche hatten sogleich ihre braunen Kutten abgeworfen und sahen nun mehr jungen Cowboys ähnlich. Im lebhaften Gespräch blieb es nicht verborgen, daß ich der Autor einiger Bücher sei, die nicht wenige von ihnen zum Examen hatten lesen müssen; und so war mein Stuhl im Schatten unversehens wie von einer kleinen Schar von dienstfertigen Pagen umstellt, die mich mit besonderen Leckerbissen und fast zu reichlich mit Whisky traktierten. 

2. Januar 2011

Θεοτόκος - Theotókos - Dei Genitrix

Bitte für uns, o heilige GOTTESgebährerin, 
auf daß wir würdig werden der Verheißungen CHRISTIE!



Benedikt XVI verurteilt dem Anschlag auf koptische Christen






Papst Benedikt XVI. hat das verheerende Attentat auf Christen in Alexandria, bei dem am Samstag mehr als 20 Menschen umkamen, als „niederträchtige Geste des Todes“ bezeichnet. Gleichzeitig rief er die Christen zum Gewaltverzicht auf. Er habe mit Schmerz die Nachricht von der Attacke auf die koptische Gemeinde in Ägypten gehört, sagte der Papst nach dem Angelusgebet an diesem Sonntag Mittag vor Tausenden Gläubigen und Besuchern auf dem Petersplatz:

„Diese niederträchtige Geste des Todes – ebenso wie jene, Bomben vor die Häuser von Christen im Irak zu legen, um sie zum Auswandern zu zwingen – beleidigt Gott und die gesamte Menschheit, die eben gestern für den Frieden betete und mit Hoffnung in ein neues Jahr ging. Vor dieser Strategie der Gewalt, die auf Christen abzielt, und die Folgen für die gesamte Bevölkerung hat, bete ich für die Opfer und ihre Angehörigen und ermutige die kirchlichen Gemeinden, im Glauben zu bleiben und weiterhin die Gewaltfreiheit zu bezeugen, die aus dem Evangelium kommt.“

1. Januar 2011

symbállousa - erwägen

Der Titel »Mutter Gottes« ist die Grundlage für alle übrigen Titel, mit denen Maria im Osten und im Westen von Generation zu Generation verehrt wurde und weiter angerufen wird. Auf das Geheimnis ihrer Gottesmutterschaft beziehen sich viele Gesänge und Gebete der christlichen Tradition, wie zum Beispiel eine marianische Antiphon der Weihnachtszeit, das Alma Redemptoris mater, mit dem wir bitten: »Tu quae genuísti, natúra miránte, tuum sanctum Genitórem, Virgo prius ac postérius – Du hast geboren, der Natur zum Staunen, deinen heiligen Schöpfer, Jungfrau vor und nach der Geburt«. Liebe Brüder und Schwestern, wir betrachten heute Maria, die jungfräuliche Mutter des eingeborenen Sohnes des Vaters; lernen wir von ihr, das Kind aufzunehmen, das für uns in Betlehem geboren ist. Wenn wir in dem von ihr geborenen Kind den ewigen Sohn Gottes erkennen und ihn als unseren einzigen Heiland aufnehmen, dürfen wir uns Söhne Gottes nennen und sind es wirklich: Söhne im Sohn. Der Apostel schreibt: »Gott sandte seinen Sohn, geboren von einer Frau und dem Gesetz unterstellt, damit er die freikaufe, die unter dem Gesetz stehen, und damit wir die Sohnschaft erlangen« (Gal 4,4–5).
Der Evangelist Lukas wiederholt mehrmals, daß Maria in Stille nachdachte über diese außerordentlichen Geschehnisse, in die Gott sie einbezogen hatte. Das haben wir auch in dem kurzen Abschnitt des Evangeliums gehört, den uns die Liturgie heute vorlegt. »Maria aber bewahrte alles, was geschehen war, in ihrem Herzen und dachte darüber nach« (Lk 2,19). Das griechische Wort, das verwendet wird: symbállousa bedeutet wortwörtlich »zusammensetzen« und läßt an ein großes Geheimnis denken, das nach und nach entdeckt werden muß. Das Kind, das in der Krippe weint und scheinbar allen Kindern der Welt gleicht, ist aber zugleich ganz anders: Es ist der Sohn Gottes, es ist Gott, wahrer Gott und wahrer Mensch. Dieses Geheimnis – die Menschwerdung des göttlichen Wortes und die Gottesmutterschaft Marias – ist groß und mit der menschlichen Vernunft allein nicht leicht zu begreifen.
Aber in der Schule Marias können wir mit dem Herzen das erfassen, was die Augen und der Sinn allein nicht wahrnehmen und fassen können. Denn es handelt sich um ein so großes Geschenk, daß wir es nur im Glauben annehmen können, ohne es ganz zu verstehen. Und auf diesem Glaubensweg kommt uns gerade Maria entgehen, sie stützt und leitet uns. Sie ist Mutter, weil sie Jesus im Fleisch geboren hat; sie ist es, weil sie dem Willen des Vaters ganz zugestimmt hat. Der hl. Augustinus schreibt: »Für sie wäre die Gottesmutterschaft wertlos gewesen, wenn sie nicht Christus im Herzen getragen hätte, mit einem glücklicheren Los als dem, als sie ihn im Fleisch empfing« (De sancta Virginitate, 3,3). Und Maria bewahrte und »setzte« die nachfolgenden Ereignisse »zusammen«, deren Zeugin und Protagonistin sie war, bis zum Kreuzestod und zur Auferstehung ihres Sohnes Jesus.
Liebe Brüder und Schwestern, nur wenn wir alles, was wir erleben, zu einer Einheit zusammensetzen und im Herzen bewahren, können wir in der Nachfolge Marias in das Geheimnis eines Gottes eindringen, der aus Liebe Mensch geworden ist und uns ruft, ihm auf dem Weg der Liebe zu folgen: einer Liebe, die jeden Tag in einen großmütigen Dienst an den Brüdern und Schwestern umzusetzen ist. 

Akathistos

Zu Ehren unserer GOTTESmutter und im Gedenken an die koptischen Märtyer der vergangenen Nacht.