Merkwürdigerweise waren die Teilnehmer des zweiten Kurses, der inzwischen begonnen hatte, von anderem Schlag als die des ersten. – Beim mittäglichen Gang zur Cafeteria bemerkte ich einen jungen Priester, den ich am Vormittag noch in Bluejeans hatte herumlaufen sehen, der aber nun zu meiner Überraschung das weiße Mönchsgewand der Dominikaner trug. Ich begrüßte ihn mit unverhohlener Freude und verbarg auch mein Erstaunen nicht. Und dann bekam ich unterwegs wieder eine »wahre Geschichte« zu hören, nicht zwar eine geradewegs unglaubliche, aber doch eine, die man unbedingt weitererzählen muß. Kurioserweise begann er damit, mir zu erklären, er wolle den Dominikaner-Habit immer erst ab Mittag tragen. Und auch seine »Geschichte« hatte mit eben diesem weißen Gewand des Predigerordens zu tun.
Er trage es auch, so sagte er, in San Francisco, auf der Straße; dabei sieht er mich fast herausfordernd an, als warte er auf eine Reaktion von mir; und in der Tat, ich bin ehrlich überrascht und sage ihm das auch. Doch was er dann noch hinzufügt, erstaunt mich weit mehr. Dies nämlich, das offene Zeigen der Ordenszugehörigkeit, sei nach seiner Überzeugung einer der Gründe dafür, daß die kleine kalifornische Dominikaner-Provinz, die weniger als zweihundert Mönche zähle, doppelt so viele Novizen habe wie die beiden anderen mit über tausend Mitgliedern weit größeren Provinzen zusammen. Und dann beginnt er, immer lebhafter beteiligt, Einzelheiten zu berichten. In Oakland, dem Zentrum seiner Ordensprovinz, hätten vor allem die jüngeren Mönche sich gegen den Vorschlag einiger Mitbrüder durchgesetzt, man solle, wie es auch sonst geschehe, das Ordensgewand ablegen und, statt im Kloster zu wohnen, irgendein Apartment in der Stadt beziehen. Genau dieser erfolgreiche Protest aber, das Festhalten also an Ordenshabit und Kloster, habe dann bewirkt, daß ihnen so viele junge Männer als Novizen zugeströmt seien. – Solche Vorgänge verdienen es, wie gesagt, festgehalten und weitererzählt zu werden.
Übrigens gab es zu diesem Bericht noch einen Nachtrag, und wiederum ging es um das priesterliche Ordensgewand. Ich fragte meinen Begleiter nach seiner Arbeit und etwaigen Plänen, worauf ich zur Antwort bekam, es stehe ihm tatsächlich etwas völlig Neues bevor. Er sei vor kurzem aufgefordert worden, in einer großen, aus privaten Spenden finanzierten, rein humanitär ausgerichteten und jedenfalls ausdrücklich nicht-christlichen »psychosomatischen« Klinik als Berater und als eine Art »Psychotherapeut« tätig zu sein. »Und als ich mich, es ist erst ein paar Wochen her, vorstellte, und zwar ausnahmsweise im zivilen Anzug, der mir für diesen Fall doch angemessener erschien, da schüttelte der leitende Arzt, als er mich sah, energisch den Kopf. ›Nein, nein, so gerade nicht! Sie sollen als Priester kenntlich sein! Eben darum ist es uns hier zu tun!‹«
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